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verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


merkwürdigen gesellschaftlichen Staffage des vorigen Jahrhunderts getreulich und anmuthig schildern. Mehrere dieser Prachtbilder stellen „Schloßhof“, jenes Schloß im Markte Hof auf dem Marchfelde, dar, das Prinz Eugen, der edle Ritter, im Jahre 1725 kaufte und bald derart erweiterte und verschönerte, daß seine Geschichtschreiber es als einen der reizendsten Herrschaftssitze, als eines der großartigsten Gebäude Oesterreichs preisen durften.

Der Mehrzahl der Wiener wurde jetzt erst bekannt, daß da draußen im Marchfelde, das von Ausflüglern wenig besucht wird, ein Lustschloß zu schauen sei, vielleicht schöner, jedenfalls großartiger als Prinz Eugens männiglich bekannte Prachtschöpfung, das Belvedere in Wien. Das alte kleine viereckige Schloß mit einem Dutzend Fenstern auf den vier Seiten schuf Prinz Eugen in ein zweistöckiges hohes Gebäude mit 192 Gemächern und so vielen Fenstern um, als Tage im Jahre sind; zwischen dem Schloß und den zahlreichen Wirthschaftsgebäuden brachte er Wandelgänge, Springbrunnen, Gärten und Gärtchen, Standbilder und Riesenvasen an. Der in französischer Art terrassenförmig von ihm angelegte Garten ist durch schöne Bastionen und Steingeländer abgetheilt, und wenn der Belvederegarten eine herrliche Aussicht über Wien zum Kahlengebirge hinüber bietet, so sieht man von Schloßhof aus über die weiten Felder und Wiesen des Marchfeldes, nach Ungarn hinüber zu den kleinen Karpathen, die Höhe von Theben an der Einmündung der March in die Donau, die Berge bei Hainburg, das Leithagebirge, die Auen der Donau, den Wiener Wald und in weiter Ferne den Schneeberg.

Nicht minder als der Freund der Natur findet hier der Kunstfreund sein vollstes Genügen. Da ist die prächtige Schloßkapelle mit schimmernden Marmorwänden, schönen Fresken, mit dem riesigen Altarbilde, welches die Kreuzabnahme Christi nach dem im Belvedere, beziehungsweise im Kunstmuseum befindlichen Rubens darstellt, mit Kirchenstühlen und anderen Einrichtungsgegenständen, wahren Mustern des Barockstils, insbesondere auch mit werthvollen Meßgewändern, die zum Theil die Anfangsbuchstaben Maria Theresias tragen. Da sind im Park schmiedeeiserne Gitterthore, von Kennern auf je 20 000-Gulden geschätzt; in den Zimmern hohe Venezianer Spiegel, deren jeder 1000 Dukaten, ein Kamin von purpurrothem, weißgesprengtem Marmor, der 20 000 Gulden kostete; da sind auf 10 000 Gulden geschätzte Prachtbetten mit schweren, gelben Atlasdecken, in die Blumen aus Seide gestickt sind, daß der Pinsel des Malers es nicht feiner machen könnte, und das zusammenlegbare Feldbett Eugens mit Vorhängen aus Seide, nach orientalischem Muster mit Blumen und Thieren bestickt; riesige, mythologische Deckengemälde, Wände mit den kostbarsten Atlastapeten oder den vom Prinzen bei Mehadia erbeuteten türkischen Stoffen; Darstellungen der Siege Prinz Eugens und große Thiergemälde.

Kein Wunder, daß der edle Prinz diesen durch Natur und Kunst so schönen Ort, so oft er nur konnte, zu Wasser und zu Land aufsuchte! Unter seiner Erbin aber, Prinzessin Maria Anna Victoria, die Schloßhos ihrem Gemahl, dem Feldzeugmeister Prinzen Wilhelm von Sachsen-Hildburghausen schenkte, wurden hier Festlichkeiten mit einer unglaublichen Pracht begangen, so z. B. im September 1754, als Maria Theresia mit Kaiser Franz, Erzherzog Karl und den Erzherzoginnen Maria Anna und Maria Christina zum Besuch in Schloßhof eintrafen.

Schwer erkältet.
Nach dem Gemälde von E. Unger.


Die Herrschaften speisten den ersten Tag an 20 kostbaren Tafeln, wo beim Nachtische die 12 Monate in schönen Gebilden aus Zucker dargestellt waren. Dann spazierte man durch den Park, bewunderte ein nur von Rasen und zugestutzten Spalieren gebildetes Theater, wo alsbald eine Serenade mit einem eigens von Metastasio gedichteten Texte begann. Die Sängerinnen Tesi und Hennisch forderten die Bewohner der Wälder auf, den Majestäten zu huldigen, die Gebüsche füllten sich mit Bauern, Bäuerinnen und Kindern, die nicht nur tüchtig sangen, sondern auch den Text „in wälscher Sprache so klar und deutlich als wie geborene Italiener aussprachen, wobei denn sonderlich der Eifer, mit welchem auch die kleinsten Kinder von sieben oder acht Jahren sothane Expressionen mit vollem Halse herausschrieen, über alle Maßen zärtlich anzuhören“ Des Abends wurde im Schloßtheater eine italienische Oper aufgeführt und bei der Abendmahlzeit durch kunstreiches Zuckerwerk „die Glorie des Erzhauses Oesterreich“ dargestellt. Tags darauf sollte eine noch nie gesehene Jagd stattfinden. Der Prinz hatte 800 Hirsche zusammentreiben lassen, welche einige hundert Bauern in die March scheuchen sollten, an deren jenseitigem Ufer die Schießstände der Herrschaften errichtet waren, während die Majestäten und ihr Gefolge auf einem venetianischen Bucentauro und sechs kleineren Schiffen an der Jagd theilnehmen sollten. Allein die Kaiserin, „dero mitleidiges Herz nicht einmal daß einem Thiere wehe geschehe, zusehen kann“, schenkte dem gehetzten Wilde die Freiheit. Damit war aber die rohe Jagd noch nicht zu Ende. Man hatte noch im obersten Stockwerk eines Gartenpalastes 1000 Hasen, 130 Füchse und 60 Wildschweine eingesperrt, die nun über Stiegen herunterspringen sollten, um den Jägern in den Schuß zu laufen. Viele derselben verfehlten jedoch den vorgezeichneten Weg, sprangen geradeswegs herunter „und haben sich immediate tot gestürzet“. Vernünftiger war wieder die Abendunterhaltnng, italienische Oper und Tanz.

Tags darauf wurde durch das Zuckerwerk des Nachtisches diese raffinierte Jagd nachgebildet und dann ein noch merkwürdigeres Vergnügen veranstaltet, ein Wassergefecht auf einem Teiche; zwei Quadrillen, von je vier Schiffen aufgeführt. Auf sechs Felsen im Teiche schlugen die Vorüberfahrenden, worauf aus denselben Füchse, Hasen, Wölfe, Frischlinge, Gänse und Enten herauskamen; dann führten die Schiffe ein Wasserkarussell auf und bekämpften sich mit Spritzen. Eine Insel – mit exotischem Garten, mit Standbildern der Donau und March, die aus ihren Armen Wasser auf einen Wasserfall gossen, und der Clementia und Justitia, die anzeigten, „daß Ihro Majestäten alle Bedienung in Schloßhof mit nichten nach Justiz abwägen, sondern nach der Clemenz mit indulgenter Großmuth ansehen möchten“ – schwamm gegen die Majestäten heran; in Atlas und Silber gekleidete Gärtner luden dieselben ein, von ihren Früchten aus Zucker zu kosten, Fischer gaben ihnen Netze, womit sie aus einem Becken allerlei Fische fingen. Diese Wasserkünste wurden denn auch von den Majestäten als eine „noch nie gesehene, partikulär erdachte Invention“ gelobt, ebenso wie die Feuerwerkskünste und das große Bacchusfest, mit dem der kaiserliche Besuch schloß.

Da Kaiser Franz an Schloßhof so großes Gefallen gefunden, so kaufte es Maria Theresia 1755 für denselben um 400 000 Gulden. Schloßhof war später noch einmal, im April 1766, bei der Vermählung der Erzherzogin Christine Schauplatz großartiger Festlichkeiten. Sonst kam der kaiserliche Hof meistens nur zu den Jagden im Herbste dorthin, oder zur Zeit der Reichstage in Preßburg, wo die Magnaten eingeladen wurden. Auch Kaiser Franz Josef hat Schloßhof öfters bei Gelegenheit von Hofjagden besucht. Am 22. Juli 1866, dem Tage der Schlacht bei Blumenau, erhielt Schloßhof Einquartierung von 300 Preußen; auch Fürst Bismarck hielt sich dort auf. In den letzten Jahren ist vieles für die Instandhaltung des Schlosses geschehen, das, wie uns die Feder des Geschichtschreibers Jos. Maurer und der Pinsel des Malers schildert, im vorigen Jahrhuudert so herrliche Glanztage gesehen hat. L.     

Ein Wohlthätigkeitsfest in Berlin. (Zu dem Bilde S. 120.) Wir bringen unseren Lesern hier eine kleine Kopie des reizend erdachten und künstlerisch ausgeführten Bildes, mit dem H. Fechner, einer unserer beliebtesten jüngeren Künstler, das Programm geschmückt hat für ein Wohlthätigkeitsfest des Berliner „Vereins für häusliche Gesundheitspflege“, der bedürftigen Kranken die nöthige Pflege, Schwachen Stärkungsmittel, Kindern gute Milch verschaffen will, gewiß einer der schönsten Zwecke, welche sich die hilfsbereite Menschenliebe stellen kann. Auf dem Bildchen ist das freundliche Geben dargestellt wie das beglückte Empfangen; all die kleinen, halb scheu halb begehrlich blickenden Gestalten sind schon an uns vorbeigegangen, wir kennen sie, wie sie der Künstler kennt, der sie so lebenswahr festgehalten hat. Und mit welcher Freude sie dann zurückkommen zu „Muttern“, begierig, die Gaben zu zeigen; wie der kleine Blondkopf die Flasche so festhält: „Ach, Muttchen, sieh nur man, ’ne große Pulle für Vatern hab’ ich doch gekriegt“ – das ist herzerfreuender Realismus! E. V.     

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1892, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_130.jpg&oldid=- (Version vom 4.4.2024)