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verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

ihr Prophetenwort verkündete. Schreiend, unter krampfhaften Zuckungen stieß sie einige deutliche Worte oder unverständliche Töne aus – der Priester, welcher den Fragenden geleitet hatte, bildete aus ihnen den Orakelspruch, den er jenen verkündigte. Henri Motte hat phantasievoll den Erdspalt bevölkert mit verhüllten Gestalten, welche das Orakel des Gottes in tiefer Ehrfurcht vernehmen, und mit Schlangen, die an den Füßen des Dreifußes emporzüngeln – zur Erinnerung an den alten Drachen, den hier der Gott erlegte.

Delphi war längere Zeit der kirchliche Mittelpunkt Griechenlands. Die Orakelsprüche waren weit seltener Verkündigungen der Zukunft als politische Weisungen und Rathschläge, welche den Abgesandten der Herrscher und der Völker ertheilt wurden. Diese Rathschläge waren meistens klug und praktisch, sowohl was die innere Verwaltung und Regierung der Staaten als auch besonders die Gründung von Kolonien und Handelsplätzen betrifft. Auf die ganze Entwicklung von Griechenland hatten sie den größten Einfluß. Die Prophetin auf dem geheiligten Dreifuß war nur eine Statistin – die Hauptrolle spielten diejenigen, die ihre Worte deuteten und sie in der Form von Orakelsprüchen verkündeten. Das waren kluge Männer, welche durch geheime Verbindungen über die inneren und äußeren Verhältnisse der einzelnen Staaten aufs genaueste unterrichtet waren und mit überlegenem Geiste ihre Angelegenheiten leiteten. †     


Vogelkasten. Es giebt viele Vögel, die ihre Nester nicht zwischen den Baumzweigen bauen, sondern andre Schlupfwinkel aufsuchen, die ihnen die Natur darbietet, Höhlungen und Löcher in morsch werdenden Bäumen. Diese Vögel, welche zu den nützlichsten und liebenswürdigsten Geschöpfen zählen, haben jetzt unter einer Art Wohnungsnoth zu leiden. Unsre Kultur hat mit den alten Bäumen, die früher auf Feldrändern, an Gräben etc. standen, ziemlich gründlich aufgeräumt; in neu angelegten Gärten giebt es gar keine oder sehr wenige morsche Bäume. Die Vögel meiden aber die Plätze, wo ihnen Nistgelegenheiten fehlen. Man hat darum Vogelkasten nach dem Muster der bekannten Starkasten als Ersatz für die natürlichen Vogelwohnungen empfohlen. Ornithologische Vereine lassen hier und dort solche Kasten herstellen. In letzter Zeit hat die bekannte Blumenfirma Schmidt in Erfurt sehr schön ausgestattete Vogelkasten in den Handel gebracht. Dieselben sind zusammenlegbar, so daß sie im Herbste, wenn die Vögel nach dem Süden abgezogen sind, auseinandergeklappt und gründlich gereinigt werden können. Mancher Gartenbesitzer trägt sich wohl mit der Absicht, einen Nistkasten zu bauen, kommt aber nicht dazu. Nun ist die Zeit da, in welcher die gefiederten Sänger wieder bei uns erscheinen. Wer für sie in seinem Garten Wohnungen aufhängt, dem werden sie im Frühling und Sommer durch ihren Gesang und ihr munteres Treiben pünktlich den Miethzins entrichten! *     




Allerlei Kurzweil.


Schachaufgabe Nr. 3.
Von Max Feigl in Wien.

Weiß zieht an und setzt mit dem dritten Zuge matt.


Bilderräthsel.


Damespielaufgabe.

Weiß zieht an und gewinnt.


 Räthsel.

Mit u, da liefert’s der General
Mit r Fortuna im Lottosaal.
 Eduard Schulte.


Litterarisches Ausschnitträthsel.

Im Bücherschrank – an jenem Ort,
Wo Meister Goethes Werke stehen,
Da kannst du stets mein Räthselwort
Als ein bekanntes Schauspiel sehen.

Nimm mir den Fuß und köpfe mich; –
Nun suche mich bei Schillers Werken,
Dort wirst alsdann du sicherlich
Als Schauspiel gleichfalls mich bemerken.


Buchstabenräthsel.

Als Stadt in Schweden kennst du mich,
Die mit der Erde Schätzen handelt,
Ein Zeichen nimm, dann werde ich
Sogleich in eine Gott verwandelt.


Scherzräthsel.

Mit o, da ruft es groß und klein,
Mit u ruft’s kleine Schar allein.
 E. S.


Mosaik-Kryptogramm.

Die mit Buchstaben bezeichneten Quadrate sind in dem gegebenen Raume so aneinander zu reihen, daß 1. die Buchstaben abwärts gelesen den Namen eines deutschen Dichters, 2. diese Quadrate den Anfangsbuchstaben desselen als Mosaikbild geben.

Hans v. d. Mürz.


Homonym.

Der ist zu seh’n beim Militär,
Die gern manch’ alte Jungfer wär’.
 Oscar Leede.


Versetzungsräthsel.

In der guten alten Zeit,
Wo die Dampfkraft unbekannt,
Bracht’ ich oft in Schnelligkeit
Reisende von Land zu Land.

Aendre meiner Zeichen Stand,
Bis ein neues Wort sich beut,
Welches, in des Feindes Hand,
Mit dem Tode dich bedräut.


Umstellungsräthsel.

Entstamm’ ich zwar auch fremder Zone,
Kennt mich ein jeder doch zumeist,
Und oftmals hast du zweifelsohne
Mich, lieber Leser, schon verspeist.

Hast meine Zeichen ohne Zagen
Du nun zu neuem Wort gereiht,
Weißt du, daß listig und verschlagen
Ich einst gestiftet Zank und Streit.




Wir können unsern Lesern die erfreuliche Mittheilung machen, daß der in Aussicht gestellte Roman

„Der Klosterjäger“ von Ludwig Ganghofer

bereits in dem nächsten Halbheft der „Gartenlaube“ seinen Anfang nehmen wird.

Seit seinem „Unfried“, welcher vor fünf Jahren in der „Gartenlaube“ erschien, hat Ganghofer keinen Roman mehr geschaffen. Um so größer ist unsere Genugthuung, den Dichter jetzt auf seinem alten Felde wieder begrüßen zu dürfen. Im „Klosterjäger“, einer historischen Erzählung aus dem vierzehnten Jahrhundert, führt uns der Dichter wieder in sein Lieblingsgebiet, in die schönen Berglande von Berchtesgaden, an die Gestade des Königssees. Mit der Sicherheit des bewährten Meisters entrollt er vor uns eine ergreifende Herzensgeschichte, in welche Volks- und Naturschilderungen von köstlicher Frische eingewoben sind.

Die Redaktion. 



Herausgegeben unter veranrwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1892, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_228.jpg&oldid=- (Version vom 3.1.2023)