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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


bei der Universität Padua (1545) üblich gewordenen botanischen Gärten, waren die ersten Pflanzstätten der Fremdlinge, und aus ihren Annalen läßt sich auch die Geschichte der Pflanzeneinwanderung zusammenstellen. Schon um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts tauchen in denselben einige amerikanische Gäste auf, die man ursprünglich indische oder spanische Pflanzen nannte. Ohne eine Ahnung ihrer zukünftigen Bestimmung zog man damals unter dem Namen „Papas Peruanorum“ eine Zierpflanze an Stäben – es war nichts andres als unsre heutige Volkerernährerin, die Kartoffel – und der amerikanische Lebensbaum, der statt der südlichen Cypresse unseren Friedhöfen ernste Stimmung verleiht, war schon bei uns heimisch geworden.

Stets aber wurden unter den Fremdlingen einzelne Pflanzen den anderen vorgezogen; als ausgesprochene Lieblinge der Massen drückten sie dem Gartenbau ein besonderes Gepräge aus. So gilt als eine wichtige Periode der Pflanzeneinfuhr die der orientalischen Blumenzwiebeln; dann kamen die kanadischen Pflanzen an die Reihe. Noch heute steht im Pariser Jardin des Plantes die uralte, als erste ihrer Art auf europäischem Boden im Jahre 1636 von Jean Robin gepflanzte Akazie, die eine zahlreiche Schar von überseeischen Landsleuten in Europa aufblühen sah; denn um jene Zeit hat in Paris zum ersten Male der Wilde Wein sein Laub herbstlich geröthet, haben die hohen amerikanischen Astern geblüht, und von dort entsprang eine kanadische Pflanze ins Freie, die jetzt überall an Eisenbahndämmen zu sehen ist – die Nachtkerze.

Bald daraus kamen die Pflanzen vom Kap der Guten Hoffnung nach Europa und fanden in den Glashäusern Hollands willige Aufnahme. Da sah man zuerst die scharlachroten Pelargonien, die Dracänen, zierliche Heiden und viele andere, die noch heute ausgesprochene Lieblinge der Blumenfreunde sind.

Als später der freie Gartenstil siegreich vordrang, als die Parkanlagen sich mehrten, da kamen zu uns neue Gestalten: die amerikanische Eiche, Ahorn, Pappeln, Kastanien und Nußbäume und die kleinfruchtigen Aepfelsorten und blühenden Sträucher Sibiriens. Adlig im Wuchse, glühend in ihrer herbstlichen Färbung oder unübertroffen in ihrem frühen Blüthenschmuck, sind sie heute unentbehrlich in allen größeren Parkanlagen.

Mit der Verbesserung der Verkehrsmittel wurde die Einfuhr erweitert. Neu-Holland sandte uns den Fieberbaum (Eucalyptus globulus) und andere Pflanzen von sonderbarer Gestalt. Solche Bäume und Sträucher hatten in grauer Vorzeit, in der Tertiärzeit, in Europa geblüht und gegrünt, nun streckten sie wieder ihre Blätter unter dem Schutze des Menschen der alten Sonne entgegen.

Der Dampf beherrscht heute die Welt, der „Pflanzenjäger“ stellt seine Glaskästen auf dem Decke des Dampfers auf und dank der kurzen Fahrzeit kann er selbst die zartesten Kinder der Tropen wohlbehalten in die mustergültigen Glashäuser Europas bringen. So wandern wir im Norden unter Palmen, so sehen wir die prachtvollsten Orchideen des tropischen Urwalds bei uns erblühen, und so sehen wir die riesigen Bananen, die Musenarten, als Sommergewächse unsre Rasenplätze schmücken.

In England wachsen etwa 1500 Pflanzenarten wild, die Zahl der eingeführten aber betrug bereits im Jahre 1830 nicht weniger als 32000! In dem berühmten Garten von Kew bei London wurden im August 1891 gegen 19800 Arten und Formen gezogen, im Berliner botanischen Garten im Jahre 1890 gegen 19000 und in St. Petersburg 25000 Arten und Abarten in 71850 Exemplaren.

Aber diese Fremden haben uns nicht allein durch den Schmuck, den sie unseren Gärten und Wohnungen verleihen, erfreut, sie haben auch den Forschern Gelegenheit gegeben, tiefer in die Geheimnisse des Pflanzenlebens einzudringen.

Und was der botanische Garten für den Forscher ist, das kann der kleine Hausgarten für jeden Naturfreund werden, denn er bildet für sich eine Welt, in der es viel zu beobachten und viel zu lernen giebt. Man kann in ihm über die Räthsel der Pflanzennatur sinnen, kann den mannigfachen Beziehungen der Blumen zu dem Heere der Insekten nachgehen, kann des Lebens Erwachen, das Blühen und Reifen, das Welken und Vergehen im Herbste und die Winterruhe verfolgen. Wie wenige wissen leider, welche merkwürdigen Schätze in ihrem Garten ruhen!

Namentlich die reifere Jugend könnte im Garten viel, viel lernen und ihren Wissenskreis durch Anschauung erweitern. Manchmal verspürt sie auch die Lust dazu und stellt Fragen auf Fragen, aber leider sind oft die Eltern selbst nicht imstande, sie zu beantworten. Ich habe solche junge Leute, die ihren Wissensdurst nicht befriedigen können, stets bedauert, um so mehr, als es für die Jugend keine bessere und edlere Erholung geben kann, als die Beschäftigung mit der Natur, welche sie ins Freie hinauslockt und ihre Sinne schärft.

Die Botanik hat man einst die „liebenswürdige Wissenschaft“, die „scientia amabilis“ genannt; leider ist sie jahrelang in den Schulen durch das Vorkehren der Systematik zu einer dürren und langweiligen geworden. Das Thierleben wurde durch Brehm so populär, weil der Altmeister nicht tote Systematik, sondern das volle Leben der Thiere seinen Lesern schilderte; auch für die Pflanzenwelt schlägt dieselbe Stunde.

Unter den Neuigkeiten des Buchhandels finde ich ein hübsch ausgestattetes Buch, „Durch des Gartens kleine Wunderwelt. Naturfreundliche Streifzüge“ von Heinrich Freiherr Schilling von Canstatt (Frankfurt a. d. O., Trowitzsch u. Sohn). Es ist ein ausgezeichneter Führer für die reifere Jugend und den Gartenliebhaber durch das Stückchen Natur, das man sein eigen zu nennen pflegt. Das schlichte Werkchen kann als eine Vorstufe zu tiefer angelegten Schriften, wie z. B. dem „Pflanzenleben“ von Anton Kerner von Marilaun, betrachtet werden.

Der Garten besitzt eine hohe ethische Bedeutung im Volksleben; aber seine veredelnde Wirkung auf das Gemüth des Menschen kann nur dann sich bethätigen, wenn die Blumen, die in ihm blühen, die Bäume, die in ihm Schatten spenden, dem sorgsamen Pfleger auch ihre Lebensschicksale, ihre weiten Fahrten, ihre Lust und ihr Leid verrathen. Die Bedeutung des Gartens in dem Volksleben hat auch Ernst Keil vorgeschwebt, als er sein neugegründetes Blatt, in dem jedermann nach des Tages Last und Mühe Erholung und Erhebung finden sollte, die „Gartenlaube“ nannte.




Weltflüchtig.
Roman von Rudolf Elcho.
(7. Fortsetzung.)
17.

Bevor Bettina am folgenden Morgen Rott über das Ergebniß der Unterredung mit ihrem Manne unterrichten konnte, traf derselbe bereits mit Ewald an der Gartenpforte zusammen. Rott, der, den Hut lüftend, am Hausherrn vorübergehen wollte, wurde von diesem in barschem Tone angeredet: „Wenn Sie heute frühstücken wollen, so müssen Sie sich ins Gasthaus bemühen; in meinem Hause erhalten Sie nichts mehr als die Wohnung. Verstanden?“

Der Künstler erwiderte höflich: „Sie waren deutlich genug, und ich habe selbst das verstanden, was Sie nicht ausgesprochen haben: es wäre Ihnen lieb, wenn ich Ihr Haus recht bald verließe. Das soll so rasch als irgend thunlich geschehen. Doch da Sie die Feindseligkeiten begonnen haben, so lassen Sie uns wie ehrliche Gegner handeln und offen bekennen, was einer von dem andern zu erwarten hat.“

„Was Sie von mir zu erwarten haben, das will ich Ihnen gleich sagen. Wenn Sie es noch einmal wagen, meiner Frau von Liebe zu reden, dann fliegen Sie zur Thür hinaus – Sie sammt Ihrem Geigenkasten, aber nicht so heil, wie Sie hereingekommen sind!“

Ueber Rotts Gesicht ging eine jähe Gluth. Er nahm den breitrandigen Hut ab und ließ sich den Morgenwind durchs Haar streichen, dann sah er Monk furchtlos mit den stahlgrauen Augen an und erwiderte: „Sie wollen also rücksichtslos auf das Recht des Stärkeren pochen und mit Gewalt eine Frau unglücklich machen, die Ihnen ihr Leben anvertraut hat?“

Der Lotse geriet bei dieser Frage in Verlegenheit. Er zog seine kurze Pfeife aus der Tasche, klopfte die Asche aus, stotterte einige unverständliche Worte und fuhr zuletzt grob heraus:

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_244.jpg&oldid=- (Version vom 7.2.2020)