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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


in die Küche. Da pocht’s ans Fenster. Draußen steht so ein loser Strick, hält ihr die Schuhe dicht ans Gitter und ruft: „Löse Deine Schuhe aus!“ Schweren Herzens reicht sie ihm einige Pence hinaus und erhält – einen Schuh zurück. Den andern muß sie mit einem neuen Opfer auslösen.

Es ist eine eigenthümliche englische Sitte, die wir hier unseren Lesern vorgeführt haben, und es ist schwer, für sie eine vollwichtige Erklärung zu finden. Jedenfalls steht sie im Zusammenhang mit einer Reihe anderer Osterbräuche, in denen ebenfalls jener Zug der Gegenseitigkeit, des Schlags und Gegenschlags, des Neckens und Vergeltens zutage tritt. A. T.     


Fünfundzwanzig Jahre Frauenarbeit. Kürzlich hat eine der angesehensten Gesellschaften Oesterreichs, der „Wiener Frauen-Erwerb-Verein“, das erste Vierteljahrhundert ihres wie an Arbeit so auch an außerordentlichen Erfolgen reichen Daseins vollendet. Ihre Gründung fiel in die Zeit, in der sich auch in Oesterreich die Frauenbewegung Geltung zu schaffen begann. Sie wandte sich von vornherein an die Mädchen und Frauen der besseren Stände, deren Erwerbsfähigkeit sie zu dem Zwecke zu fördern gedachte, um ihrer Erwerbsthätigkeit neue Quellen des Verdienstes zu erschließen. Dabei sollte, allen den Adel der Arbeit leugnenden Vorurtheilen zum Trotze, der natürliche Beruf und die sociale Stellung des Weibes gewahrt und die Gefahr, statt treue Gehilfinnen entschiedene Konkurrentinnen und Gegnerinnen der Männer heranzubilden, nach Möglichkeit vermieden werden. Theils dieses allen übertriebenen Emanzipationsbestrebungen gegenüber streng umgrenzte Programm, theils die patriotische Begeisterung, welche nach den Tagen des Jahres 1866 die Frauen Oesterreichs ergriffen hatte, half dem neu gegründeten Verein über alle Schwierigkeiten des Anfangs hinweg. Zuerst wurde eine Nähstube eröffnet, bald darauf eine Handelsschule, eine gewerbliche Zeichenschule, eine höhere Arbeits- und eine höhere Bildungschule, welch letztere, mit einem dem Programm der Realgymnasien verwandten Lehrplan ausgerüstet, aus dem sich immer mehr fühlbar machenden Bedürfnisse nach erweiterter schulgerechter Bildung des weiblichen Geschlechtes hervorgegangen war.

Inzwischen hatte der Verein der Staatsdruckerei eine Anzahl von Mädchen, über welche eine eigene Kommission die Oberaufsicht führte, für die Kouvertfabrikation zur Verfügung gestellt und mit der Ausbildung von Telegraphistinnen dem weiblichen Geschlecht einen für dasselbe außerordentlich geeigneten Erwerbszweig erschlossen, dem heute Hunderte von Frauen in Oesterreich eine gesicherte Stellung zu verdanken haben. Der Wohlthätigkeitssinn der „Ersten österreichischen Sparkasse“ und der besten Gesellschaftskreise Wiens setzte den Verein schon Ende 1874 in den Besitz eines eigenen Hauses, womit das letzte Hinderniß für die großartige Entwicklung seiner Schulen gefallen war. Zur Handelsschule gesellte sich ein Uebungskomptoir, die Bildungsschule wurde um zwei Jahrgänge erweitert, und in rascher Aufeinanderfolge entstanden eine Maschinenstrickerei-, eine Kunststickerei- und Feinwäschereischule, ein Frisier- und ein Spitzenkurs, Ateliers für kunstgewerbliche Maltechniken und für Musterzeichnen, neben denen sich die älteren Lehranstalten des Vereins, die Sprachschulen, die Schneidereischule etc., dauernd behaupteten.

Sein Jubiläum hat der „Wiener Frauen-Erwerb-Verein“ so ernst und würdig begangen, als es seinen Bestrebungen nur immer entsprechen mag. Er veranstaltete eine Schulausstellung, welche einen vollständigen Ueberblick über seine bisherige Thätigkeit bot. Die dabei zu Tage tretenden Erfolge fanden ihre Erklärung darin, daß der „Wiener Frauen-Erwerb-Verein“ stets in der Zeit für die Zeit geschaffen und niemals über der Gegenwart die Zukunft vergessen hat! R. v. E.     


Kampf zwischen Schweden und Tataren. (Zu dem Bilde S. 241.) Im Verlaufe des siebzehnten Jahrhunderts führten die Schwedenkönige Karl IX. und Gustav Adolf langjährige Kriege mit Polen. Auch Karl X., der Nachfolger von Gustav Adolfs Tochter Christine, war noch 1654 in einen solchen verwickelt. Das Bild Werner Schuchs stellt eine Kampfscene aus diesen Feldzügen dar, bei welchen es zwischen den Schweden und den mit Polen verbündeten Tataren zu häufigen Scharmützeln kam. Der schwedische Reitersmann durchbohrt den einen Tataren mit seiner Lanze, während der andere mit hochgeschwungenem Schwerte dem Gegner das Haupt zu spalten droht. Die kämpfenden Reiter und die sich bäumenden Rosse bilden eine lebensvolle Gruppe.

Der Name „Tataren“ hat eine schwankende Bedeutung. Ursprünglich nannte man so die Mongolen, dann die stammverwandten und von ihnen unterworfenen Völker. Gegenwärtig bezeichnet man damit in der Regel jene aus einer Vermischung der Mongolen mit türkischen Bestandtheilen hervorgegangene Völkerschaften, die ihrer Körperbildung nach mehr zur mongolischen Rasse, ihrer Sprache nach aber zur türkischen Völkerfamilie gehören. Dem russischen Reiche einverleibt, wohnen sie im Süden desselben, im Kaukasus, am Ural, an der Wolga und helfen stets die leichte Reiterei des Czarenreichs bilden. Zur Zeit jener Kriege mit den Schweden führten sie nicht nur das Schwert, sondern auch Pfeil und Bogen: der mehr im Hintergrunde des Bildes befindliche heransprengende Reiter hat den Bogen gespannt, um mit einem Pfeilschuß die sich nähernden Schweden zu begrüßen. †     


Spottvögel. (Zu dem Bilde S. 248 u. 249.) Einen eigenartigen Uebergang von Waldleuten zu Wasserleuten bilden in solchen Landschaften, wo wasserreiche Ströme aus Bergwäldern ins Flachland treten, die Flößer. In den Bergwäldern heimisch und aufgewachsen, sind sie meist mächtige Gestalten, wetterbraun und eisenstark. Ihr Beruf wechselt zwischen schwerer gefahrvoller Arbeit und fröhlicher Wanderschaft; und das muß auf ihr ganzes Wesen Einfluß gewinnen.

Auf den meisten der Bergströme, welche die Donau von Süden her, aus den Alpen, aufnimmt, geht heute noch fröhliche Floßfahrt, wenn auch nicht mehr so lebhaft als vordem. Von den Flößern werden die Flöße hoch droben in den Alpenländern an den einsamen Ufern der Bergströme, des Lech und der Isar, des Inn, der Salzach und der Traun, zusammengestellt. Die schwere blinkende Axt und die zweimännige Balkensäge sind das ganze Werkzeug, das zum Bau eines solchen Floßes verwendet wird. Der Bau ist nicht gefahrlos; handelt sich’s doch um ein beständiges Hantieren mit wuchtigen, rollenden, viele Centner schweren Baumstämmen.

Ist das Floß zusammengestellt und mit seiner einfachen Last – Brettern, Kalk, Bausteinen und dergleichen – beladen, dann geht die Fahrt thalab durch Wirbel und Stromschnellen auf weißschäumenden Wogen. Dieselben Fäuste, die das Fahrzeug gebaut, müssen es jetzt steuern bis hinunter in die große Stadt. Tagelang, oft wochenlang währt die Fahrt vom grauenden Morgen bis in die sinkende Nacht, bis endlich das Floß zum letzten Male an die Lände sich legt. Nun wird es an den Holzhändler oder Sägemüller abgeliefert; die Flößer, die es bisher gesteuert, nehmen ihren Lohn in Empfang, schultern ihre Aexte, beladen sich mit den schweren Tauen, mit denen sie ihr Floß bei den Landungen angebunden haben – und dann geht die Reise wieder heimwärts, den Bergen zu. Früher machten die Flößer diese Wanderungen zu Fuß; jetzt fahren sie mit der Bahn so weit als möglich. Aber wo die Eisenbahnen enden und jene stilleren Bergthäler beginnen, aus deren Inneren die Flöße kommen, da muß auch heute noch zu Fuß gegangen werden! Das ist aber auch eine wahre Lust; denn jetzt sind ja die kühnen Gesellen wieder im Banne der heimischen Wälder, jedes Dorf ist ihnen ein alter Bekannter, und man kann es ihnen nicht verargen, wenn sie überall, wo ein kühler Trunk zu haben ist, Einkehr halten.

Unser Bild zeigt uns etliche solcher Gesellen, wie sie im letzten Dorfe vor der Heimath noch einmal rasten. Aus der sonnigen Wirthsstube fällt der Blick hinaus in das grünende Alpenthal. Ueber dem Tische hängt als Wahrzeichen ein kleines zierlich gezimmertes Floß, wie man es so ziemlich in allen Wirthshäusern findet, die an floßbaren Strömen liegen. Um den Tisch aber sitzt eine fröhliche Gesellschaft, offenbar in heiterster Laune, und zwischen der schlagfertigen Freundin der Wirthstochter und den männlichen Gästen hat sich eines jener schneidigen Witzgefechte entsponnen, um die man diese einfachen Gebirgsleute mit Recht bewundert. Der junge Mensch dabei ist wohl ein Jagdgehilfe aus der Umgebung – sein Gewehr hängt an der Wand. Die drei schnurrbärtigen Männer aber mit den Spitzhüten auf den Köpfen sind heimwandernde Flößer, prachtvolle, urechte Gestalten.

„Spottvögel“ hat der Künstler sein Bild genannt, und in der That lacht aus diesen Gesichtern fröhlicher gutmüthiger Spott, der keinem Herzen weh thut. Ein sonniger, heiterer, sommerfrischer Zug liegt über dem Ganzen und läßt uns schauen, wie fern von dem lebenverzehrenden Treiben der Städte, in grünen Waldthälern der Mensch noch Stunden hat, wo er rastend nach harter Arbeit sich rückhaltlos des Daseins freut.h.     


Das deutsche Gurkenland. Die größten Gurkenfelder in Deutschland findet man in den Niederungen der Unstrut und der thüringischen Saale bis nach der Elbe hin. Die Orte Großengottern, Heldrungen, Naumburg a. d. S., Weißenfels, Kalbe a. d. S. und Zerbst und deren nächste Umgebung treiben den Gurkenbau und Gurkenhandel im großen. In jenem Abschnitte des Sommers, welchen man mit dem bezeichnenden Namen „Sauregurkenzeit“ belegt hat, beginnt die eigentliche Ernte. In ganzen Wagenladungen, theils mit Pferdefuhrwerk, theils mit der Eisenbahn, werden die Gurken nach den größeren Marktplätzen der Umgegend, nach Erfurt, Leipzig, Halle, Magdeburg, Berlin gebracht, um dort Schock um Schock (1 Schock = 60 Stück) in andere Hände überzugehen, vornehmlich zum Einmachen.

Ein ähnlicher aber minder lebhafter Gurkenhandel besteht in der Pfalz und in dem benachbarten Baden, sowie in einigen anderen Gegenden, in der Nähe von Bamberg, Liegnitz etc.

Ein großes Absatzgebiet in Deutschland hat die holländische Gurke, welche namentlich aus dem Haarlemer Meer und aus der Gegend von Venlo kommt. In der „Frühsaison“ beherrscht sie den Markt bis nach Berlin hin. Ihr eigentliches Absatzgebiet sind aber die volkreichen Gegenden von Rheinland-Westfalen, wo die „Kukumere“ (vom lat. cucumis) ein gesuchter und gut bezahlter Artikel ist. Der Holländer verkauft die Gurken nach dem Hundert.


Die Kaffeeriecher. (Zu dem Bilde S. 257.) Nicht ohne Kampf hat sich der Kaffee, der braune Sohn der Tropen, den breiten Boden der europäischen Kulturwelt erobert, auf dem er heute eine fast uneingeschränkte Machtstellung einnimmt. Politisches Mißtrauen witterte in dem Kaffeetrinker einen gefährlichen Neuerer, besorgte Staatsoberhäupter sahen mit bedenklichem Blicke das viele Geld für den theuren Artikel ins Ausland strömen.

Zu den letzteren zählte kein geringerer als der Große Friedrich von Preußen. Er meinte, die Leute sollten sich wieder an das Bier gewöhnen, das wäre zum besten ihrer eigenen Brauereien und im übrigen „seien Seine Königliche Majestät Höchstselbst in der Jugend mit Biersuppe erzogen worden, mithin können die Leute ebensogut mit Biersuppe erzogen werden“; das sei viel gesünder als der Kaffee, an den sich jetzt „ein jeder Bauer und gemeine Mensch“ gewöhnt habe. Um seinen Zweck zu erreichen, führte er eine ziemlich hohe Kaffeesteuer ein und errichtete eine besondere Kaffee-Administration, deren Beamte der Volksmund „Kaffeeriecher“ nannte.

Auch das benachbarte Hessen-Kassel hatte seine „Kaffeeriecher“. Dort hatte der Landgraf Friedrich im Jahre 1766 zum Schrecken und Aerger der zahllosen Kaffeetrinker ein umständliches Verbot erlassen, welches jeden, besonders aber die Leute auf dem Lande, mit schweren Strafen bedrohte, so sich einer fortan des „Gesundheit und Vermögen schädigenden Trankes“ bedienen würde.

Daß das Verbot keine oder jedenfalls nicht genügende Wirkung hatte, sieht man daraus, daß es 1774 in erweiterter und verschärfter Form wiederholt werden mußte. Inzwischen aber hatte man es wohl verstanden, dem verpönten Genuß heimlich zu fröhnen.

Die Kaffeekränzchen blühten, und es ist anzuerkennen, daß in jenen Tagen die Hessen-Kasseler Damen mehr Muth brauchten, wenn sie zu

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_259.jpg&oldid=- (Version vom 2.1.2022)