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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Aus Thüringens Waffenkammer.

Von Hermann Ferschke.
Mit Zeichnungen von R. Starcke.

Weithingestreckt im Thale der muntern Lauter, dicht an der südlichen Abdachung des Thüringer Waldgebirges liegt die Stadt Suhl am Fuße des Domberges, gleich anziehend durch ihre herrliche Lage, wie bedeutsam durch ihre uralte Waffenindustrie.

Der älteste Nahrungszweig Suhls war allerdings nicht das Waffenschmieden, sondern die Salzgewinnung, welcher die Stadt auch ihren Namen verdankt; aber schon im 15. Jahrhundert wird urkundlich eines Eisenhammers zu Suhl Erwähnung gethan – der Bergbau auf Eisen ward hier bereits im 14. Jahrhundert erfolgreich betrieben, und da sich das gewonnene Material vorzüglich zur Herstellung von Harnischen, Schwertern und Hellebarden eignete, so dürfte Suhl schon damals eine hervorragende Rüstkammer Deutschlands gewesen sein. Als dann das Schießpulver erfunden wurde und die Feuergewehre ihren Einzug hielten, da war natürlich die Zeit der Panzer und Hellebarden vorüber. In Suhl jedoch besann man sich nicht lange, einer Neuerung, welche eine gänzliche Umänderung des Waffenwesens im Gefolge hatte, Rechnung zu tragen. Suhl und Lüttich werden als die ersten Orte in Europa genannt, wo man sich mit der Herstellung von Gewehren beschäftigte.

Die neue Wandlung ging jedoch sehr allmählich vor sich. Erst als Karl V. seine spanischen und italienischen Truppen mit der Muskete ausrüstete, kam diese Kriegswaffe allgemeiner zur Anwendung, und so erklärt es sich auch, daß erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts Urkunden und Berichte eine größere Bedeutung der Suhler Gewehrfabrikation erkennen lassen. Von jener Zeit ab jedoch verbreitete sich ihr Ansehen immer weiter und am Anfang des Dreißigjährigen Krieges stand es auf seiner höchsten Höhe.

Es konnte nicht ausbleiben, daß dieser schrecklichste aller Kriege den Thüringer Waffenschmieden einen geradezu glänzenden Absatz verschaffte. Aber auch die Kehrseite sollten sie kennenlernen. Nachdem bereits im Jahre 1631 kaiserliche Kriegsvölker alle vorhandenen Waffenvorräthe gewaltsam hinweggeschleppt hatten, erschienen am 15. Oktober 1634 unter Führung des Feldobersten Isolani Kroatenbanden raubend und plündernd vor Suhl und steckten es am folgenden Tage an allen vier Ecken in Brand. Bis drei Uhr nachmittags war der beste Theil der vorher so blühenden Stadt nur noch ein rauchender Aschenhaufen; in sieben Stunden waren 769 Bürgerhäuser, zwei herrschaftliche Gebäude, zwei Rathhäuser, drei Mühlen, ein Malzhaus, das Hospital, vier Eisenhämmer und Rohrschmieden, sämmtliche Schulen und Lehrerwohnungen, Pfarrhäuser und zwei Kirchen mit neun Glocken vom Feuer verzehrt, und nur noch einige fünfzig der Stadt entlegene armselige Hütten waren stehen geblieben.

Die Folgen dieses Unglücks waren fürchterlich; Mangel und üble Ausdünstungen erzeugten Seuchen, und viele Menschen starben an Hunger und Krankheit dahin, mit der alten Waffenindustrie war es scheinbar ganz zu Ende. Aber was der Krieg genommen hatte, das gab er auch wieder. Suhl erstand neu aus Schutt und Asche und die Ueberlebenden kehrten unverzagt zu ihrer Arbeit zurück. Und leider waren die Zeiten derart, daß nach Kriegswaffen immer starke Nachfrage herrschte; auch der Westfälische Friede hatte daran nichts geändert, denn allerwärts rüstete man sich aufs neue, und zahlreiche Bestellungen aus aller Herren Ländern brachten Suhl bald zu neuer Blüthe. „Fürsten und Herren kamen nicht selten in eigner Person dahin, weil die Gewehrfabrikation in Hinsicht auf ihre Ausdehnung und Großartigkeit einzig in Europa war,“ sagt ein Chronist.

Die Geschichte der Waffenfabrikation Suhls hängt eng mit der Kriegsgeschichte Europas zusammen; je toller es in der Welt herging, desto besser ging es den Suhlern, und wenn anderwärts die schonungslose Kriegsfurie wüthete und den friedfertigen Landmann um Hab und Gut brachte, dann hatte man in Suhl gute Tage, schmiedete neue Waffen und freute sich des lohnenden Verdienstes.

„Wat den Eenen sien’ Uhl, is den Annern sien’ Nachtigal,“ sagt Fritz Reuter – und hier traf dieses Sprichwort in aller Schärfe zu.

Nach dem Hubertusburger Frieden trat endlich eine lange Geschäftsstockung ein, die zu einer recht empfindlichen Nothlage führte; wohl schufen die Napoleonischen Kriege wieder Arbeit in Hülle und Fülle, aber es waren mittlerweile auch anderwärts zahlreiche Waffenfabriken errichtet worden, so daß Suhl sich diesem bedeutenden Wettbewerb gegenüber nicht mehr recht auf der alten Höhe behaupten konnte. Die Erfindung des Perkussionsschlosses brachte wieder etwas Leben, da hauptsächlich Suhl es war, welches zunächst Luxus- und Jagdgewehre mit demselben

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_273.jpg&oldid=- (Version vom 6.4.2024)