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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

enthält darum eine Fülle treulicher Skizzen aus dem Leben der afrikanischen Thierwelt.

Als Junker einmal bei dem Negerfürsten Semio weilte, befand sich in seiner Menagerie ein Pärchen rothgeschwänzter grauer Papageien. Die Anhänglichkeit der Vögel aneinander war wahrhaft rührend, sie gebärdeten sich bei ihren Liebkosungen und Spielen recht wie ein zärtliches Paar. Mit dem gewaltigen Schnabel, der sonst eine gefährliche Waffe ist, suchten sie sich scherzweise zu fassen, wobei sie die größte Behutsamkeit entfalteten, um sich nicht weh zu thun. Dann wieder legte sich das eine auf die Seite oder auf den Rücken und ließ sich vom Gefährten schaukeln und rollen, was es durch Liebkosungen erwiderte. Leider wurde das Paar von einem tragischen Ende ereilt. Man pflegte nämlich die Vögel oft unter den Palmen auf eine Querstange zu setzen, von der sie nach Belieben herabkletterten oder flatterten. Einst, als ihre Flügel eben frisch gestutzt waren, mochte das Männchen wohl unbedacht zu Boden geflattert sein und sich beim Aufschlagen auf die Erde innerlich verletzt haben, denn es entleerte gleich darauf blutige Flüssigkeit aus dem Schnabel. Junker brachte es in seine Wohnung, und dort lag es. nun bald auf der einen, bald auf der andern Seite, immer die Lage des Kopfes wechselnd, aber an die Stelle gebannt, bis es nach etwa einer Stunde mit ausgebreiteten Flügeln verendete. Gleich nachdem Junker das Männchen zu sich genommen hatte, kam auch das Weibchen herbeigetrabt. Es benahm sich nun höchst sonderbar. Es begann alle Bewegungen des kranken Gefährten genau nachzuahmen. Es kauerte sich in einiger Entfernung von dem Sterbenden ebenso nieder, wechselte gleichzeitig mit ihm die Lage, seufzte, legte das Köpfchen nach rechts und links, kurz, es gebärdete sich vollständig, als wäre es auf dieselbe Weise verunglückt.

Das Erstaunen Junkers ging aber bald in Rührung über. Der Paroxismus von Nachahmungstrieb dauerte nämlich fort und blieb nicht ohne Folgen für den Organismus des kleinen Geschöpfes. „Der Schmerz, den es empfand,“ berichtet Junker, „oder irgendwelche andre räthselhafte Einflüsse bewirkten bei ihm so eingreifende Funktionsstörungen, daß es schon in der ersten Trauer um den Verlust des Lebensgefährten ein jähes Ende fand. Ohne der Gefahr zu achten, kam es dem Feuer allmählich so nahe, daß ich es schließlich davon entfernen mußte. Aber es war nun aus mit ihm, es rührte selbst die liebste Nahrung nicht mehr an, und kaum zwanzig Minuten nach dem Verenden des Männchens war auch das Weibchen tot. Was soll man zu solchen keineswegs vereinzelten Fällen sagen? Welchen Namen soll man dem Räthsel geben? Nachahmungstrieb, Instinkt oder Seele, Liebesgram – in der kleinen Brust des kleinen grauen Papageis!?“ *     


Ein gutes Hausfilter. Die Fortschritte der Wissenschaft haben uns gelehrt, daß auch im Wasser Gefahren für die Gesundheit schlummern. In einem anscheinend guten, klaren Trinkwasser können Keime ansteckender Krankheiten schweben. Früher dachte man, daß diese Keime durch Filtration vom Wasser getrennt würden, und hielt filtriertes Wasser für ein besonders gesundes Trinkwasser. Die Bakteriologen fanden aber bald heraus, daß die Filter, wie sie bis vor kurzem im Handel vorkamen, die Bakterien durchließen, daß für die winzigsten Lebewesen ihre Poren noch geräumige Pforten waren.

So bot das Filtrieren des Wassers keine Gewähr für die Fernhaltung derjenigen Epidemien, die, wie beispielsweise der Typhus, durch den Genuß infizierten Wassers verbreitet werden können. Man empfahl darum als bestes Mittel zur Verbesserung des Wassers das Abkochen. Leider stieß die Anwendung dieses Mittels bei den meisten Menschen auf Widerwillen, da abgekochtes Wasser fade schmeckt und in vielen Haushaltungen Vorrichtungen zur Abkühlung desselben während des Sommers fehlen. So blieb der Wunsch nach besseren, „keimfrei“ arbeitenden Filtern rege. Den Forschern und Erfindern war es auch in kurzer Zeit gelungen, namentlich aus gebrannter Porzellanerde Filter herzustellen, welche keine Bakterien durchließen; diese Filter fanden in wissenschaftlichen Laboratorien sehr willkommene Aufnahme, im Haushalte bewährten sie sich jedoch nicht besonders, da sie verhältnißmäßig geringe Mengen Filtrats lieferten und sich sehr bald verstopften.

Figur 1.
Kieselguhr-Tropffilter.

Erst im vorigen Jahre trat ein Filter an die Oeffentlichkeit, das, wie vielfache Versuche erwiesen haben, allen hygieinischen und praktischen Anforderungen an ein gutes Hausfilter genügt. Dasselbe wurde von Dr. H. Nordtmeyer in Breslau und W. Berkefeld in Celle, Prov. Hannover, aus gebrannter Kieselguhrerde hergestellt. Die letztere, auch unter dem Namen „Infusorienerde“ bekannt, besteht aus Kieselpanzern winziger Pflanzen der Diatomeen, und ist außerordentlich porös. Die Poren der gebrannten Masse sind aber so eng und vielverschlungen, daß sie selbst die kleinsten Bakterien nicht durchlassen. Wasser, welches durch solche Masse durchsickert, ist vollständig keimfrei.

Die Filter werden in Form von hohlen, einseitig geschlossenen Cylindern gefertigt. Die Anwendung derselben erhellt am deutlichsten aus der oben stehenden Abbildung (Fig. 1) die ein Tropffilter für Haushaltungszwecke darstellt. Im Boden des oberen Glasgefäßes befindet sich ein Loch; durch dieses wird das Kopfstück des Filtercylinders durchgesteckt, dann im Innern mittels eines Gummiringes abgedichtet und von außen mit einer Schraubenmutter befestigt. Das obere Glasgefäß wird mit der zu filtrierenden Flüssigkeit gefüllt.

Figur 2.
Kieselguhrfilter an der
Wasserleitung.

Das Wasser dringt durch die Poren von der Außenwand in das Innere des Cylinders und tropft von diesem durch das im Kopfstück angebrachte Röhrchen ab. Der Inhalt der Kanne beträgt zweieinhalb Liter. Dieses einfachste Filter liefert im Tage reichlich das von einer Familie benöthigte Trinkwasser. Das Reinigen des Filtercylinders wird einfach dadurch erreicht, daß man seine Außenwand unter Wasser mit Leinwand oder Luffaschwamm abreibt.

Das Filter wird auch mit der Wasserleitung in Verbindung gebracht. In einem Metallbehälter wird es, wie dies unsre Abbildung (Fig. 2) zeigt, an die Wasserleitung angeschraubt; das Wasser dringt in die Hülse, filtriert durch den Cylinder, da es aber in der Wasserleitung unter einem höheren Drucke steht, so filtriert es rascher. Ein Apparat mit einem 26 cm langen Cylinder liefert beispielsweise bei zweieinhalb Atmosphären Wasserleitungsdruck zwei Liter Wasser in der Minute. Damit kann man in der Haushaltung durchaus zufrieden sein.

Für Haushaltungszwecke werden auch Filter mit Bürstenvorrichtungen geliefert, die man in einfachster Weise durch das Drehen einer Kurbel reinigen kann, ohne den Apparat auseinandernehmen zu müssen.

Das Kieselguhrfilter läßt keine Bakterien durch; aber diejenigen, die sich in den Poren desselben gefangen haben, könnten an sich unter günstigen Umständen in denselben sich vermehren und schließlich durch die Wand in das Innere des Cylinders hineinwachsen.

Soweit man bis jetzt feststellen konnte, bringen nur die unschädlichen Wasserbakterien dieses Kunststück fertig; die bösen Krankheitserreger aber finden im Wasser keinen günstigen Nährboden, obwohl sie in demselben sehr lange lebensfähig bleiben und die Typhusbacillen unter ihnen sich auch vermehren dürften. Es ist indessen bis jetzt nicht gelungen, krankheiterregende Bakterien dahin zu bringen, daß sie durch ein Kieselguhrfilter drangen. Immerhin muß diese Möglichkeit im Auge behalten werden, und man muß von Zeit zu Zeit die im Filter angesammelten Bakterien töten, das Filter sterilisieren. Zu diesem Zwecke werden die Cylinder in bakteriologischen Laboratorien jeden vierten Tag mit kaltem Wasser angesetzt und dreiviertel Stunden lang gekocht. Im Haushalt werden sicher viel längere Fristen durchaus genügen.

Auf dem Lande, wo es keine Wasserleitung giebt, kann man besondere Filter anwenden, die mit einem Pumpwerk versehen sind und in der Minute etwa drei Liter filtriertes, bakterienfreies Wasser liefern. Man muß diese Kieselguhrfilter, die unter dem Namen Berkefeld-Filter in die Welt eingeführt wurden, als einen wesentlichen Fortschritt in der Lösung der so überaus wichtigen Frage der Wasserversorgung begrüßen. Betonen möchten wir aber, daß die Fabrik die Bürgschaft geben müßte, daß sie nur fehlerfreie Ware auf den Markt bringe. *     


Zwischen zwei Feuern. (Zu dem Bilde S. 296 und 297.) Ein heiteres Bild auf tragischem Hintergrund! Der junge Kriegsheld zwischen den stickenden Schönen fühlt sich gewaltig – er gehört ja der großen Armee an, die der erste Napoleon nach Spanien warf, um das Königthum seines Bruders aufrecht zu erhalten, und hält, wie so viele seiner Waffenbrüder, bei den feindlichen Spaniern die Stille vor dem Sturme für die Ruhe friedlicher Unterwerfung. So hat er denn breitspurig Platz genommen in dem alterthümlich schattigen Hofraum, dem „Patio“, um den zwei hübschen Haustöchtern die Ehre seiner Unterhaltung zu erweisen, ohne zu bemerken, mit welch eisiger Kälte die Mutter im Lehnstuhl und ihr Freund, der alte Priester, seinen Gruß erwiderten. Das viele Nachdenken ist des jungen Kürassierhauptmanns Sache überhaupt nicht – er hat vielleicht gleich anderen Bauernsöhnen den Marschallsstab im Tornister, aber der „Merks“ in feineren Dingen ist ihm nicht mit den Epauletten angeflogen.

So dauert es denn auch eine geraume Zeit, bis er beginnt, stutzig zu werden über die spitzen Zünglein, welche mit den Nadeln um die Wette sticheln und seiner Soldateneitelkeit fühlbare Wunden beibringen, obwohl sie ganz harmlos bei der Perücke anfingen, die er aufgesetzt hat, um sich ein vornehmeres Aussehen zu geben. Argwöhnisch streicht er den Schnurrbart und schaut auf die blonde Angreiferin, die einstweilen mit bitteren Hohnreden plänkelt, bis – ja, bis in nächtlicher Stunde Vater und Bruder an der Spitze einer stürmischen Schar hier eindringen werden und es beim Fackelschein für die im Hause lagernden Franzosen schrecklich zu tagen beginnt. Sie sehnt diese Nacht herbei, die blonde Mercedes, sie ist Spanierin und fürchtet das Blut nicht. Aber sie haßt mit glühendem Herzen die Feinde ihres Vaterlandes! ...

Es lastet Schicksalsschwüle über dem anscheinend so friedlich stillen Patio. Die Empfindung dafür im Beschauer zu wecken, hat der Künstler vortrefflich verstanden. Bn.     


Tagesneuigkeiten. (Zu dem Bilde S. 317.) Ach ja, das Zeitungslesen ist eine schwere Sache! Wäre das Wetter draußen nicht gar so rauh und unfreundlich, Antje und Lentje würden gewiß lieber spazieren gegangen sein, als die stille Base Jochmussen zu besuchen, die außer: „Ei, da seid Ihr ja!“ und „Wie geht es Euch?“ so wenig zu reden weiß. Von einem warmen Thee, auf den die Mädchen im stillen gehofft, ist auch keine Spur zu entdecken, und so ergreift denn Antje, als die thatkräftigere von beiden, den letzten Rettungsanker, das daliegende Zeitungsblatt, und erbietet sich, die Tagesneuigkeiten vorzulesen. Es ist ihr in der Schule immer mit dem Lesen gut gegangen, sie macht sich also getrosten Muthes dran. Aber – wie mag das zugehen? sie kann nicht recht vorwärtskommen, die Worte sind so kurios, und wenn man sie dann glücklich zurecht buchstabiert hat, was ist’s für langweiliges Zeug!

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_322.jpg&oldid=- (Version vom 20.1.2022)