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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Neuigkeiten heißen sie das – schöne Neuigkeiten! Wieviele Schiffe angekommen und abgefahren sind, was sie auf dem Rathhaus verhandeln, wie theuer der Centner Korn verkauft wird auf der Pro–du–kten–bör–se. O, es ist schrecklich, so seinen Sonntag-Nachmittag zuzubringen!

Lentje indessen sieht theilnehmend nach der stillen Base hin, die regungslos mit gesenkten Augen im Stuhle sitzt. Die jungen Dinger können nicht wissen, daß sie heute den Todestag ihres armen Jan, der im Meere ertrunken ist, still begeht und lieber allein wäre mit ihren guten und schweren Erinnerungen. So üben sie sich gegenseitig in der Geduld, die ja eine holländische Nationaltugend ist, nicht minder als die wundervolle Reinlichkeit, die überall von Wänden und Geräthen blinkt.

... Die moderne Kunst wendet sich mit großer Vorliebe wieder dem „holländischen Genre“ zu und thut wohl daran, denn die frischen Mädchen und Frauen im kleidsamen Florhäubchen nehmen sich auf dem Hintergrund dieser ganzen häuslichen Traulichkeit immer wieder von neuem gut aus. B.     


Das Altern der Hand. Die Geschicklichkeit der Hand ist uns nicht angeboren; wir müssen die Handfertigkeit erst im Leben erlernen. Wann erreicht nun die Hand die höchste Stufe der Fertigkeit? Wie lange erhält sie sich auf derselben und wann beginnt sie zu altern? Das sind interessante und für diejenigen, die auf ihrer Hände Arbeit angewiesen sind, höchst wichtige Fragen. Berühmte Virtuosen und große Künstler bilden Ausnahmen; wie ihr Genie ein außergewöhnliches ist, so sind auch ihre Hände mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet. Von allgemeinerer Bedeutung ist die Prüfung der Handfertigkeit der Durchschnittsmenschen, namentlich der Fabrikarbeiter.

Der englische Arzt Sir James Crichton Browne hat im Laufe der Jahre darüber Beobachtungen in den Fabriken von Birmingham und Staffordshire angestellt. Er fand dabei, daß, wenn die Arbeiter etwa im siebzehnten oder achtzehnten Lebensjahre in die Fabrik eintreten, die Geschicklichkeit ihrer Hände durch Uebung nach und nach größer wird, bis sie die höchste Stufe der Vollkommenheit etwa im dreißigsten Lebensjahr erreicht. Die geschicktesten Knopfdreher machen z. B. um jene Zeit 6240 Elfenbeinknöpfe täglich. Diese höchste Leistungsfähigkeit behält die Hand, wenn der Arbeiter sonst gesund bleibt, etwa bis zum vierzigsten Lebensjahr. Bereits von diesem Zeitpunkt an tritt ein Nachlaß ein, und Browne erläutert diese Abnahme der Handfertigkeit durch folgende Zahlen. Bis zum vierzigsten Lebensjahr kann ein geschickter Arbeiter wöchentlich in der Knopffabrikation 45 Schilling verdienen, im fünfundvierzigsten Lebensjahr sinkt sein Verdienst bereits auf 38 Schilling und beträgt im fünfundsechzigsten Jahre nur noch 20 Schilling, vorausgesetzt, daß der Mann sonst ganz gesund bleibt. Dieses frühzeitige Altern der Hand wird vor allem in Fabriken beobachtet, in welchen die Hand einseitig beschäftigt wird. Wenn wir bedenken, daß beispielsweise ein Arbeiter in den Federmesserfabriken zu Sheffield täglich 28000 Hammerschläge ausführt, so ist es kein Wunder, wenn die Nervencentren, die für eine und dieselbe Handlung so oft in Anspruch genommen werden, schließlich erlahmen. In anderen Gewerben, welche den ganzen Körper gleichmäßiger in Anspruch nehmen, namentlich in der Landwirthschaft, altert die Hand nicht so rasch.

Nun ist die Erhaltung der Handfertigkeit für den Handarbeiter eine Lebensfrage, und er muß danach streben, das Altern seiner Hand soweit wie möglich hinauszuschieben. Dies kann nur durch harmonische Uebung und Beschäftigung aller Gliedmaßen erreicht werden, und da erkennen wir an diesem Beispiel, wie wichtig Turnübungen, Spiele im Freien auch für den Hand- und Fabrikarbeiter sind. Aber auch die Personen, die fleißig nähen, sticken, schreiben und zeichnen müssen, können aus diesen Betrachtungen Nutzen ziehen, um ein frühzeitiges Altern ihrer Ernährerin, der Hand, zu verhüten. *      


Selbst ist der Mann!
Nach einem Gemälde von Aug. Heyn.
Photographie im Verlage der Photographischen Union in München.


Bocks Buch vom gesunden und kranken Menschen ist nun seit nahezu vierzig Jahren im deutschen Hause heimisch. Unzähligen ist es ein treuer Rathgeber, ein werthvoller Führer zu gesundheitsgemäßer Lebensweise geworden, und sein Ruf ist weit verbreitet im deutschen Vaterland wie draußen in der Ferne, wo irgend Deutsche wohnen.

Es ist das Bestreben der Verlagshandlung, das Buch stets auf der Höhe der Wissenschaft zu erhalten, jeden Forachritt in der Erkenntniß des gesunden und des kranken Menschen auch in ihm zum Ausdruck zu bringen. Seit einer Reihe von Jahren ruht diese Aufgabe, da der ursprüngliche Verfasser Professor Dr. Karl Ernst Bock ja seit achtzehn Jahren tot ist, in den bewährten Händen des praktischen Arztes Dr. med. von Zimmermann in Leipzig, und er hat es auch unternommen, die eben erscheinende fünfzehnte Auflage auf den neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft zu setzen. Auch die Zahl der dem Werke beigegebenen Abbildungen ist bedeutend vermehrt worden. So ist denn dafür gesorgt, daß auch diese neue Auflage dem altberühmten Namen des Buches in jeder Richtung Ehre mache.


Ausrottung der Kreuzotter. Seit einigen Jahren haben in Deutschland verschiedene Regierungen und Gemeinden Prämien auf den Fang von Kreuzottern festgesetzt. Es hat sich dabei gezeigt, daß die Naturforscher, welche behaupteten, daß die Kreuzotter durchaus nicht so selten in Deutschland vorkommt, durchaus recht hatten. So wurden beispielsweise in einem verhältnißmäßig kleinen Bezirk, in der sächsischen Amtshauptmannschaft Grimma, im Jahre 1891 für eingelieferte Kreuzottern 671 Mark 50 Pfennig als Prämien ausgezahlt, und da die Prämie für einen Kreuzotterkopf 50 Pfennig beträgt, so ergiebt sich, daß in dieser Amtshauptmannschaft allein während eines Jahres 1343 dieser gefährlichen Reptile getötet wurden. Nach solchen Erfahrungen erscheint es wünschenswerth, daß Gemeinden, welche bis jetzt auf die Erlegung von Kreuzottern keine Prämien ausgesetzt haben, dies baldigst thun, wenn das Vorkommen der einzigen giftigen Schlange in Deutschland in ihrem Bezirke festgestellt ist.

Die Kreuzotter erwacht aus ihrem Winterschlaf selten vor Mitte März, immerhin aber früher als unsere unschädlichen Schlangen. Das Weibchen legt die Eier gewöhnlich erst in der zweiten Hälfte des August oder selbst im September. Die Zahl derselben beträgt fünf bis sechzehn. Es empfiehlt sich darum, die Ausrottung der Kreuzotter mit besonderem Nachdruck im Frühjahr und in der ersten Hälfte des Sommers zu betreiben. *      


Die Pocken in Frankreich und Deutschland. Ein Vergleich der Pockenstatistik in beiden Ländern spricht sehr zu Gunsten der Schutzpockenimpfung. Während in Deutschland bei einer um 7 Millionen größeren Bevölkerung in den letzten Jahren durchschnittlich nur 110 Menschen jährlich an den Pocken zu Grunde gingen, beträgt die jährliche Durchschnittszahl der Opfer der Pockenepidemien in Frankreich 14000, ungerechnet derjenigen, welche die Pocken entstellen oder siech machen.

„Sollte man es für möglich halten,“ ruft eine französische Fachzeitschrift aus, „daß hundert Jahre nach Jenners Entdeckung eiae Stadt von 10000 Einwohnern in zwei Jahren 844 Einwohner an den Pocken verloren hat?“ In Frankreich ist die Schutzpockenimpfung nicht gesetzlich vorgeschrieben. Daß auch in Deutschland noch in verschiedenen Kreisen ein tiefwurzelndes Vorurtheil gegen den Impfschutz besteht, erklärt sich freilich durch das Vorkommen vereinzelter Sterbefälle trotz des Impfzwanges auch bei uns. Solche einzelne Fälle sollten aber nicht blind machen gegen den unleugbaren allgemeinen Segen des Schutzverfahrens, sondern nur zur strengsten Handhabung aller Vorsichtsmaßregeln bei Beschaffung der Lymphe, namentlich auch, wo es sich um Kinder der armen Bevölkerung handelt, mahnen. J.      



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_323.jpg&oldid=- (Version vom 5.1.2022)