Seite:Die Gartenlaube (1892) 355.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

</math>vor. Die Hüllen sind von dem hohen Stangengerüst gefallen, und der Kaiser Franz Joseph schickt sich an, von dem Künstler Professor von Zumbusch und von einem Mitglied des Denkmalkomites, Nikolaus Dumba, geleitet, das Denkmal zu umwandeln und in allen seinen Einzelheiten genau zu studieren. Auf fünf Meter hohem Postament steht der mächtige eherne Reiter, eherne Ruhe, eherne Zuversicht spricht aus ihm. Leicht ist das Haupt nach vorn gesenkt, der Blick folgt der Bewegung des vorgestreckten rechten Armes – als wiese er eben einem Adjutanten die Stelle des Schlachtfeldes, an die er einen entscheidenden Befehl zu tragen habe. Die linke Hand führt Zügel und Marschallstab.

Pferd und Reiter erreichen zusammen eine Höhe von fünfeinhalb Metern. Zwei große Relieftafeln schmücken die Langseiten des Sockels. Wir sehen Radetzky auf der einen von seinen Soldaten umjubelt, im Kriegsrath auf der anderen. Die Rückseite des Postaments verkündet Namen, Geburts- und Todestag des Helden, vorn aber trägt es über mächtigem bronzenen Doppeladler die Worte, mit denen einst Grillparzer den Sieger von Novara begrüßte: „In Deinem Lager ist Oesterreich!“

Radetzky-Bilder. Es war ein guter Gedanke des Oesterreichischen Museums in Wien, der Enthüllaug des Radetzky-Denkmals eine Ausstellung von Radetzky-Bildern und -Briefen vorausgehen zu lassen, die uns den „Vater Radetzky“ in den weit auseinander liegenden Zeiten der Befreiungskriege und der lombardischen Feldzüge von 1848 und 1849 zumeist im Verkehr mit anderen Heerführern und mit seinen Soldaten zeigen. Wir sehen da unter anderem auf einer Photographie den greisen Helden im Halbschlummer; Radetzkys Kopf, im Profil mit großer Schärfe abgebildet, erinnert jedermann unwillkürlich an die Totenmaske Moltkes. Der siegreiche österreichische Heerführer war ja auch nicht bloß ein Tapferer unter den Tapferen, nicht bloß ein von seinen Soldaten vergötterter Befehlshaber, sondern auch ein Schlachtendenker, der im Ringen mit dem Konig von Sardinien seine diplomatische Kunst mit militärischem Scharfblick zu vereinigen wußte und schon zu Anfang dieses Jahrhunderts Kriegspläne Napoleons I. zu durchkreuzen verstanden hatte. Und in einem der uns vorgelegten Briefe, in welchem er den Dank des Heeres für die rasche Vollendung der Eisenbahn von Verona nach Vicenza ausdrückt, offenbart er ein frühes und vollständiges Verständniß des Werthes der Eisenbahnen für Kriegsunternehmungen in neuerer Zeit.

Die Kriegsbilder aus Oberitalien und Ungarn, welche mit den Namen der beiden Adam, Straßgschwandtners, Swobodas, Pettenkofens, Kriehubers gezeichnet und uns übrigens zumeist durch Wiedergaben in Steindruck bekannt sind, die Bildnisse der Kriegsmeister in Radetzkys Jugendjahren, des Erzherzogs Karl von Oesterreich, Lascys, Laudons, Hadicks, des Herzogs Josias von Coburg, dann die Bilder, die uns Radetzkys Paladine, vor allem Feldmarschall Heß in Thätigkeit zeigen, „Radetzky vor Mailand“, „Radetzky mit König Victor Emanuel nach der Schlacht von Novara“, die Bilder der Belagerung von Malghera und Venedig; Darstellungen, wie der „Ueberfall einer Feldpost im Walde“ und einzelner Heldenthaten von Soldaten: alles dies, erhöht durch den Reiz treuer Darstellung von alten Waffen, Trachten und Uniformen bei „Rothmänteln“, italienischen Freischärlern, ungarischen Landwehrleuten, sardinischen Truppen, giebt ein Gesammtbild des alten Oesterreich „an Siegen und an Ehren reich“, das auf die Nachgeborenen nicht weniger stark wirkt als auf die noch lebenden Radetzky-Veteranen.

Ochsenrennen in Tirol. (Zu dem Bilde S. 328 und 329.) In Europa wird das liebe Rindvieh für gewöhnlich nicht als Reitthier benutzt, obschon es hierzu nicht ohne alles Talent ist, wie ja die Verwendung besonderer Reitochsen in ausgedehnten Landstrichen Afrikas genügend beweist. Man wird auch nicht leicht beobachten können, daß dem Rinde auch nur eine Traglast aufgebürdet wird. Ausnahmsweise kann man aber doch in Gegenden mit blühender Rindviehzucht bei Gelegenheit von Viehmärkten sehen, daß dem Menschen in seinem Uebermuth selbst der bedächtige Ochse nicht zu heilig dünkt, um ihn zu sportlichem Zweck zu benutzen. So kommt’s in Nordtirol, im Ziller- und Innthal, wohl manchmal vor, daß ein halb Dutzend übermüthiger Aelpler, wenn sie etwa ein Glas Terlaner über den Durst getrunken haben, ein Ochsenrennen veranstalten, wobei es natürlich keinen Sattel und Zaum, keinen Starter und Buchmacher giebt, dafür aber desto lauter hergeht. Daß das Rind geritten wird, ist ja nicht seine Naturbestimmung, aber es erscheint den Aelplern als ein Zeichen von Lebenskraft und gesunder Natur, wenn es in die Wette springt. Ein Rind, welches das ganze Jahr hindurch im Stalle steht, wird das nicht können, wohl aber jenes kräftigere Thiergeschlecht, das den Sommer über auf grüner Bergweide sich umhertreiben durfte. Ein solches Ochsenrennen hat auch unser Künstler zum Gegenstand seines Gemäldes gemacht. Es stellt den Augenblick dar, wo das siegende Thier unter dem tosenden Gejohle der Menge und dem luftdurchschneidenden Juchzer seines Reiters über das Seil springt, welches das Ziel des Rennens bildet. H.     

Ein Eisenstrauch für Bismarck. (Mit Abbildung.) Unter den Gaben, welche am 1. April dieses Jahres den Geburtstagstisch des Fürsten Bismarck zu Friedrichsruh zierten, befand sich auch ein riesiger, fast meterhoher, prächtiger Strauß. Nicht aus gewachseneu Blumen war er gefertigt, alle seine zahlreichen Blätter und Blüthen bestanden aus dem feinsten Eisenblech, so fein wie Schreibpapier, denn der Durchmesser betrug nur 1/10 Millimeter. In dem Puddel- und Martinsstahlwerk Bismarckhütte bei Schwientochlowitz in Oberschlesien war es gewalzt, in der Fabrik von Christine Jauch in Breslau zu Blumen und Blättern, Ranken und Früchten umgeformt worden. Keine unrichtige Linie stört das Auge, völlig naturwahr sind die Eichen- und Lorbeerzweige, die Rosen, Nelken, Kornblumen, der Flieder und die Schneeglöckchen, und selbst das zarte Heidekraut mit seiaen winzigen Blüthchen und zierlichen Nadelblättchen ist von überraschender Echtheit. Das Eisen ist durch keinerlei Färbemittel verändert, sondern einfach in seiner natürlichen Metallfarbe gelassen, und trotzdem tritt die Naturwahrheit auf den ersten Blick hervor. So bildet das Ganze ein kunstgewerbliches Meisterwerk, das unserer deutschen Industrie alle Ehre macht.

Ein eiserner Geburtstagsstrauß.

Nicht Zufall hat die Wahl der Blumen bestimmt, aus denen der Strauß zusammengesetzt ist; er steckt voll sinnreicher Anspielungen. Das Heidekraut z. B. ist des Fürsten Bismarck Lieblingsblume wie die Gartennelke die der Fürstin; Rosen in allen Formen und Gestalten hegt der Garten von Friedrichsruh; die Kornblume zieht den alten Kaiser Wilhelm I. in den Kreis, Eichenlaub und Lorbeer verkündigen Kampfmuth und Ruhm, Oelzweig und Palmblatt den Frieden, den Bismarck als Kanzler so lange gehütet. Und so ließe die Symbolik sich verfolgen bis ins einzelne hinein. Der Eisenstrauß steht in einer von Trelenberg in Breslau ebenfalls aus Blechen der Bismarckhütte in getriebener Arbeit verfertigten Vase, deren Zierate von matten Stahlstreifen gebildet werden. Eia leuchtendes Silberschild am oberen Ringe trägt die Widmung, mit welcher der Stifter dieser Vase, Wilhelm Kollmann, der Leiter der Bismarckhütte, seine Gabe dem Fürsten überreichte, zugleich mit einem begeisterten Begleitgedichte Ernst Scherenbergs, das in Golddruck auf einer Eisentafel stand. Diese Eisentafel hatte eine Stärke von nur 1/30 Millimeter – die feinste Walzung des Eisens, die man bisher erreicht hat.

Desdemona. (Zu dem Bilde S. 345.) Eines der lieblichsten Frauenbilder Shakespeares ist des Mohren Othello Geliebte und Gattin Desdemona, von der uns Ph. H. Calderon ein stimmungsvolles Bild vorführt. Es ist die Scene im vierten Akte des Dramas „Othello“, in welcher Desdemona mit ihrer Kammerfrau Emilia, der Frau des heimtückischen Jago, plaudert, ehe sie zu Bett geht. Othello war zuletzt zwar milder gegen sie gewesen, aber doch erfüllt die Furcht vor seiner oft maßlosen Leidenschaftlichkeit ihr Herz. Nicht rasch genug kann die Kammerfrau sie „losstecken“, ihr Tagesgewand beiseite bringen. Da fällt ihr das Lied ein, das schwermüthige Lied von der Weide, welches das unglückliche Bärbchen gesungen hat –

 „Das Lied heut’ nacht
Kommt mir nicht aus dem Sinn, ich hab’ zu schaffen,
Daß ich nicht auch den Kopf so häng’ und singe
Wie’s arme Bärbel. Bitt’ dich, mach’ geschwind.“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_355.jpg&oldid=- (Version vom 5.4.2024)