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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

gegenüber, sondern plaudern mit ihnen in zwangloser Weise und erfahren dabei manches Wissenswerthe.

Um jedoch „Ungewißheiten“ zu vermeiden, erklärt der leitende Beamte mit lauter Stimme: „Wir sind Kriminalpolizisten! Alles hat sich zu legitimieren! Wer keine Legitimation hat, tritt bei Seite und folgt zur Wache!“ Sofort ziehen die Anwesenden ihre Papiere heraus, falls sie im Besitze solcher sind, und weisen sie vor, oft mit spöttischen oder witzigen Bemerkungen; der eine und andere von ihnen wird trotzdem visitiert; trifft man auf einen der gesuchten Verbrecher, so wird er selbstverständlich sogleich verhaftet und mit den Nichtlegitimierten nach der nächsten Revierwache geführt. Zu den größten Seltenheiten gehört es, daß bei diesen Razzias Widerstand geleistet wird; die Anwesenden wissen, daß das Lokal umstellt ist, daß ein Pfiff dreifache Hilfe herbeiruft und daß sie ihre Sache durch Widersetzlichkeit nur bedeutend verschlimmern.

Razzia in einem Verbrecherlokal.

Der gefundene Verbrecher wird mit dem nächsten „Grünen Wagen“ von der Revierwache nach dem Polizeiamt am Alexanderplatz gebracht und dort verhört. Dasselbe Schicksal trifft jene Legitimationslosen, die keine feste Arbeitsstelle nachweisen können und nicht polizeilich angemeldet sind; hierüber und ob ihre Aussagen der Wahrheit entsprechen, giebt der Telegraph binnen kurzem Auskunft. Kommt aus dem Revier, in welchem der Betreffende wohnen will, die Nachricht, daß er dort angemeldet ist und nichts gegen ihn vorliegt, so wird er sogleich entlassen, im entgegengesetzten Fall erhält er wegen Versäumens der polizeilichen Anmeldung beziehungsweise wegen Arbeitsscheu seine Strafe. Da die Kriminalbeamten nicht das Signalement aller gesuchten Verbrecher im Kopf behalten können, so liegt ein alphabetisch geordnetes, genau ins einzelne gehendes Verzeichniß derselben in jeder Polizeiwache auf, und man kann auf diese Weise leicht gleich dort ermitteln, ob sich unter den Verhafteten ein bestimmter Gesuchter befindet. Ist dies der Fall, so kann er der Freiheit auf längere Zeit Lebewohl sagen; alle Schlupfwinkel der Weltstadt helfen ihm nichts mehr, und bald nimmt ihn eine enge Zelle, zunächst die der Untersuchungshaft, dann die des Gefängnisses oder Zuchthauses auf.


Deutsche in Italien.

Reiseeindrücke von Oscar Justinus.

Fast zwei Jahrtausende sind verflossen, seit die ersten Nordländer, aus eigenem Antriebe oder von unzufriedenen Nachbarn gedrängt, die Alpenpässe überstiegen und beim Anblick der weiten herrlichen Thäler und des azurblauen Meeres entzückt in ihrem Vandalisch, Westgothisch oder sonst einer Mundart ausriefen: „Hier ist es schön. Hier wollen wir bleiben und uns Hütten bauen!“

Noch bis zum heutigen Tage findet eine fast ununterbrochene Strömung aus dem Norden und namentlich auch aus unserem Deutschland nach den lachenden Gefilden Italiens statt. Aber die Fremden kommen nicht mit Feuer und Schwert, um zu vernichten und dann doch, die Ueberlegenheit des unterdrückten Volkes anerkennend, in diesem aufzugehen. Die Besucher von heute bringen ihre eigene Kultur, ihre ausgesprochene Individualität mit und sie kommen zum größten Theil, um staunend die Wunder der Natur und Kunst zu genießen und bereichert mit unvergeßlichen Eindrücken heimzukehren.

Ich sagte: der größte Theil, nicht alle. Es giebt Tausende von Landsleuten, welche in Italien dauernd ihre Zelte aufgeschlagen haben. Unsere Aerzte, welche Lungenleidende nach dem Süden senden, schaffen das größte Kontingent dieser Deutsch-Italiener. Nachdem sie an der Riviera, in Neapel, Palermo Gesundheit gefunden, fühlen sie sich einerseits so dankbar gegen das Land, dessen mildes Klima ihnen das stark gefährdete Leben von neuem festigte, und haben andererseits ein solches Bangen davor, sich wieder dem Schnee und Unwetter ihrer Heimath auszusetzen, daß sie sich jenseit der Alpen in irgendwelcher Stellung dauernd niederlassen – gewöhnlich mit einer Landsmännin ein Haus gründend. Wir finden in allen Theilen Italiens Aerzte, Künstler, Archäologen, Schriftsteller, Buchhändler, Agenten deutscher Häuser, Vertreter von deutschen Blättern, Kaufleute, Kunstgärtner, Apotheker, Hotelbesitzer, Fabrikanten, Konsulatsbeamte, welche sich in der so gewonnenen neuen Heimath Namen und Vermögen erworben haben, in deren Familien weiter deutscher Geist und deutsche Bildung gepflegt wird und deren Haus, in der Regel der Zielpunkt von Empfehlungsbriefen, von den reisenden deutschen Landsleuten gerne, ja oft für den Betreffenden nur allzu ausgiebig aufgesucht wird. Außer diesen giebt es aber auch ein gut Theil Deutscher, welche freie Neigung und Wahl nach Italien führte, und endlich solche, bei denen neben der Liebe zum Lande auch die Liebe zu einer Tochter des Landes ein Wort mitgesprochen hat.

Im großen und ganzen kann man nicht sagen, daß die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_368.jpg&oldid=- (Version vom 7.4.2024)