Seite:Die Gartenlaube (1892) 419.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

„Schopen“, einer kurzen Jacke mit Aermeln. Eine lange schwarze Seidenschürze, breite, in die Zöpfe geflochtene Bänder und weiße Strümpfe nebst rothen Laschenschuhen vervollständigen ihre malerische Tracht.

In solchem festlichen Putze sehen wir eine Familie, einen noch jungen Mann, statt seiner kranken Frau sein altes Mütterlein am Arme, mit seinen beiden Kindern und seiner sittsam voranschreitenden Schwester zur Kirche wallen. Es ist noch ziemlich früh, denn noch sind außer ihnen nur wenige Kirchgänger sichtbar. Gleichwohl haben sich schon einige frische Burschen hart neben dem Eingang zum Kirchhof auf die Mauer gesetzt, um über die jungen Mädchen, die hier vorbei müssen, eine ehrsame und stille, aber äußerst vergnügliche Parade abzunehmen. Und sie haben heute Glück, die Drei! Da kommt ja gleich zu Anfang die schöne Monika, auf die im geheimen schon mancher ein Auge geworfen hat. Die reizende Blondine kennt ihre Leute wohl und weiß auch, weshalb sie dasitzen, aber sie blickt nicht auf, sondern geht mit züchtig niedergeschlagenen Augen an ihnen vorüber. Zwei der jungen Bursche schauen ihr nun mit offenbarer Bewunderung ins erröthende Antlitz. Der erste hat sogar die Pfeife aus dem Munde genommen und denkt wohl: „Dunder und ’s Wetter, ischt des Maidli sufer (sauber, hübsch)!“ Der zweite aber weiß, daß die Pfeife ihren Mann ziert, und schmaucht deshalb ruhig weiter. Auf seinem hübschen Gesicht kann man jedoch lesen, daß er bei sich beschließt: „Bi Gott, die g’fallt m’r – die muß mi Schate werde!“

Der dritte guckt nach der andern Seite, wahrscheinlich weil er meint. „Die will doch nix von mir!“ Vielleicht hat ihm die hübsche Hauensteinerin dies schon zu verstehen gegeben und er „trutzt“ deshalb und denkt: „Die b’sieh’ i nimmer mehr!“ Wer kann überhaupt wissen, was so ein junger „Hotze“ – diesen Uebernamen giebt man gewöhnlich scherzweise den Hauensteinern – alles denkt!

Vercingetorix. (Zu dem Bilde S. 397.) Die siegreichen Legionen Cäsars hatten Gallien unterworfen, doch noch einmal erhoben sich seine vereinigten Völkerschaften unter Führung des Arverners Vercingetorix gegen die römische Herrschaft. Cäsar eilte über die Alpen herbei, um den Aufstand zu Boden zu werfen. Die entscheidenden Kämpfe fanden im Jahre 52 v. Chr. bei Alesia statt, einer hochgelegenen Bergfeste, geschützt durch zwei Flüsse, welche den Fuß des Berges bespülen. Hierher war Vercingetorix von Cäsar zurückgedrängt worden und hatte sich dicht bei der Stadt mit 80000 Mann verschanzt. Cäsar folgte ihm mit 60000 Mann und schloß ihn durch Errichtung eines Bollwerkes von 11000 Fuß im Umfang ein, um ihn auszuhungern. Durch eine noch ausgedehntere Reihe von Befestigungen schützte er das eigene Heer gegen die gewaltige Uebermacht der gesammelten Truppen des ganzen übrigen Galliens, deren Zahl sich auf 257000 belief und welche heranrückten, um die Feste zu entsetzen. Als es Cäsar gelungen war, diese Streitmacht vollständig aufs Haupt zu schlagen, da blieb Vercingetorix keine Wahl, als sich und sein Heer dem römischen Feldherrn zu übergeben. Auf dem Bilde Mottes sehen wir den gallischen Führer auf seinem Rappen, in der Hand das Schwert, das er dem mächtigen Gegner im Hintergrund des waffenstarrenden Spaliers von Kriegern überreichen soll. In seiner ganzen Haltung ist es ausgedrückt, wie schwer es dem Tapferen fällt, sich dem Unvermeidlichen zu fügen. Zu beiden Seiten stehen die römischen Truppen aufmarschiert – man sieht die Feste in der Ferne, man sieht die Belagerungsthürme der Römer, aus denen die Wurfmaschinen und die Schleuderer Verderben in die Reihen der Feinde sandten, man sieht die Riesenpallisaden der Lagerbefestigungen. In der Geschichte des gallischen Kriegs ist dieser Augenblick, den der französische Maler herausgegriffen, der entscheidende – es ist das Bild einer ruhmvollen Niederlage.

Vercingetorix wurde gefangen nach Rom gebracht und sechs Jahre später, nachdem er in Cäsars Triumphzug mitaufgeführt worden, von diesem hingerichtet. Der gekrönte Biograph des Julius Cäsar, Napoleon III., glaubte indeß dem tapferen, wenn auch unglücklichen Führer der großen gallischen Volkserhebung ein ehrendes Denkmal setzen zu müssen.

Das alte Alesia ist von den Römern bei der Einnahme zerstört worden, die wiederaufgebaute Stadt 864 von den Normannen. Bei dem Flecken Alise in dem Departement Côte-d'Or finden sich Trümmer der alten Stadt, Ueberbleibsel von Brunnen, Wasserleitungen. Auf dem Mont-Auxois bei Alise nun ließ Napoleon III. eine 6,5 Meter hohe, aus Kupfer getriebene Kolossalstatue des Vercingetorix errichten, mit der Inschrift, die aus Cäsars Werk über den gallischen Krieg entnommen ist: „Das geeinigte Gallien, eine einzige Nation bildend, von demselben Geiste beseelt, kann der ganzen Welt Trotz bieten.“ †     

Kinderheilstätten. Es ist eine der schönsten Aufgaben der sorgenden Menschenliebe, Krankheit und Siechthum schon in den Kindern zu bekämpfen und den armen Kleinen, soweit es in menschlicher Macht steht, das hohe Gut einer gesunden kräftigen Jugend zu erobern. Die Noth des Lebens, ungesunde Wohnungsräume, Mangel an genügender Nahrung, oft auch erbliche Belastung legen so vielfach in dem empfindlichen Körper des Kindes den Keim zu schweren, langwierigen, ja lebenslänglichen Leiden, ohne daß es den mittellosen Eltern möglich wäre, die zur Heilung nöthigen Maßregeln selbst durchzuführen, für Aufenthalt in gesunder Luft, kräftigende Speisen und ärztliche Behandlung zu sorgen. Da treten denn die von den Spenden wohlthätiger Menschen unterstützten Kinderheilstätten in die Lücke und öffnen ihre Pforten für die armen hilflosen Wesen.

Schon früher, im Jahrgang 1888, Halbh. 16, konnten wir Mittheilungen über die Kinderpflegeanstalt in Norderney machen. Dieselben Ziele verfolgt die „christliche Kinderheilstätte“ in dem Soolbade Königsdorff-Jastrzemb in Oberschlesien. Auch dort finden skrophulöse, blutarme, rachitische und zurückgebliebene Kinder ohne Unterschied der Konfession billige, je nach Umständen sogar unentgeltliche Aufnahme, Pflege durch die Breslauer Bethanien-Schwestern und sachgemäße ärztliche Behandlung durch den ersten Badearzt, Dr. Karfunkel aus Breslau. Die Anstalt verfügt in einem von der Badeverwaltung ihr überlassnen Hause über ausreichende Räume, in welchen sie im vergangenen Jahre 53 Kinder während einer vier- bis sechswöchigen Kurzeit beherbergte und aus welchen sie eine große Anzahl geheilt entlassen konnte. Vielleicht sind diese Zeilen manchem von Werth, der für ein krankes Kind Sorge zu tragen hat: er wird von der Vorsteherin, Frau Helene Langer in Königsdorff-Jastrzemb, gewiß gern jede weitere Auskunft erhalten; vielleicht geben sie aber auch diesem oder jenem, der seiner Dankbarkeit für eines eigenen Kindes Genesung Ausdruck verleihen möchte, Veranlassung, das barmherzige Werk durch eine Gabe zu unterstützen.

Die „Wacht am Rhein“.
Bronzestatue für das Schneckenburger-
Denkmal in Tuttlingen von Adolf Jahn.

Ein Denkmal für Max Schneckenburger. (Mit Abbildungen.) Zu Thalheim bei Tuttlingen in Württemberg ruhen in einer würdigen Gruft die Gebeine des Dichters der „Wacht am Rhein“. Dorthin, an seinen Geburtsort, hat man sie in der Mitte der achtziger Jahre von Burgdorf in der Schweiz übergeführt, treu seiner „Letzten Bitte“, die er in den schönen Vers gekleidet:

„Wenn ich einmal sterben werde
Weit von meinem Vaterland,
Legt mich nicht in fremde Erde,
Bringt mich nach dem heim’schen Strand.
Meines Herzens Flamme lodert
Einzig Dir, Germania,
Drum, wenn einst mein Leib vermodert,
Sei mein Staub den Vätern nah!“

In Tuttlingen aber, der Oberamtsstadt von Thalheim, wird ihm am 19. Juni ein schönes Denkmal enthüllt, dessen hochragende Idealfigur der „Wacht am Rhein“ wir nebst dem am Sockel angebrachten Medaillonporträt des Dichters unseren Lesern in Abbildung vorführen.

Das Denkmal, ein Werk des Berliner Bildhauers Adolf Jahn, steht auf einem durch Verlegung der Donau gewonnenen großen freien Platz, den zur Zeit schon eine „Bismarck-“ und eine „Moltke-Eiche“ schmücken und der im Laufe der Jahre zu einer wirklich schönen Anlage größeren Stils werden wird. Auf einem dreieinhalb Meter hohen granitnen Sockel, dessen Vorderseite das treffliche Reliefbild des Dichters trägt, erhebt sich die Statue, drei Meter hoch, in Bronze gegossen.

Adolf Jahn ist am 17. Dezember 1858 zu Stettin geboren. Früh verwaist, wuchs er bei einem Oheim zu Berlin auf, wo er erst die Gewerbeschule, dann die Kunstakademie besuchte und mehrfach Preise sich erwarb. Anfangs der achtziger Jahre arbeitete Jahn zu Wien in den Ateliers mehrerer hervorragender Bildhauer und später ebenso in Berlin bei Kruse, Breuer und Kaffsack. Gewiß darf man von dem begabten Künstler noch manches schöne Werk erwarten.

Der deutsche Handwerkerverein in Konstantinopel. Vor drei Jahren (Jahrgang 1889, Halbheft 4) haben wir in der „Gartenlaube“ unseren deutschen Landsleuten in Konstantinopel einen Besuch abgestattet und uns berichten lassen von ihrem Leben und Treiben, ihrem Streben und Gedeihen. Wir erfuhren dabei, daß sich das Deutschthum Konstantinopels hauptsächlich in zwei Vereinen zusammenschließt, in der „Teutonia“ und in dem „Deutschen Handwerkerverein“, die sich beide einer gesunden Blüthe erfreuen und, jeder in seiner Art, zur Erhaltung und Förderung deutschen Wesens inmitten der fremdartigen orientalischen Welt zusammenwirken.

Von dem Handwerkerverein ist uns in neuester Zeit wieder ein Lebenszeichen zugekommen. Trotz mannigfacher widriger Verhältnisse – es ist ihm z. B. nicht weniger als dreimal all sein Hab und Gut verbrannt – hat er es heute soweit gebracht, daß er an die Errichtung eines eigenen Heims denken kann, wie es die „Teutonia“ bereits seit Jahren besitzt. Zu diesem Anstreben eines eigenen Hauses sieht sich der Verein nicht bloß durch ideale Gründe veranlaßt, ihn zwingen dazu auch die immer mehr steigenden Miethpreise und die Unsicherheit der Besitzverhältnisse.

So hat er denn ein Grundstück erworben, auch einen Baufonds gesammelt, aber der letztere genügt noch nicht für die Ausführung, und allein aus eigenen Kräften könnte der Verein erst in einer Reihe von Jahren zum Ziele gelangen. So wendet er sich denn an den hilfreichen Sinn der deutschen Handwerksgenossen, insbesondere der Handwerkervereine, mit der Bitte, ihm bei der Erreichung seines Zwecks durch Veranstaltung von Sammlungen, von Vorstellungen oder in irgend einer andern angemessenen Weise behilflich zu sein, und wir unsererseits unterstützen gerne eine Bitte, welche wie diese auf Förderung und Belebung

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_419.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2022)