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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

mit bescheideneren einförmigeren Reizen begnügen. Und doch fehlt es auch hier nicht an Stätten, die des Beschauens und Bewunderns werth sind. Menschenkunst und Menschengeschichte haben sie bedeutsam gemacht, und der gewaltige Strom verleiht auch ihrem Bilde immer einen Zug des Machtvollen und Großartigen. Da tauchen uber die endlose Ebene die Riesenthürme des Kölner Domes empor und bald begrüßen wir sie selbst, die volkreiche, geschäftige Stadt mit ihrer eindrucksvollen Silhouette. Am freundlichen Düsseldorf geht es vorüber, und jetzt stoßen wir auch auf das liebliche Bildchen, das unser Künstler festgehalten hat.

Kaiserswerth.

Es ist Kaiserswerth, die uralte Siedlung, deren Geschichte auf beinahe zwölfhundert Jahre zurückreicht. Einst lag dort eine Insel im Strome. Der heilige Suitbert kam ins Land, das Christenthum zu predigen, und um das Jahr 710 soll er auf der Insel ein Kloster gegründet haben, bei dem sich bald eine Stadt entwickelte. Eine kaiserliche Pfalz kam hinzu, der jene gewaltthätige Entführung des jungen Königs Heinrich IV. durch die Mannen des Erzbischofs Anno von Köln in den Maitagen des Jahres 1062 eine abenteuerliche Berühmtheit verliehen hat. Kaiser Rothbart errichtete später auf der Stelle des alten Palastes einen Neubau; aber auch er ist dem Sturme der Zeiten zum Opfer gefallen, kümmerliche Reste nur erinnern noch an den uralten Kaisersitz. Noch heute aber überragen ihn die Thürme der uralten Stiftskirche, eines schönen Bauwerks aus dem Ende des 12. Jahrhunderts, eines jener vorzüglichen Denkmale des romanischen Stils, deren es den Rhein entlang so viele giebt.

Kaiserswerth ist heute keine Insel mehr. Bei einer Belagerung durch den Grafen Adolf V. von Berg im Jahre 1214 wurde der Rheinarm, welcher die Stadt von dem Festland trennte, durch einen Damm abgeschnitten, und seitdem ist die „Insel des heiligen Suitbert“ trockenen Fußes zu erreichen.

Vor dem Revolutionstribunal. (Zu dem Bilde S. 440 u. 441.) Das Revolutionstribunal, einen der furchtbarsten Gerichtshöfe, von denen die Geschichte aller Zeiten Kunde giebt, sehen wir auf dem Bilde von Cain in voller Thätigkeit. Auf Robespierres Antrag war dieses Tribunal am 11. März 1793 eingesetzt worden, doch erst nach dem Sturze der Gironde im September 1793 erhielt es seinen Namen und seine vollständige Einrichtung. Es galt die schnellste Justiz, denn ihre Opfer waren ja unzählig; deshalb gab es keine Vertheidigung, kein Zeugenverhör – der Ankläger sprach und die Richter fällten das Urtheil. Nachdem das Gesetz über die Verdächtigen erlassen worden war, das an die schlimmsten Zeiten der römischen Kaiserwirthschaft erinnerte, gab es für die Verhaftungen und Anklagen keine Schranken mehr, denn wer war den Schreckensmännern nicht verdächtig? Dazu genügte vornehme Herkunft, eine bedenkliche Miene, ein unbedachtes Wort – und der Privatrache war der weiteste Spielraum gelassen. Bis zu Robespierres Sturz am 27. Juli 1794 soll das Tribunal 2774 Personen unter die Guillotine geliefert haben – und auch dann noch hörte seine Thätigkeit nicht auf. Erst am 23. Mai 1795 wurde es durch eine Militärkommission ersetzt, welche meistens über soldatische Verbrechen abzuurtheilen hatte.

Das Bild von Cain versetzt uns mitten in eine Sitzung des Tribunals. Am meisten wird unser Blick durch die Gruppe der Angeklagten gefesselt, hinter welcher, auf ihre Gewehre gestützt, die Soldatenwache steht. Und aus jener Gruppe selbst trat besonders die junge schöne Aristokratin hervor, die mit stolzer und fester Haltung den Richtern Rede steht. Aus der erregten Zuschauermenge heraus ballt man die Fäuste gegen sie. Daß es sich aber nicht um Besiegte im Kampfe der sich gegenseitig zerfleischenden und aufs Schaffot schickenden Republikaner handelt, das beweist vor allem der auf dem ersten Stuhle sitzende Angeklagte, offenbar ein Marquis aus der Zeit der alten Regierung, der nach Kleidung und Haltung noch dem Hofe der Marie Antoinette anzugehören scheint. Die dritte in der Gruppe ist gewiß die Mutter oder eine ältere Verwandte des schönen jungen Mädchens. Das Alter schützte nicht vor dem Beile der Guillotine: einmal wurde sogar ein 97jähriger Greis hingerichtet. Den Angeklagten steht der öffentliche Ankläger gegenüber, der mit fanatischer Beredsamkeit seines Amtes waltet. Es ist das jedenfalls Fouquier-Tinville; denn solange das Revolutionstribunal in Thätigkeit blieb, hat dieser grausame Schreckensmann die Befehle der Ausschüsse ausgeführt und Tausende der Guillotine uberliefert. Juristischen Scharfsinns bedurfte dieser Ankläger nicht, es genügte die Frakturschrift, mit der sein blutdürstiger Sinn seine Opfer zeichnete. Doch er entging seinem Schicksal nicht: zehn Monate nach Robespierres Tode wurde auch er hingerichtet. Mit düsterem Fanatismus blicken die Richter auf ihre Opfer hin, von deren Schuld sie von Hause aus überzeugt sind, nur über das Benehmen derselben flüstern sie sich Bemerkungen zu. Ueber dem ganzen Bilde schwebt der dumpfe Druck jener Schreckenszeit, welche den ersten schönen Aufschwung der Revolution in Blut und Greueln erstickte. †      

Der letzte Kriegszug des Hauptmanns von Gravenreuth. (Mit Abbildung S. 445.) In dem weiten, wohlgepflegten Parke, welcher das Gouvernementsgebäude von Kamerun umgiebt und der sich auf der steil zum Kamerunfluß abfallenden Josplatte ausbreitet, ward ein junger Held zur ewigen Ruhe eingebettet, dessen Name für immer mit der Afrikaforschung und Afrikakolonisation eng verknüpft sein wird. Es ist Hauptmann Freiherr von Gravenreuth, der am 4. November vorigen Jahres so jäh aus seiner vielversprechenden Laufbahn herausgerissen ward.

Karl Freiherr von Gravenreuth war am 12. Dezember 1858 als Sohn eines hohen bayerischen Beamten geboren. Am 30. Juni 1877 trat er in das 3. bayerische Infanterieregiment ein, wurde auch am 7. Mai 1879 zum Sekondelieutenant in demselben Regiment befördert, ließ sich aber im Februar 1885 zu den Offizieren der Reserve versetzen, um sich einer Expedition nach dem Innern Afrikas anzuschließen. Er trat zunächst in den Dienst der Ostafrikanischen Gesellschaft, dann zu Beginn des Jahres 1889 in den des Reichskommissars und wurde gleichzeitig zum Premierlieutenant befördert. Nachdem er eine Zeitlang die Vertretung des Reichskommissars in Berlin geführt hatte, begab er sich wieder nach Ostafrika zurück, wo er an der Niederwerfung des Araberaufstandes wesentlichen Antheil nahm, z. B. bei der Erstürmung des Lagers von Buschiri bei Bagamoyo am 8. Mai, sowie bei der Einnahme von Saadani am 6. Juni 1889. Und noch oft fand er in diesem und dem folgenden Jahre Gelegenheit, sich auszuueichnen, so lieferte er im Oktober während des Zuges des Majors Wißmann nach Mpwapwa den Mafiti das Gefecht bei Jombo, das als seine glänzendste Waffenthat bezeichnet wird. Aber auch außerdem hat Gravenreuth in Hunderten von Fällen sein Leben mit einer Waghalsigkeit eingesetzt, die ihm bei der Küstenbevölkerung den Namen „simba mrima“ (der Löwe der Küste) verschaffte. Es lebte in ihm etwas von der Berserkerwuth der alten Germanen; er war, was man einen „Draufgänger“ nennt, dabei von großer körperlicher Leistungsfähigkeit und unermüdlich.

Im April 1890 aber sah doch auch er nach so vielen Strapazen sich genöthigt, einen längeren Urlaub anzutreten. Ueber ein Jahr blieb er in Europa, mannigfach ausgezeichnet, unter anderem auch durch die Beförderung zum Hauptmann, welche ihm im September 1890 zutheil wurde. Dann aber, nachdem er einige Zeit im Auswärtigen Amte gearbeitet hatte, wurde er mit der Leitung einer Forschungsexpedition im Hinterland von Kamerun betraut und reiste am 5. Juli 1891 an seinen Bestimmungsort ab.

Im Monat Oktober unternahm er mit den in Kamerun angeworbenen Leuten, unterstützt durch die Marine, einen Zug gegen den unweit des kaiserlichen Gouvernements ansässigen Abostamm, um diesen für seine

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 451. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_451.jpg&oldid=- (Version vom 7.4.2024)