Seite:Die Gartenlaube (1892) 532.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

blieb der geschäftliche Gewinn aus. Die Konkurrenzdruckereien hatten die Preise herabgedrückt, und so arbeitete Senefelder unter Sorgen und Anstrengungen, ohne vorwärts zu kommen. „Es schien —“ sagt er selbst — „daß ich bloß deshalb Tag und Nacht gearbeitet hatte, um anderen den Vortheil meiner mühseligen Arbeiten überlassen zu müssen, indeß ich selbst nur das Leben durchbrachte.“ Ja, eine Zeitlang dachte er sogar daran, bei einem seiner früheren Lehrlinge als Gehilfe in Arbeit zu treten. So weit kam es nun allerdings nicht, denn ein glücklicher Zufall brachte plötzlich eine andere Wendung in sein Geschick.

Der Geometer Schiegg, unter dessen Aufsicht die Karten und Pläne in der Regierungsdruckerei hergestellt wurden, hatte den Direktor der Vermessungskommission, Geh. Rath Utzschneider, auf die Verwendbarkeit des Erfinders aufmerksam gemacht, und dies führte zu Verhandlungen, deren Ergebniß Senefelders sowie Gleißners Anstellung in der Regierungsdruckerei war. Senefelder wurde 1809 mit dem Titel eines königlichen Inspektors mit 1500, Gleißner mit 1000 Gulden Gehalt angestellt. Ersterer gab die von Aretin eingerichtete Druckerei auf und widmete seine fernere, nun von Sorgen befreite Lebenszeit ganz der Weiterausbildung seiner geliebten Steindruckerei. Zunächst ging er an die Ausführung seines Lieblingsplanes, an die Herausgabe eines großen, mit vielen Vorlagen ausgestatteten Lehrbuches, das im Jahre 1818 erschien; daneben beschäftigte er sich mit der Erfindung eines Farbendruckes zur Vervielfältigung von Oelbildern und war bis an sein Ende mit neuen Versuchen beschäftigt. Mit selbstloser Freude sah er die schnelle Ausbreitung der Steindruckerkunst in allen Kulturländern, und obgleich ihm seine Erfindung keine pekuniären Erfolge gebracht hatte, so war er doch weit entfernt, sich darüber in unfruchtbaren Klagen zu ergehen. Nur das schmerzte ihn tief, daß in Zeitungen und Büchern sein reines Streben verkannt, daß ihm Eigennutz und andere unedle Triebfedern untergeschoben wurden, ja, daß man ihm sogar seine Erfindung böswillig abstritt. Man warf ihm vor, er habe nur das Rohe des Steindrucks erfunden, es nicht weiter als bis zum Notendruck gebracht, er habe aus Eigennutz das Geheimniß der Erfindung verborgen gehalten und was dergleichen vom Neide eingegebene Gehässigkeiten mehr waren.

Wahrhaft mitleiderregend war das Ende des Gleißnerschen Ehepaares, das mit Senefelder so treulich Leid und Freude getheilt hatte. Gleißner verfiel in eine unheilbare Gehirnkrankheit und starb im Jahre 1824, seine Frau in einer gänzlich hilflosen Lage zurücklassend. Muthig und entschlossen, wie sie stets gewesen, suchte sie sich wohl mit Hilfe einer kleinen Druckerei zu ernähren, allein sie erlag der wachsenden Konkurrenz. Senefelder that, was in seinen Kräften stand, um die Lage der armen alten Frau zu bessern, und rief selbst die Großmuth des Königs an — mit welchem Ergebniß, ist leider unbekannt geblieben.

Senefelder wurde 1827 in den Ruhestand versetzt und lebte von da an noch bis zum 24. Februar 1834. Es war ihm nicht vergönnt, aus seiner großen Erfindung auch nur so viel zu ziehen, als nöthig war, um seine Hinterbliebenen vor der Noth zu bewahren. Schon zwölf Jahre nach seinem Tode, in den Jahren 1846 und 1847, wurden in Zeitungen Aufrufe zur Unterstützung seiner bedrängten Familie erlassen, leider mit geringem Erfolg. Ebenso ward im Jahre 1872 eine weitere Sammlung veranstaltet, hauptsächlich zur Unterstützung einer Nichte Senefelders, welche erblindet war, in bitterer Noth ihr Bett verkaufen mußte und krank auf armseligem Strohlager dahinsiechte. Die Sammlung ergab 55 Thaler 12½ Silbergroschen!!!


Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.

Goliath und David unter den Antilopen.

Eine naturgeschichtliche Studie von Dr. L. Heck, Direktor des Zoologischen Gartens in Berlin.
Mit einer Zeichung von G. Mützel.


Unter diesem Titel vereinigen sich zwei meiner Pfleglinge, die vermöge ihrer eigenartigen Schönheit und zutraulichen Liebenswürdigkeit zu meinen Lieblingen gehören, seit ich sie unter meiner Obhut habe. Es sind der Wasserbock (Antilope unctuosa Laur.) und das Buschböckchen (Antilope pygmaea Pall.).

Obwohl beides Antilopen, sind sie doch so verschieden, wie innerhalb eines gewissen Rahmens zwei Thiere nur sein können, und sie führen uns dadurch recht handgreiflich vor Augen, wie die im Kampfe ums Dasein nothwendige Anpassung an verschiedene Lebensverhältnisse das Aeußere eines in seinen wesentlichen inneren Verrichtungen völlig gleichen Organismus verändert. Wie sie sich uns jetzt darstellen, sind nun allerdings auch beide Antilopenformen für das Leben an den ihnen eigenthümlichen Aufenthaltsorten ganz vortrefflich ausgerüstet, während die eine am Platze der anderen ganz unmöglich wäre.

Der Wasserbock durchbricht mit wuchtigem Sprunge aeines mächtigen Körpers leicht die dichten Schilfwaldungen der süd- und innerafrikanischen Flußufer; durch sein langes dichtes, von Fett glänzendes Haarkleid geschützt, bewegt er sich stundenlang äsend auf den überwachsenen Untiefen und teichartigen Ausbuchtungen derselben, und vor dem verfolgenden Leoparden – wie auf unserer Zeichnung von Mützel – vor dem Löwen oder Menschen stürzt er sich ohne weiteres in das tiefe Wasser des breitesten Stromes, um sich schwimmend zu retten.

Das Buschböckchen andererseits ist durch seinen überaus zier lichen Körperbau, seine für eill Hnftier fast ungtanhliche Kleinheit in stand gesetzt, mit mausartiger Behendigkeit durch die unentwirrbaren Dickichte des afrikanischen „Busches“ zu schlüpfen; es pflegt hier behaglich der sicheren Ruhe an Orten, wohin von außen weder der Sprung eines Raubthieres, noch der Stoß eines Raubvogels, noch endlich das Auge und die Kugel eines Jägers zu dringen vermögen, oder es schleicht durch das hohe Gras der Lichtungen von einem „Busch“ zum andern auf bleistiftdünnen Beinchen so sachte dahin, daß nicht einmal ein Zittern der Halme dem Verfolger seine Spur verräth.

Wenn wir nun zwei so unter einander verschiedene Thiergestalten unter dem Namen „Antilope“ vereinigt finden, so liegt die Frage sehr nahe, was sie denn eigentlich Gemeinsames besitzen. Darauf giebt uns die wissenschaftliche Betrachtung folgende Antwort: Sie sind zunächst Hufthiere und zwar Zweihufer oder, wie man aus triftigen Gründen sich jetzt ausdrückt: Paarzeher (Säugethierordnung der Artiodactyla); ferner sind sie Wiederkäuer (Unterordnung der Ruminantia) und schließlich tragen sie Hohlhörner, d. h. hornige Scheiden um zwei Knochenzapfen, die dem Stirnbein aufsitzen und niemals abgeworfen werden (Familie der Cavicornia). Aber alle diese Charaktere kommen auch Rindern, Schafen und Ziegen zu; warum sind nun Wasserbock und Buschböckchen Antilopen? Was versteht man überhaupt unter einer Antilope?

Durch diese Frage bringen wir die Zoologie einigermaßen in Verlegenheit. Sie muß, wenn auch verblümt, eingestehen, daß sie eine scharfe Bestimmung des Begriffes nicht zu geben weiß, und auch die Paläontologie, die ihr sonst mitunter aus der Noth hilft, indem sie aus vergangenen Perioden der Erdgeschichte Zwischenglieder zu Tage fördert, giebt in diesem Falle so gut wie gar keine nähere Auskunft; denn Reste von Antilopen früherer Erdperioden sind bis jetzt nur sehr sparsam und aus den jüngsten Schichten bekannt geworden. So ist man denn in der Bestimmung der Unterfamilie der Antilopen nicht über den Standpunkt des alten russischen Zoologen und Sibirienreisenden Pallas hinausgekommen, welcher ebenso treffend als ehrlich sagte: „Die Naturforscher haben diejenigen mit Hohlhörnern versehenen Wiederkäuer Antilopen genannt, welche sich weder mit den Ochsen, noch mit den Ziegen, noch mit den Schafen in ungezwungener Weise zusammenbringen lassen.“

Daß bei einer so verschiedenartig zusammengewürfelten Sammelgruppe die innere Gliederung, die Aufstellung von Gattungen ebenso großen Schwierigkeiten begegnet wie die Abgrenzung nach außen, ist von vornherein wahrscheinlich; und in der That treten denn auch bei den Antilopen alle diejenigen Merkmale, die zur Zusammenfassung je einer Anzahl Arten zu einer Gattung dienen könnten, ohne jeden Zusammenhang so bunt durch- und nebeneinander auf, daß eine eigentlich systematische Gliederung, eine Eintheilung nach einem und demselben durchgehenden

Prinzip ganz unmöglich ist und man froh sein muß,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 532. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_532.jpg&oldid=- (Version vom 8.4.2024)