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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Halbheft 18.   1892.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Jahrgang 1892. Erscheint in Halbheften à 25 Pf. alle 12–14 Tage, in Heften à 50 Pf. alle 3–4 Wochen vom 1. Januar bis 31. Dezember.



Ketten.

Roman von Anton v. Perfall.
(3. Fortsetzung.)


6.

Otto Berry hatte sein heißersehntes Ziel erreicht, er stak glücklich in der schmucken Uniform eines Kavalleristen. Seine Eitelkeit überwand die für seinen verzärtelten Körper großen Anstrengungen des Dienstes, sie half ihm auch über die schmerzliche Wahrnehmung hinweg, daß durchaus nicht, wie er gehofft, ein müheloses Genußleben für ihn begonnen hatte. An Stelle des Schlenderns in kleidsamer Uniform, des Säbelklapperns und Kaffeehaussitzens, wovon er geträumt, galt es zunächst, einer eisernen Disciplin, hohen Anforderungen an körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sich zu unterwerfen, und manchmal dachte er wohl reuevoll daran, daß dagegen ein Leben im Comptoir an der Seite des nachsichtigen Vaters die reinste Spielerei gewesen wäre. Aber in einem Punkte hatte er sich doch nicht getäuscht, und das versöhnte ihn mit allem anderen: in der gesellschaftlichen Bevorzugung seines neuen Standes. Der Offizierssäbel war das Symbol einer überlegenen Kaste; die höchste Arbeitskraft, ergraute Weisheit, Charakter und Talent, alles stellte der schmale Stahl in Schatten. Was Wunder, daß Otto in seinem aufs Aeußerliche gerichteten Sinn es kaum erwarten konnte, bis auch ihm das ersehnte Reich sich öffnete. Einstweilen mußte er sich wohl oder übel mit der bescheidenen Rolle begnügen, die ihm seine kürzlich erfolgte Ernennung zum Fähnrich gestattete.

Es hatte einer sehr nachdrücklichen Aufforderung des Papas bedurft, um ihn in dieser Stimmung zu veranlassen, bei dem Mahle, das den Fabrikbeamten gegeben wurde, zu erscheinen, und er hatte seine Zusage an die Bedingung geknüpft, einige Kameraden mitbringen zu dürfen. Abgesehen von der Mama, welche er durch diesen vornehmen Zuwachs – es waren Träger hochadliger Namen – geradezu zu Dank verpflichtete, hoffte er auch, dem Vater zu imponieren und ihn versöhnlicher zu stimmen. –

Hans machte zu dem Essen sorgfältig Toilette; er fühlte, daß von diesem ersten Auftreten als selbständiger Mann seine Zukunft abhängig sein könne. Frau Berry schrieb gewiß ihrer Tochter über den Abend nach Paris – wenn es dann hieß, er habe sich schlecht ausgenommen in der vornehmen Gesellschaft! Die Röthe stieg ihm ins Gesicht bei dem bloßen Gedanken. Er war nicht eitel, schon die strenge Arbeit ließ ihn nicht dazu kommen, aber heute betrachtete er sich zum ersten Male

Theodor Billroth.
Nach einer Lithographie von Jos. Bauer im Verlag von V. A. Heck in Wien.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 549. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_549.jpg&oldid=- (Version vom 10.8.2022)