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verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Das Marmorpalais bei Potsdam. (Mit Abbildung.) Man muß zugestehen, daß Natur und Kunst in Potsdam etwas geschaffen haben, was nach mancher Richtung hin seinesgleichen sucht. Prächtige Gärten und Schlösser, Springbrunnen und Terrassen, Alleen und beschnittene Hecken, heimliche, mit Statuen geschmückte Laubgänge und freie herrliche Blicke über See und Wald! Friedrich der Große war es, der hier eine eigene Welt zu bauen begann, und die späteren Könige haben sein Werk fortgesetzt. Aus der Fülle des Schönen in Potsdam führen wir heute unseren Lesern das Marmorpalais vor Augen. Durchwandert man die villenbesetzte Umgebung der Stadt in nördlicher Richtung, so gelangt man durch hübsche Gartenanlagen zu dem Palais, das, zwischen Bäumen versteckt, den Blicken fast entgeht. Ein schöner stiller Fleck, dieses Schloß am Ufer des Heiligen Sees!

Friedrich Wilhelm II. legte den Grundstein, Friedrich Wilhelm IV. vollendete den Bau, der, weitläufig hingestreckt, mit s[ei]ner kuppelgezierten zweistöckigen Mittelfront und den zwei einstöckigen Arkadenflügeln mehr gefällig als imposant wirkt. Im Sommer blühen im Schloßhof Orangenbäume, und ihr Grün hebt sich reizvoll ab gegen den mächtigen, dort aufgestellten Prometheus von E. Wolff. Man glaubt sich in eine kleine Zauberwelt versetzt, wenn man hier einsam umherwandelt und der Duft der Blumen aus den Gärten herüberbringt. Kein Wunder, daß dieser Ort einen Lieblingsaufenthalt der Kaiserin bildet. Hier gab sie auch dem Kronprinzen, den Prinzen Eitelfritz, Adalbert und Oskar das Leben, und im nördlichen Arkadenflügel haben ihre Söhne die ersten Sommer zugebracht. Mit seinen herrlichen Fernblicken über den Park und die Fluthen des Heiligen Sees bis hin zu den malerischen Ufern des Jungfernsees ist dieses Schloß ein glückliches Idyll, fern dem lauten Treiben des Alltags. – g.     

Das Marmorpalais bei Potsdam.
Nach einer Zeichnung von Otto Strützel.

Die Droschkenparade am Berliner Polizeipräsidium. (Zu dem Bilde S. 565.) Wie in anderen Städten, so ist es auch in Berlin Gesetz, daß die öffentlichen Miethwagen, die Droschken, sich von Zeit zu Zeit vor der hohen Polizei zu zeigen und sammt ihrem Besitzer und ihrer Bespannung auf ihre vorschriftsmäßige Beschaffenheit prüfen zu lassen haben. Da entwickelt sich dann vor dem neuen Polizeipalast am Alexanderplatz, in der Straße „An der Stadtbahn“, ein eigenartiges Getriebe. In langer Reihe sind die Droschken erster und zweiter „Güte“ entlang den Bogen der Stadtbahn aufgefahren, Stück für Stück nimmt der untersuchende Polizeioffizier vor und vertieft sich eingehend in die Verhältnisse von Wagen, Pferd und Kutscher. Die Polster des Inneren, die Achsen und Räder, Nummer, Konzession, Futter- und Kräftestand der edlen Rosse, alles bildet einen Gegenstand behördlicher Kontrolle, und erst wenn alles in Ordnung befunden wurde, erhält der Wagen seinen Jahresstempel und ist damit für würdig erklärt, wieder auf ein Jahr die staunenden Fremden von einem Wunder der Reichshauptstadt zum anderen zu tragen – und eine solche Ehre darf wohl mit einiger Schererei bezahlt werden!

Siegfried und Mime. (Zu dem Bilde S. 553.) Da steht er vor uns, der edle jugendliche Held, Siegfried der Drachentöter, in der Hand das siegreiche Schwert; hinter ihm liegt Fafner, der Drache, erschlagen, der Wächter des Nibelungenhortes mit dem gewaltigen Schweife, dem schuppigen Rücken, dem Rachen, der jetzt nicht mehr drohend die Zähne weist. Wie er auch voll Wuth sich aufgebäumt – er widerstand nicht dem Heldenmuth des Jünglings und seinem Schwerte. Wotan selbst hatte dieses Schwert in einer Esche Stamm gestoßen. Dem sollt’ es zu eigen gehören, der es aus dem Stamme herauszöge. Doch keiner der stärksten Helden vermochte dies; nur dem kühnen Siegmund, Siegfrieds Vater, gelang’s – und er führte tapfer das Schwert im Streite, bis es an Wotans Speer zersprang. Die beiden Stücke aber schweißte Siegfried zusammen, während sein Pflegevater, der Zwerg und Waffenschmied Mime, sich vergeblich damit bemüht hatte.

Jetzt, nach Siegfrieds Triumph, gelüstet’s den Zwerg, des Sieges Preis für sich zu erbeuten, den Nibelungenring und -hort sich zu erobern. Er hat einen Trank gebraut, der die Sinne des Jünglings in Nacht und Nebel versenken, ihn betäuben und bewußtlos machen soll: dann will Mime ihm das Haupt abschlagen, damit er vor seiner Rache sicher sei, wenn er die Beute für sich gewonnen. Mit widerlicher Zudringlichkeit reicht er dem Helden das Trinkhorn, in das er vorher aus einem Gefäß das verderbliche Gebräu gegossen. Siegfried aber hat bereits das Schwert gefaßt und in einer Anwandlung von heftigem Ekel streckt er Mime damit zu Boden. †      

Leben in Hitze und Frost. Der menschliche Organismus ist befähigt, hohe Kälte- und Wärmegrade zu ertragen. Das beweisen einerseits die in Polarländern lebenden Völker und die Nomaden der Wüste, andererseits die vielen europäischen Reisenden, welche, das gemäßigte Klima verlassend, Polarländer und Wüsten bereist haben, ohne an ihrer Gesundheit Schaden zu nehmen. Aber diese Widerstandsfähigkeit hat ihre Grenzen. Wird das Blut und werden die inneren Organe des Körpers bis zu einem gewissem Grade abgekühlt und überhitzt, so tritt der Tod ein. Im allgemeinen gilt die Regel, daß das Leben erlischt, wenn die Bluttemperatur des Menschen auf +25° C. herabgedrückt ist; nur in Ausnahmefällen haben sich Menschen erholt, deren Temperatur noch tiefer heruntergegangen war. Jedenfalls muß die Abkühlung des Blutes auf +20° C. als die äußerste Grenze angesehen werden.

Was nun eine übermäßige Erwärmung anbelangt, so gerinnt das Blut schon bei einer Eigenwärme von 42,6° C., während die Muskeln bei +49° C. durch Gerinnung absterben. Die richtige Temperatur des Menschen beträgt etwa +37° C., und um sie möglichst auf dieser Höhe zu erhalten, ist der Körper mit einer Reihe von Schutzmitteln ausgestattet, durch welche die Einwirkungen der Kälte und Hitze von außen gemäßigt werden. Ein Schutzmittel gegen übermäßige Wärme ist beispielsweise die Hautausdünstung und Schweißbildung. Sie erklärt uns, daß der Mensch in römischen oder irischen Bädern in dem sogenannten Tepidarium eine Hitze von +50° C. und im Caldarium eine solche von +60° C. aushalten, daß er sich wie Berger und de la Roche für einige Minuten einer trockenen Wärme von +80 bis 87° C., ja wie Bladgen und Fordyce einer solchen von über +100° C. aussetzen kann. Die Verdunstung, die an der Körperoberfläche stattfindet, verhindert eine Zeit lang die Durchwärmung des Körpers. Wäre die Luft mit Dampf gesättigt, so würde sie die Haut augenblicklich verbrühen. Darum ist uns auch Luft so lästig, die zugleich heiß und feucht, also mit Dampf geschwängert ist, und es steht fest, daß Thiere, welche der Einwirkung einer feuchten, nur bis +40° C. erwärmten Luft ausgesetzt werden, binnen wenigen Stunden absterben.

Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschungen auf diesem Gebiete wurden neuerdings in klarer Weise von Prof. Hermann von Meyer für weitere Kreise zusammengestellt. Die Abhandlung ist erschienen unter dem Titel „Die thierische Eigenwärme und deren Erhaltung“ in der „Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge“ (Hamburger Verlagsanstalt), welche von R. Virchow und W. Wattenbach herausgegeben werden.

In den Stuttgarter Anlagen. (Zu dem Bilde S. 577.) Zu dem Schönsten der an Schönheit reichen Hauptstadt Schwabens gehören die königlichen „Anlagen“, ein ausgedehnter herrlicher Park, der vom Residenzschloß bis zum Neckar bei Cannstatt reicht. Dem allgemeinen Verkehr in entgegenkommendster Weise geöffnet, bieten diese Anlagen besonders im Sommer ein überaus belebtes, farbenprächtiges Bild, und nirgends findet sich mehr Gelegenheit als hier, den alten Ruf Stuttgarts, die hübschesten Mädchen weit und breit zu besitzen, aufs eingehendste nach seiner Berechtigung zu untersuchen. Wer diesem Rufe ein mißtrauisches Gemüth entgegenbringt und bloß vor Thatsachen sich beugen will, der darf nur den breiten Mittelweg der Promenade wählen, der zugleich reizende Ausblicke auf das königliche Schloß gestattet, auf leuchtende Statuen, die sich wie ein lichter Traum aus dem dunklen Grün der Bäume und Büsche heben. Dort wird auch der größte Zweifler, besiegt durch soviel muntere Frische und soviel Schwäbisch von anmuthigen Lippen, die Waffen strecken müssen, und sollte ihm wider Erwarten der ungeahnte Eindruck allzusehr zu Herzen gehen, dann findet er abseits auch stillere Wege, um in lauschiger Einsamkeit sein inneres Gleichgewicht wiederherzustellen.

Ein Handbuch der deutschen Geschichte. Die Geschichte unseres deutschen Volkes und Landes darf sich nicht über Vernachlässigung beklagen. Auf den verschiedensten Punkten sind die Forscher an der Arbeit, Licht und Verständniß zu verbreiten, neue Quellenschätze an den Tag zu fördern, zur Benutzung vorzubereiten und die Ergebnisse geordnet und gesichtet dem Leser darzubieten. Im Mittelpunkt der litterarischen Erscheinungen in dieser

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verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1892, Seite 579. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_579.jpg&oldid=- (Version vom 1.12.2022)