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verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

schweifte sein Auge über die Köpfe der Menge – eigentlich war dort sein Platz. Unfaßbare Laune des Schicksals, die ihn hierher, an diesen Platz gestellt! Da blieb sein Blick auf einer kleinen Gestalt haften, eine blaue Bluse, eine wohlbekannte braune Schirmmütze, jetzt ein Gesicht – Holzmann! Hans fühlte das unruhige, nie sich ganz öffnende Auge des Mannes höhnisch auf sich gerichtet, er glaubte, am Halse dieses Menschen noch die rothen Male zu erblicken, die seines Vaters Hände hinterlassen hatten. Was suchte Holzmann hier? Hatte ihn bloß die Neugierde hergeführt? Richtig – er hatte sich ja schon vorgestern nach dem Leichenbegängniß erkundigt. Aber hatte der Verbrecher, der immer seine dunklen Pläne verfolgte, nicht noch weiter gefragt – ob alle Beamten und Arbeiter mit zur Beerdigung gehen, ob das Gerüst noch da sei … Ein Verdacht blitzte in Hans auf. Und von einem gemeinsamen Geschäft hatte Holzmann und widerwillig auch der Vater gesprochen – wenn dieses gemeinsame Geschäft ein Einbruch wäre, wenn der Vater, um den Sohn loszukaufen, sich Holzmann zum Helfer angeboten hätte!

„Eine für mich unentbehrliche Kraft“ hatte Holzmann den Vater genannt, und der Vater kannte die Baulichkeiten, die Kassenräume bei Berry! Und doch, es konnte ja nicht sein, der Vater hatte ihn ausdrücklich versichert, daß das Geschäft ein „ehrliches“ sei.

Inzwischen war der Zug am Kirchhof angelangt, und Hans wurde gewaltsam aus seinen trüben Gedanken herausgerissen, als er sich mit einem Male vor dem offenen Grabe fand. Der Geistliche trat vor und hielt die Trauerrede, dann wurde der Sarg hinuntergelassen in die Erde – die bunten Uniformen, die Waffen der Soldaten glitzerten im vollen Sonnenlicht, auf den Grabhügeln rings umher stand die gaffende Menge, das bunte Schauspiel des Lebens an der Stätte des Todes. (Schluß folgt.)


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Die afrikanische Savanne.

Mit Illustrationen nach Aquarellen von Prof. Dr. Pechuel-Lösche.

In den gangbaren Schriften über Innerafrika ist von jeher die Schilderung des Urwaldes zu sehr hervorgehoben und weniger Nachdruck auf die Savanne gelegt worden. Dies entspricht nicht den wirklichen Verhältnissen, denn Afrika, das im Norden und Süden von Wüsten durchzogen wird, ist in seiner Mitte mehr Steppe und Savanne als Waldland. Die afrikanischen Steppen lassen sich aber keineswegs mit den allgemein bekannten nordamerikanischen Prairien vergleichen; eher könnte man sie den Llanos Südamerikas an die Seite stellen, obwohl auch diese sich von den afrikanischen Grasfluren vielfach unterscheiden.

Nähert man sich der Küste Mittelafrikas, so ist man zumeist enttäuscht, anstatt der erwarteten üppigen tropischen Vegetation nur weite öde Strandlinien zu sehen, auf denen sich vereinzelte Palmen erheben. Das „Grüne Vorgebirge“ verdient seinen Namen nur im Vergleich mit der öden Küstenstrecke der Sahara. Die ersten portugiesischen Entdecker, die ihm diesen Namen gaben, standen noch unter dem Einfluß der alten Lehre, daß der Süden der damals bekannten Erde wegen der großen Hitze unbewohnbar sei, daß in ihm auch keine Pflanzen mehr gedeihen, alles ausgedörrt, sonnverbrannt sei. Als sie nun die wenigen Palmen des Grünen Vorgebirges und später die grünende Mündung des Senegal erblickten, da war dies für sie eine Thatsache, welche die Weisheit von mehr als einem Jahrtausend zu Fall brachte. Augenblicklich ist die Wissenschaft in einer entgegengesetzten Richtung thätig; sie ist bemüht, die mit der Zeit üblich gewordene Anschauung von der unermeßlichen Fruchtbarkeit der Tropen auf ein richtiges Maß zurückzuführen.

Granitblock südlich der Kongo-Mündung.

Lassen wir uns von den Forschungsreisenden beispielsweise den vielgepriesenen Kongo schildern! Eintönig ist die Küste nördlich von seiner Mündung; der Fluß selbst ist nur mit einem etwa 10 Kilometer breiten Streifen Waldes eingerahmt; südlich beginnt wieder das einförmige Gestade, an dem ein Granitblock weithin sichtbar den Seefahrern als Landmarke dient. Landen wir hier, so sind wir mitten im Steppengebiet und sehen Wälder nur längs der Flüsse wie schmale grüne Streifen in dasselbe eingelagert.

Freilich ist in dieser Gegend die Steppe anders beschaffen als im Norden. Es giebt hier wohl Striche, in welchen nur Gras wächst, die reine Grassavanne oder „Campine“. Aber diese Grasflur ist nicht mit dem teppichgleich verstrickten, weichen und niederen Rasen unserer nordischen Wiesen geschmückt, sondern bringt ausschließlich harte und steife Halmgräser hervor, welche garbenähnlich aus scharf gesonderten, etwas erhabenen Wurzelstöcken aufsprießen. Zwischen ihnen bleibt der Boden nackt, während oben die Halme sich zusammenschließen. Oft erreichen die Gräser eine bedeutende Höhe; man hat Halme bis zu 6 Metern Länge gemessen, und in solchen Grasbeständen verschwinden buchstäblich Roß und Reiter. Es kostet daher eine ungeheure Anstrengung, wenn man sich den Weg durch eine solche Savanne bahnen will, und selbst wenn man auf vielbetretenem Negerpfad

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verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1892, Seite 662. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_662.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2023)