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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


Das Herbstlied des Stars.

Verstummt im Wald ist Klang und Schall,
Die heit’re Vogelweise;
Die Drossel und die Nachtigall,
Sie sind schon auf der Reise.

Da kommt mein alter Hausgenoß’,
Der lange fern gewesen –
Er hatte sich im Wald ein Schloß
Zum Sommerheim erlesen –

Der mir, als noch die Flocke flog,
Den Frühlingspsalm gesungen –
Vom Garten in die Büsche zog
Der Alte mit den Jungen.

Nach seinem braunen Kästlein sieht
Noch einmal er beim Scheiden
Und singt mir dann ein Abschiedslied
Hoch in den Pappelweiden

Und ruft mir zu: „Komm’ mit hinaus
Jenseit der Alpenrücken,
Da sollst du dir den Blumenstrauß
In Wintersmitten pflücken!

Da lacht ein Grün, das ewig frisch!
Aus dunklen Laubeskronen
Holst du dir flugs für deinen Tisch
Orangen und Citronen!“ – –

Zieh’ weiter, Star, zu Südlands Saum
Bei Palmen und Cypressen
Kann ich den grünen Tannenbaum
Des Nordens nicht vergessen!

Und, wenn dein Blüthensegen kann
Kein Frost den Tod bereiten,
Fühl’ ich mich doch als fremder Mann.
In Treibhausherrlichkeiten!

Ja, wären deine Flügel mein,
Du Starmatz, ließ ich’s gelten,
Für Wochen möcht’ Genosse sein
Ich dir in wärmern Welten –

Für jene Zeit, wo niedermäht
Die Blätter das Verderben –
Der Schöpfung Tod hat Majestät,
Doch traurig ist ihr Sterben!“ – –

Ob Nord, ob Süd – wem ziemt der Preis? “ –
Wie strahlt im Sonnenlichte
Im Funkelkleid von Schnee und Eis
Stolz unsre Nordlandsfichte!

wie jauchzt um sie beim Kerzenlicht
Der Kinder bunt’ Gewimmel –
Und ein „Bambino“ ist noch nicht
Das Christkind mit dem Schimmel!

Mein Herz, einst war es hoch beglückt,
Wenn unter Lorbeerkronen
Im Winter Veilchen ich gepflückt
Und prächt’ge Anemonen.

Doch hat’s im stillen stets gefragt,
Ob wohl im Waldesmoose
Daheim schon aus dem Schnee sich wagt
Hervor die Christusrose?

Ob jetzt beim Eislauf auf dem Teich
Sich Hand in Hand verstricke,
Und ob die Meise in dem Zweig
Sing’ lustig ihr „Spinn’ dicke“? –

Starmatz, zieh’ hin! Ich bleib’ daheim!
Mir weckt’s den Frühlingsglauben,
Seh’ ich am Hyazinthenkeim
Die ersten Knospentrauben!

Ein Käferlein, das übrig blieb
Und klettert an den Ranken,
Ruft wach in mir den Maientrieb
Lichtseliger Gedanken!

Mein junges Vöglein hat studiert
Schon gut das Lied der Alten
Und will mir, wenn es schneit und friert,
Die Lenzespredigt halten.

Und, was mir über alles werth,
Wie man für Südland schwärme,
Es ist mein Haus, mein eigner Herd,
An dem ich mich erwärme,

Und Weib und Kind, mir zugesellt,
Wie auch der Winter dräue,
Mein Allerbestes auf der Welt,
Die Liebe und die Treue!

Mir summt durchs Herz ein leiser Ton.
Was will das wohl bedeuten? –
In meinen Träumen hör’ ich schon
Die Weihnachtsglocken läuten!
 Emil Rittershaus.


Vergiftete Nadelhölzer.

Eine naturgeschichtliche Skizze von Dr. Gustav Holle.

Es war im Hochsommer des Jahres 1890, als eine Kunde durch das Land ging, welche jeden Naturfreund mit Trauer erfüllen mußte.

In dem durch seine herrlichen Wald- und Gebirgsgegenden ausgezeichneten Bayerland waren Millionen von Raupen aufgetreten, welche sich die harten Nadeln der Fichten, Tannen und Kiefern zur Nahrung ausersehen hatten, und bald zeigten sich endlose Strecken vorher im prächtigsten Grün prangender Nadelwälder vollständig kahl gefressen, und die schlanken Kinder des Forstes streckten die ihres grünen Schmuckes entblößten Zweige trauernd zum Himmel.

Damit war nicht allein dem Walde sein schönster Schmuck geraubt, sondern der Bestand des Waldes selbst bedroht, insofern der seiner Nadeln (welche hier die Stelle der Blätter vertreten) beraubte Baum nicht mehr imstande ist, sich zu ernähren, und daher einem baldigen Siechthum, dem Hungertod verfällt.

Ein Stückchen von der Unterseite eines Buchenblattes.
a. Spaltöffnungen. b. Zellen der unteren Epidermis.

Betrachten wir einmal das Blatt eines Laubbaumes, z. B. der Linde oder der Buche, so finden wir die Oberseite desselben gleichmäßig mit einer glänzenden Haut von meist dunkelgrünem Aussehen überzogen. Die Unterseite dagegen entbehrt dieses glänzenden dunkelgrünen Anblicks, erscheint mattgrün, und wenn wir genauer zusehen, so erkennen wir oft schon mit bloßem Auge, leichter und einfacher mit einem Vergrößerungsglas, eine ungeheure Anzahl kleiner Punkte, mit welchen die ganze Blattunterseite dicht besetzt ist. Nimmt man nun mit einem scharfen Rasiermesser ein kleines dünnes Stück der unteren Blattfläche hinweg und bringt es unter ein gutes Mikroskop, so lassen sich diese kleinen Punkte deutlich als ovale oder rundliche Zellgebilde – die Spaltöffnungen oder Poren – erkennen. Sie liegen einzeln zwischen den Zellen der Blattaußenhaut (Epidermis) und bestehen gewöhnlich aus zwei sogenannten „Schließzellen“, zwei aneinanderliegenden, halbrunden oder länglich halbrunden, mit Zellinhalt und meist einigen grünen Chlorophyllkörnern versehenen Zellen, welche in der Mitte ihrer aneinandergrenzenden Scheidewände eine längliche Spalte zwischen sich lassen.

Diese Spalten nun sind die Ausgänge der mit Luft erfüllten Gänge der inneren Gewebe, der „Intercellularräume“, die sich hier nach außen öffnen. Man könnte sie gewissermaßen die Mundöffnungen oder Nasenlöcher der Pflanzen nennen, denn sie sind es, welche den Hauptnahrungsstoff der Pflanze, die Kohlensäure, aus der Luft aufnehmen und den inneren grünen Geweben zuführen, in welchen dieselbe weiter zu festerer Nahrung verarbeitet wird.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 797. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_797.jpg&oldid=- (Version vom 16.5.2023)