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verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


Bernhard Windscheid †. (Mit Bildniß.) Der Tod hält eine rasche Ernte unter den großen deutschen Rechtslehrern! Erst vor kurzem hat er Jhering dahingerafft, jetzt ist ihm auch Bernhard Windscheid zum Opfer gefallen, der unter allen deutschen Juristen wohl den höchsten Ruf und die weitreichendste Bedeutung besaß. Keiner hat wohl je eine solch gewaltige Hörerzahl um sich versammelt, und auf den deutschen Hochschulen dürfte es wenige Studierende der Rechte, an den deutschen Gerichtshöfen wenig Beamte geben, deren Bücherschatz nicht Windscheids „Lehrbuch des Pandektenrechts“ als grundlegenden Bestandtheil aufwiese. Unmittelbar für das ganze deutsche Volk aber hat er gewirkt als einer der hervorragendsten Mitarbeiter an dem Entwurfe des bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich.

Windscheid ist nur wenig älter geworden als Jhering. Geboren am 26. Juni 1817 zu Düsseldorf, hat er ein Alter von 75 Jahren erreicht. Auch er hat in seinen jüngeren Tagen ein Stück jenes Nomadenlebens erfahren, das die deutschen Gelehrten, und am meisten gerade die bedeutenden, von Hochschule zu Hochschule zu führen pflegt. Am Schlusse seines Lebens aber war ihm doch eine größere Seßhaftigkeit beschieden, denn die achtzehn letzten Jahre hat er der Leipziger Universität angehört.

Bernhard Windscheid.
† 26. Oktober 1892.
Nach einer Photographie von Carl Bellach in Leipzig.

Wohl ging schon einige Zeit von Semester zu Semester das Gerücht, Windscheid werde um seiner erschütterten Gesundheit willen seine Lehrthätigkeit einstellen. Aber immer wieder erschien er mit unbesieglicher Spannkraft auf seinem Lehrstuhl – nur diesmal sollte er ihn nicht wieder betreten. Am 26. Oktober, eben in den Tagen, da seine Schüler sich wieder in der Musenstadt sammelten, schloß der Tod sein klug leuchtendes Auge und seinen beredten Mund.

Kalte Füße. Der Wintersanfang bringt vielen Menschen ein unangenehmes „Leiden“, von welchem sie im Sommer verschont blieben: die kalten Füße. Sie sind höchst unangenehm, namentlich für denjenigen, der sitzend arbeiten muß, der an die Arbeitsstube daheim oder an das Bureau gefesselt ist. Filz und Pelzschuhe, Strümpfewechsel, Schlagen der Füße mit Holzbrettchen oder Gummigeißeln nützen oft nicht oder nur vorübergehend. Und doch ist es für gesunde Menschen sehr leicht, das lästige Leiden gründlich zu heilen. Der Fuß rächt sich durch sein Kaltwerden für die Vernachlässigung, die ihm widerfährt. Auch er hat das Recht, gepflegt zu werden wie die Hand. Und in der That, die Erfahrung lehrt, daß bei sonst gesunden Menschen die kalten Füße schwinden, wenn man regelmäßige Fußwaschungen vornimmt. Es ist dabei gleichgültig, ob man kaltes oder warmes Wasser anwendet, nur muß man darauf sehen, daß der Fuß gut abgetrocknet und kräftig abgerieben wird. Aber der Fuß steckt in Strumpf und Schuh; die Leute sehen ihn nicht, und so wird der Strumpf gewaschen und der Stiefel gewichst, aber dem Fuße selbst eine entsprechende Wohlthat bei so vielen Menschen nur bei der Generalreinigung des Körpers, beim Bade, zu theil. Kein Wunder, daß er bei einer solchen Behandlung kalt wird! *      

„Gesammelte Dichtungen“ von Eduard Paulus. Es ist ein schwäbischer Dichter, der in diesem Buche die Summe dessen bietet, was in beinahe vier Jahrzehnten sich dichterisch in ihm formte, und schwäbische Eigenart spricht aus der Fülle seiner Lieder: eine knorrige und doch wieder wunderbar innige Ausgestaltung des eigenen Erlebens, der ganzen Persönlichkeit, ein vertrautes Leben mit der heimathlichen Natur, ein träumerisches Schauen in Vergangenheit und Zukunft des deutschen Volkes, während zugleich die Gegenwart in scharfe Beleuchtung tritt, ein handfester Humor, nicht zum letzten ein Widerwille gegen alle Schreier, gegen alles, was unecht ist. Bei Paulus hat man das wohlthuende Gefühl, um so wohlthuender, je seltener es einem sonst zu theil wird, daß hier in kraftvoller Natur ursprüngliche Poesie und ursprünglicher Gedanke sich verbunden haben, um ohne Rücksicht auf die Mode zu schaffen, was sie schaffen mußten. Deshalb ist er so fern jeder Schablone, von so ungewollter Besonderheit, und deshalb ist der Versuch so müßig, den Dichter und sein Können, den Menschen und seine „Weltanschauung“ fein säuberlich in irgend ein Schema einzuordnen. Unmittelbar wie diese Lieder geworden sind, müssen wir sie genießen.

Aus der Menge dessen, was aus den Blättern des Buches zum Herzen drängt, sei ein Sonett herausgehoben, das ebenso charakteristisch ist für die Heimathliebe des Dichters wie für die tiefe Art, mit der er im groß geschauten Naturbild sein eigenes Erleben spiegelt.

„Ihr Berge meiner Heimath, sanft und mild,
Ihr schmeichelt euch in meine Seele wieder,
Erweckt in ihr des Wohllauts Traumgefieder,
Daß mir die Thräne übers Auge rinnt.

5
Schon tausendmal durchs blühende Gefild

Sah ich zu Euch vom Waldesrande nieder,
Ich kann mich nicht ersättigen, immer wieder
Hängt mir der Blick an eurem zarten Bild.

Nicht kühngezackt, in weicher Schwingung ziehn

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Die Linien fort, die langgedehnten, blauen,

Bis sie ins fernste Himmelslicht verthauen.

So ging auch meiner Seele längst dahin
Der Erde Kampf, und dieses Lebens Grenze
Verschwimmt mir sanft in einem ew’gen Lenze.“

Volksbibliotheken. In vielen größeren Städten wird durch Volksbibliotheken für das Lesebedürfniß und die geistige Fortbildung der ärmeren Klassen gesorgt, und es ist keine Frage, daß bei einer einsichtigen Auswahl des Lesestoffs durch diese Einrichtung eine sehr gute Wirkung auf Geist und Herz des Volks ausgeübt werden kann. Doch hat man neuerdings in der Reichshauptstadt die Erfahrung gemacht, daß gegen früher ein Rückgang in der Zahl der Leser und der ausgeliehenen Bände eingetreten ist.

Das Verhältniß wird noch ungünstiger, wenn man das jährliche Wachsthum der Bevölkerungszahl Berlins mit in Anschlag bringt. Im ganzen wurde jedes Buch nur dreimal ausgeliehen. Die Gründe mögen verschiedener Art sein. Eine der Ursachen finden wir in dem Bericht über die Gemeindeverwaltung der Stadt Berlin in den Jahren 1882 bis 1888 angegeben; es heißt dort, daß die Ergänzung einzelner Bibliotheken, nachdem in den letzten Jahren auf den verschiedenen Gebieten der Wissenschaften und der Technik so große und so schnelle Fortschritte gemacht worden seien, mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten konnte, so daß dem Publikum theilweise nur ein weniger werthvolles Material zur Verfügung gestellt wurde. Hier ist immerhin zu bemerken, daß es an neueren zusammenfassenden Werken nicht fehlt, deren Kaufpreis den Etat der Bibliotheken nicht übermäßig belasten würde.

Günstiger stellt sich die Lage der Volksbibliotheken in Dresden und Wien dar. Die neun, welche der „Gemeinnützige Verein“ in Dresden gegründet hat, haben einen Bücherbestand von 25201 Bänden und gaben 1890 122000 Bände an 8124 eingeschriebene Leser aus, also jeden Band etwa fünfmal. Die Volksbibliothek des niederösterreichischen Volksbildungsvereins (Zweig Wien und Umgebung) in Semmering bei Wien lieh 1890 bei einem Bestande von 2183 Büchern 26839 Bände aus, also jeden Band dreizehnmal. Der Wiener Volksbibliothekverein gab seinen Bücherbestand von 8453 Bänden 1890 achtmal aus, nämlich 65144 Bände. Und endlich eine Bonner Bibliothek von 8482 Bänden gab 1890 72914 Bande aus.

Jedenfalls sollten alle größeren Städte diese Einrichtung, welche dem Volkswohl in hohem Maße dient, eifrig pflegen, die dafür ausgeworfenen Summen möglichst erhöhen und die Auswahl der Bücher durch umsichtige und vorurtheilsfreie Männer besorgen lassen; doch auch unter den Ausgaben der kleineren Städte sollte der Posten für Volksbibliotheken nicht fehlen.

Es wäre vielleicht vortheilhaft, wenn die gesammte für Volksbibliotheken geeignete Litteratur alljährlich von einem leitenden Ausschuß zusammengestellt und das Verzeichniß, bei dem die wichtigsten und empfehlenswerthesten Werke in erster Linie stehen, den Verwaltungen besonders der kleineren Städte eingesendet würde, denn der Sinn für das wahrhaft Volksthümliche, für das, was sowohl gemeinnützig ist wie auch Geist und Geschmack bildet, ferner eine ausgebreitete Litteraturkenntniß ist nicht überall zu finden. Möchten diese Zeilen da und dort einen günstigen Boden finden: auch mit bescheidenen Mitteln läßt sich in dieser Sache Gutes erreichen. †      


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

Anfrage. Gibt es einen Verein, der für die hinterbliebenen Söhne oder Töchter seiner verstorbenen Mitglieder Stellen vermittelt?

Alte Abonnentin! Wie oft müssen wir noch wiederholen, daß wir in ärztlichen Dingen keinen Rath ertheilen können!

A. U. in Leipzig. ad 1) Haben zwei Mitspieler im Skate beim Ramschspiel gleichviel Augen, aber mehr als der dritte erhalten, so haben beide das Spiel verloren und hat jeder derselben den vollen Betrag (10 Points) an jeden der übrigen Theilnehmer zu zahlen; ad 2) Ihr Freund hat ganz recht. In den Zirkeln der meisten Studentenverbindungen sind die Buchstaben V. F. C. als Anfangsbuchstaben von „Vivat floreat crescat“, sowie noch der Anfangsbuchstabe des Namens der betreffenden Verbindung enthalten.

F. F. in F. und H. in Essen. Leider nicht verwendbar!

Georg ? Westerland, Sylt Geben Sie uns Ihre Adresse in leserlicher Handschrift an, damit wir Ihnen brieflich antworten können.

V. Z. in D. Ein sehr geeignetes Hilfsmittel, um Ihren kleinen Jungen in die Geheimnisse des Multiplizierens einzuführen, ist der „Kleine Rechenmeister“ (Hermann Hucke, Leipzig). Dieser sinnreiche, in Form eines Heftes hergestellte Apparat ist in drei Ausgaben zu haben, wovon die erste die Multiplikationen im Zahlenraum 1 bis 10, die dritte diejenigen im Zahlenraum 11 bis 20 umfasst; die zweite Ausgabe ist eine Vereinigung der beiden andern. Die deutliche Anschauung, welche die Kinder hier durch eine einfache mechanische Vorrichtung von der „verborgenen“ Weisheit des Einmaleins erhalten, wird wohl auch in diesem Fall bald zu einem befriedigenden Ergebniß führen.

Abonennt in Russisch-Polen. Wir warnen Sie entschieden vor diesem Buche. Wenden Sie sich an einen Arzt.

H. O. in Stralsund. Die Tantiemen, welche die Theater an die Verfasser von aufgeführten Dramen bezahlen, bewegen sich in weiten Grenzen. Es kommt eben auf die besondere Abmachung im einzelnen Falle an. Eine Kontrolle über die Aufführung eines bestimmten Stückes kann ein einzelner schwerlich ausüben; die deutsche Genossenschaft dramatischer Autoren zu Leipzig übernimmt diese Aufgabe für ihre Mitglieder, auch gibt es besondere Agenten für diesen Zweck.

K. in N. Kann zu unserm Bedauern nicht verwendet werden.

K. H. in Königsberg. Leider nicht für die „Gartenlaube“ geeignet.

M. B. in Washington. Das Zündnadelgewehr wurde 1841 in die preußische Armee eingeführt.

W. H. in Dresden. Ihre Begeisterung ist sehr erfreulich – Ihre Gedichte? Nun, bei der Abfassung war wohl die Muse mit Urlaub abwesend.

Tambour in St. Am sonderbarsten dürften wohl die Holzschuh-Rennen sein. Im Bergischen und Westfälischen bestehen Vereine, welche als eine Art Sport die Schnellläuferei mit Holzschuhen betreiben. Der Holzschuh in seiner in den Niederlanden und am Niederrhein üblichen botartigen Form unter dem Namen Klompen oder Klumpen bekannt, ist ein Hemmschuh für rasche Fortbewegung und das Laufen darin schwerfällig und unbeholfen. Ein Rennen in Holzschuhen, zumal mit den üblichen Hindernissen, erfordert daher große Uebung und außergewöhnliche Muskelanstrengung; nur kräftige junge Leute und starke Landjungfern – denn auch die „Damenwelt“ betheiligt sich an diesem Vergnügen – können den Wettlauf aufnehmen, der einen höchst komischen Eindruck macht. Eine verfeinerte Art des Rennens ist das „Zügelrennen“, wobei die Füße der Renner nur lose in den Holzschuhen stecken, die mit einer Art Zügel straff angezogen werden müssen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1892, Seite 803. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_803.jpg&oldid=- (Version vom 16.4.2024)