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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

er – da unterbrach ihn dieser schon mit den Worten:

„Ich bin Ihnen großen Dank schuldig, Herr Doktor, und auch noch – na, auch noch Genugthuung für einige Aeußerungen in unserem letzten Gespräch, glaube ich – also Sie sollen sie haben. – Die Herren,“ wandte er sich sodann an seine Nachbarn, „sind hier, leider unter mißlichen Umständen, Zeugen einer kleinen Familienscene; Sie waren so freundlich, mir in der Gefahr zu Hilfe zu eilen – lassen Sie mich mit meinem Danke die Bitte vereinen, jetzt auf das Brautpaar anzustoßen. Ich habe die Ehre, Ihnen die gestern vollzogene Verlobung meiner Nichte Ulla zur Nieden mit Herrn Doktor Sassen anzuzeigen. Bitte, Ulla, fülle die Gläser! – Nun,“ fügte er leiser hinzu, „sind Sie zufrieden, Herr Doktor?“

Ob der zufrieden war und ob er und Ulla es dem wackeren alten Herrn dankten! Der Oberst hatte in dieser Nacht für den eingebildeten Schatz, den ihm das Feuer geraubt, einen wirklichen Schatz von unbezahlbarer Liebe und Verehrung gewonnen. Und das mochte er auch wohl selber empfinden; denn zwei große Thränen rannen ihm in den eisgrauen Bart, als er nun mit den freundlich glückwünschenden Herren auf das Wohl seiner Kinder anstieß.

„Schmuck wie ein Bräutigam“ sah nun freilich der glückliche Doktor eben nicht aus, und als es zum Scheiden kam – „für wenige Stunden“, flüsterte Ulla selig – war er eitel genug, sich von ihr den Schlüssel zum Gartenpförtchen auszubitten, „um nicht etwa draußen auf der Straße als der Brandstiftung dringend verdächtig abgefaßt zu werden“. An dem kleinen Pförtchen verabschiedete sich Ulla noch einmal zärtlich von ihrem „Retter“, wie sie ihn nannte. „Du,“ antwortete Karl ganz ehrlich, „eigentlich war ich’s aber nicht. Den Brand habe nicht ich entdeckt, sondern Stropp, dem ich ein freies Nachtquartier gewährte. Er ist seinen Leuten davongelaufen. Ich möchte ihn wohl behalten!“

„Ach, der liebe Kerl!“ meinte Ulla, „wo ist er denn aber geblieben, der Stropp?“

Da fuhr es auch schon aus den Büschen heraus, eine rundliche schwarze Masse, und sprang mit tollem Freudengeheul an den beiden empor. Stropp der Hund hatte geduldig abgewartet, bis man sich seiner erinnern würde. Nun hielt er es aber auch an der Zeit, sich zu melden und die Gunst der Verhältnisse auszunutzen. Die beiden waren ja anscheinend wieder vereint, der Onkel, so dachte Stropp, war offenbar „abgeschafft“ – und nun trug er sein Anliegen vor, welches, in die Menschensprache übersetzt, nur lauten konnte: „Bitte, behaltet mich hier bei Euch – ‚ich sei, gewährt mir die Bitte‘ u. s. w.“

Glücklich Liebende sind Sonntagskinder und verstehen auch die Sprache der Thiere. Aus Ullas freundlichen Worten und Karls Scherzen glaubte Stropp der Hund mit Gewißheit herauszuhören, daß seine Bitte vernommen und gewährt sei. Und so trottete er vergnügt und zufrieden hinter seinem neuen Herrn durch den Garten und sprang an der aufgeregten Wirthin, die ihnen das Gartenthürchen öffnete, schon mit dem ganzen Selbstgefühl eines anerkannten Hausbewohners vorüber.

Draußen im Garten begannen die Nachtigallen ihr süßes Morgenlied, im Osten kündete eine sanfte Röthe schon das Nahen des jungen Sommertages, und ein leises Lüftchen bewegte den Vorhang am Fenster des Doktors, als wollte es einen Gruß von der Braut bestellen. Der Doktor aber lag schon in seligen Träumen, und auch Stropp der Hund beschloß nun, nach einem letzten dankbaren Blick auf den künftigen Gebieter,

„Einen langen Schlaf zu thun,
Denn dieser letzten Tage Qual war groß.“

Bedächtig wackelte er zu dem Fußteppich vor dem Schreibtisch seines Gebieters, lockerte das schöne weiche Wollbett noch ein paarmal mit den Vorderpfoten, drehte sich zweimal um sich selbst und rollte sich dann mit einem Seufzer der Befriedigung zusammen, um die wohlverdiente Ruhe eines Feldherrn nach gewonnener Schlacht zu genießen.



Blätter und Blüthen

Eine zeitgemäße Betrachtung. Der Teufelaustreibungs-Prozeß in Wemding hat großes und berechtigtes Aufsehen gemacht. Von allen Seiten wurde hervorgehoben, welch beklagenswerther Aberglaube noch in Niederbayern die Köpfe des Landvolks erfülle, wie geradezu mittelalterlich die Kulturstufe der unteren Volksklassen erscheine. Nur der unteren? Und nur in Niederbayern? … Haben die erleuchtet sein sollenden oberen Klassen der Gesellschaft wirklich das Recht, hierüber die Achseln zu zucken, sie, welche in immer steigender Zahl sich den spiritistischen „Offenbarungen“ zuneigen und sich immer und immer wieder von dem dümmsten Schwindel der im Dunkel fliegenden Gegenstände, von geheimnißvollen Schauertönen und dergleichen berücken lassen? Gleichzeitig mit jener Wemdinger Teufelaustreibung liefen die Meldungen von „völlig unbegreiflichen“ Mediumvorstellungen durch die Blätter, und dieselben Gebildeten, welche über die erstere verächtlich die Achsel zuckten, sie nehmen gläubig die Erzählung von dem Zweiten hin, mit der Erwägung, daß es doch in der That „mehr Dinge zwischen Erd’ und Himmel“ geben möchte …

Da muß man nun doch fragen: Was ist begreiflicher und verzeihlicher, der alte, historische Glaube an Teufel und Hexen, oder diese neumodische, so unsäglich alberne Lehre von der „Materialisierung“?

Gehört ein größerer Unverstand dazu, anzunehmen, man müsse etwas von einer Hexe zu essen bekommen, damit sie Macht über einen erhalte, oder aber dazu, gemüthsruhig mit anzusehen, daß bei allen spiritistischen Offenbarungen irgendwo ein Vorhang, eine spanische Wand, irgend eine Möglichkeit des Verbergens ist, daß die Geister immer „das Dunkel lieben“, in welchem bekanntlich nicht nur gut, sondern auch leicht munkeln ist? Wahrlich, eine große Anzahl unserer „Gebildeten“ hat keine Ursache, auf die „Ungebildeten“ so hoch herunter zu sehen, denn das Licht der Vernunft leuchtet ihnen selbst nur bis zur Eingangsthür des Spiritistenlokals, dort drinnen aber herrscht dasselbe Dunkel – wie in den Köpfen der Hexengläubigen von Wemding!

Vermißten-Liste. Nennen wir zunächst die Namen derer, welche infolge unserer Aufrufe aufgefunden wurden!

Die Tochter des Gärtners Johann Friedrich Jedro theilt uns hocherfreut mit, daß sie mit Hilfe der „Gartenlaube“ ihren Vater wiedergefunden habe.

Der Vater des verschollenen Gotthelf Kempinski benachrichtigt uns dankerfüllten Herzens, daß sein Sohn nunmehr aus San Francisko an ihn geschrieben habe.

Von Sellms ist endlich aus Leadville, Colorado, zur größten Freude seines Vaters tröstliche Kunde eingetroffen.

Weiter haben sich Frau und Tochter des Bereiters Christian Dieckmann infolge unseres Aufrufs gemeldet. Sie wohnen in New-Jersey; Dieckmann selbst ist in einem Bergwerk verunglückt.

Frau Janson spricht uns ihren innigsten Dank aus für die Nachrichten, die wir ihr über ihren Mann bringen konnten.

Ferner hat sich die Nachfrage nach Josef Müller erledigt, welcher in Antwerpen als Kellner angestellt ist.

Herrn Chas. Reynold Hamilton in San Francisko ist es zu danken, daß Julius Heinrich Wolter wieder aufgefunden werden konnte. Er lebt in Los Angeles, Californien.

Auch über das Schicksal Carl Otto Franz Reichenbachs haben wir Näheres in Erfahrung gebracht. Leider konnten wir bis jetzt die Mutter Reichenbachs davon nicht verständigen, da sie aus der uns angegebenen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 893. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_893.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2023)