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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)


BLÄTTER UND BLÜTHEN.



Die alte Gartenlaube. (Zu dem Bilde S. 1.) Das anmutige Bildchen von Hermann Koch, dessen Schöpfungen unsere Leser immer gern in der „Gartenlaube“ begegnen, hat einen Freund der letzteren veranlaßt, uns nachstehende Verse zu senden, welche wir statt jeder weiteren Erläuterung hier wiedergeben:

Vor der Gartenlaube war es,
Wo dereinst ich sie gebeten,
Mein Geheimnis anzuhören –
Zagend sind wir eingetreten.

In der Gartenlaube war es,
Wo sich Herz zu Herz gefunden,
Wo mein liebes holdes Mädchen
Sich auf ewig mir verbunden.

Alte, traute Gartenlaube,
Frisch und grün bist du geblieben,
Mögst du stets auch freundlich bleiben
Jungen Herzen, welche lieben!  A. B.

Der Brautzug. (Zu dem Bilde S. 4 und 5.) „Heisa, da sind wir! Dort steht das Schloß – aufgespielt, Musikanten, daß sie drin merken: der Brautzug kommt!“ So ruft der lustige Rat und schwenkt die Mütze, während der junge kranztragende Edelknecht an der Spitze sich im Sattel hebt und mit seiner grünumlaubten Standarte das Zeichen zum Fahnenschwenken drüben auf der altersgrauen Burgmauer giebt. Denn sie folgen ihm ja dicht auf den Fersen: der Burgherr in der Prachtrüstung mit dem Rautenkranz statt des Helmes, und auf schneeweißem Zelter an seiner Seite das minnigliche Bräutlein im kostbaren, hermelinbesetzten Brokatgewand, die schwere Schapelkrone auf den blonden Flechten. Sie lächelt so heiter und schalkhaft zu seinen geflüsterten Liebesworten, daß man wohl sieht: der schwarze Panzer macht ihr keine Furcht und um das Regiment auf der Burg wird sie nicht verlegen sein. Etwas dergleichen scheint auch der stattlichen Frau Mutter in Gedanken vorzuschweben; sie lächelt befriedigt nach ihrem liebreizenden Töchterlein hinüber, und der ergebungsvoll an ihrer Seite trottende Herr Gemahl sieht gerade aus, als ob er ebenfalls über dieses Kapitel einiges zu sagen wüßte! …

Aber wer wird sich um die Zukunft kümmern, heute, wo das lustige Hochzeitsgeleite den grünen Wald entlang zieht, wo die große Turnierfahne im Winde flattert und heller Sonnenschein seine Funken über die Dahineilenden streut. Wald und Feld sind dieselben, die wir heute sehen, aber der Künstler, der mehr sieht als andere Leute, läßt, indem er sie mit diesem Brautzug belebt, ein fröhliches Stückchen Mittelalter an unserem inneren Auge vorüberziehen. Bn.     


Neujahrsgratulation im Berliner Invalidenhause.
Nach einer Originalzeichnung von E. Thiel.


Sperbereule auf der Eichhornjagd. (Zu dem Bilde S. 13.) Unter den Tageulen, die sich neben ihrer Lebensweise, wie sie schon in ihrem Namen angedeutet liegt, auch äußerlich durch kleineren Kopf und schlankeren Leib von den Nachteulen unterscheiden, ist die Sperbereule (Surnia ulula) mit der reichen Zeichnung des grauen weiß gebänderten Gefieders, mit den langen ziemlich spitz zulaufenden Flügeln und der falkenähnlichen Gestalt eine der schönsten und merkwürdigsten. Sie ist 39 bis 42 Centimeter lang, 76 bis 81 Centimeter breit. Ihren Aufenthaltsort bilden die nördlichen Gegenden der alten Welt, das nördliche Skandinavien, Nordrußland und Sibirien, in Birkenwaldungen siedelt sie sich mit Vorliebe an. Durch reichlichen Schneefall wird sie im Winter veranlaßt, mehr nach Süden zu wandern, nicht selten kann sie dann auch im Norden unseres Vaterlandes, namentlich in Ost- und Westpreußen, beobachtet werden. Sie jagt am Tag, meistens nach Lemmingen, doch auch Eichhörnchen und größere Vögel fallen ihr zur Beute. Unser Bild zeigt eine Sperbereule beim glücklichen Fang; die Scene ist naturgetreu und lebendig wiedergegeben, besonders die Zeichnung und Bewegung der Eule, die ihre Klauen einem zierlichen Eichhorn in den Leib geschlagen hat.


Märchen. (Zu unserer farbigen Kunstbeilage.) Das Lieblingsthema des Märchens, hier steht es vor uns, im Bilde verkörpert, die Geschichte von der wunderholden Fee, die des armen Hüterbuben sich erbarmt und ihn mit sich hinwegführt in ihr goldenes Reich. Und dieses liebliche Feenkind, so jugendrosig und zauberschön, ist selbst nichts anderes als eine Versinnbildlichung des Märchens, wie der braune Hirtenknabe ganz den hingebungsvoll vertrauenden Kinderglauben atmet, in dem allein das Märchen lebt und leben kann.

Der Maler unseres Bildes, Paul Wagner, ist 1852 in Schlesien geboren und hat seine künstlerischen Sporen als Glasmaler an der Josephinenhütte zu Schreiberhau im Riesengebirge verdient. Vor zwanzig Jahren kam er nach München, um dort an der Kunstgewerbeschule und dann an der Kunstakademie seine Studien zu vollenden. Jetzt lebt er meist in seinem Landhaus am Kochelsee. Das „Märchen“, das wir heute bei Eröffnung unsres neuen Jahrgangs in farbiger Wiedergabe den Lesern vorführen, gehört zu den besten Schöpfungen des Künstlers.


Kleiner Briefkasten.

A. M. in Erkloo. Es thut uns sehr leid, daß Ihnen der Gebrauch von „thun“ und „machen“ im Deutschen so viel Mühe macht. In der That macht die Wahl zwischen diesen beiden Zeitwörtern manchen Anfänger im Deutschen straucheln. Und doch können wir nichts dagegen machen und nichts dagegen thun. Wir können Sie nur darauf aufmerksam machen, daß in diesem Fall der Gebrauch der einzige Lehrmeister ist. Thun Sie uns also den Gefallen und lassen Sie sich durch die Schwierigkeiten nicht irre machen, machen Sie ruhig weiter, dann werden Sie die Erfahrung machen, daß Sie gut daran gethan haben. Fleiß thut’s allein, Uebung macht den Meister!



manicula 0Hierzu die farbige Kunstbeilage I: Märchen. Von Paul Wagner.


Inhalt: Vor der Gartenlaube. Bild. S. 1. – Die Martinsklause. Roman aus dem 12. Jahrhundert. Von Ludwig Ganghofer. S. 1. – Der Brautzug. Bild. S. 4 und 5. – Ein Invalidenheim. Von Johannes Wilda. S. 8. Mit Abbildungen S. 8, 9, 10, 11 und 20. – Die Perle. Roman von Marie Bernhard. S. 12. – Sperbereule beim Fang eines Eichhorns. Bild. S. 13. – Ein Rendezvous. Bild. S. 16. – Deutsche Zecher am Missouri. Gedicht von Konrad Nies. Mit Bild S. 17. – Im Fieber. Von Professor Dr. E. Heinrich Kisch. S. 18. – Blätter und Blüthen: Die alte Gartenlaube. S. 20. (Zu dem Bilde S. 1.) – Der Brautzug. S. 20. (Zu dem Bilde S. 4 und 5.) – Sperbereule auf der Eichhornjagd. S. 20. (Zu dem Bilde S. 13.) – Märchen. S. 20. (Zu unserer Kunstbeilage.) – Kleiner Briefkasten. S. 20.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_020.jpg&oldid=- (Version vom 22.6.2023)