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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

den erbeuteten Frischling von der Erde hebend, sagte er: „Einen Weg suchen bin ich ausgegangen und hab’ ein Ferkel gefunden!“

Schweiker schmunzelte. „Da haben wir es allbeid’ gleich getroffen! Aber komm’, jetzt heißt’s schaffen!“

Er suchte aus der Ladung die Axt hervor und begann, im Gestrüpp einen Pfad für die Saumtiere auszuhauen. Die Arbeit ging ihm flink von statten, jeder Hieb gab aus; aber es währte doch eine Stunde, bis der Zug die Blöße erreichte und den Wald gewann. Eine Strecke zogen sie den Saum entlang und gerieten in eine kleine freundliche Thalmulde. Schweiker, der den Zug geführt, blieb stehen und blickte um sich. „Was suchst Du?“ fragte Eberwein.

„Ich schau mir das Platzl an und mein’, wir könnten ein besseres nicht finden für die Nachtrast. Die Sonn’ geht hinter die Berg’ … und ein Wetter steigt auf!“

„So laß uns bleiben!“

Der Platz war gut gewählt, nach allen Seiten gegen Wind und Sturm geschützt: im Rücken der ansteigende Wald mit riesigen Bäumen, hohes Gestrüpp zur Rechten und Linken, und im Vordergrund die von blühendem Heidekraut überwucherte Mulde, an welcher die rauschende Ache vorüberfloß.

Nun gab es Arbeit. Man nahm den Saumtieren die Ladung ab, und während die Knechte sich anschickten, zwei Reisighütten aufzuschichten, ging Schweiker mit der Axt in den Wald, um feste Stangen für die Zelte zu holen. Als er zurückkam, die langen Hölzer schleppend, zog Wampo aus einem der Ballen eine frische Kutte hervor. „So, Bruder, jetzt reit’ ich mich in die Schwemm’! Und nachher wird fein aufgekocht. Wenn die Zelt’ stehen, so sei so gut, mach’ ein Feuer an und such’ mir ein Eisen heraus, mit dem ich das Ferkel brennen kann. Das soll Dir ein Brätlein werden, daß Dir das Wasser auf der Zung’ zusammenlauft, wenn Du nur dran hinriechst.“

Er nickte, zwinkerte mit den Aeuglein und sprang mit flinken Beinen durch das blühende Heidekraut. Vor dem Ufer der Ache blieb er stehen und schnitt eine bedenkliche Miene; wohin er blickte, überall sah er im Bach nur Schaum und Wirbel. Einen ruhigen Tümpel suchend, folgte er dem Ufer und verschwand in dichten Büschen.

(Fortsetzung folgt.)




Die Kometenfurcht einst und jetzt.
Von M. Wilhelm Meyer.

Entthronte Herrscher, gefallene Größen könnte man die Kometen nennen, wenn man die Rolle, die sie im Leben der Menschen spielen oder gespielt haben, durch die Geschichte rückwärts verfolgt. Wenn heute ein solcher geschweifter Fremdling am Firmament auftaucht, so bildet er wohl den Gegenstand lebhafter Neugier bei den Laien, emsiger Beobachtung bei den Astronomen, aber nicht leicht wird sich mehr jemand beikommen lassen, ihm einen Einfluß auf das Wohl und Wehe unseres Erdballs und seiner Bewohner zuzuschreiben. Früher freilich war dieser Einfluß ohne allen Zweifel sehr bedeutend und wenn damals, etwa im fünfzehnten oder sechzehnten Jahrhundert, ein großer Komet erschien, so erzitterte die ganze Menschheit bis zu den gelehrtesten Leuten hinauf vor der schrecklichen Strafe Gottes, welche dieser Komet mit Sicherheit voraus verkündete.

Wie kommt es nun, daß der erschreckende Einfluß dieser himmlischen Sonderlinge so ganz erloschen ist? Ich gebe darauf die auf den ersten Blick unglaublich klingende Antwort: weil die Kometen früher wirklich Unglück über die Menschheit brachten, heute aber nicht mehr. Man erlaube mir zur Erklärung einige allgemeine Gedanken über den Glauben und den Aberglauben vorauszuschicken.

Es ist vollkommen richtig, daß der Glaube „Berge versetzt“. Ist in einer Person die Ueberzeugung fest begründet, daß irgend ein geplantes Unternehmen gelingen müsse, so wird diese Ueberzeugung sich leicht und oft mit Blitzesschnelle auf andere Personen begeisternd übertragen; die genügenden Kräfte sind bald vereinigt und der Berg wird versetzt. Doch der Aberglaube, die Kehrseite des rechten Glaubens, ist leider ebenso stark und zum Unglück, wenigstens in augenblicklicher Wirkung, oft sogar noch viel stärker, als es der gute Glaube ist. Aberglaube wirkt so lange als echter Glaube, bis eben seine Unechtheit allgemein anerkannt ist, was oft erst nach großen Kämpfen geschieht. Der feste Glaube aber, daß die Kometen Unglück prophezeien, mußte durch die allgemeine Aufregung und Verwirrung, welche beim Erscheinen eines solchen in früheren Zeiten durch alle Schichten des Volkes hindurch entstand, auch wirklich Unglück hervorbringen. Daß solche Unglücksfälle, wie sie damals in unserem Sinne durch das Erscheinen der Kometen thatsächlich zu Hunderten hervorgerufen wurden, heute nicht mehr geschehen, verdanken wir ganz allein der Kraft der aufklärenden Wissenschaft, welche eben beweisen konnte, daß die Kometen selbst an all diesem Unglück ganz unschuldig sind, daß vielmehr die Menschen es waren, welche dasselbe in ihrer Verblendung auf sich herabbeschworen. Es mag deshalb von Interesse sein, diesen Kometenaberglauben und seine allmähliche Vertilgung von jenem angedeuteten psychologischen Standpunkte aus zu betrachten, und in dieser Hinsicht möchte ich eine Stelle aus einer 1665 erschienenen Schrift des damals sehr geachteten Basler Professors der Mathematik, Peter Megerlin, anführen, welche betitelt ist „Astrologische Muthmaßungen von der Bedeutung des jüngst entstandenen Cometen“. Diese Schrift, welche von der Gelehrtheit und gut geschulten Denkfähigkeit des Verfassers eine treffliche Probe ablegt, steht dennoch ganz auf dem Boden des astrologischen Aberglaubens, der eben, so lange man nichts Besseres wußte, echter Glaube war. Das mag uns ein Beispiel sein, wie auch bei uns gewiß vieles für lautere Wahrheit genommen wird, um derentwillen unsere Nachkommen mitleidig über uns lächeln werden. In jener Schrift heißt es unter anderem:

„Nun ist es an dem, daß ich meine besondern speculationes und gedanken von der bedeutung dieses noch jetzt stehenden Cometen kurzlich eröffne; Solche aber, bedunckt mich, müße aus der Harmonia Naturae oder übereinstimmung der himmlischen und jredischen Geschöpffen hergenommen werden, da man von vihlen Seculis hero beobachtet, wann etwas newes, als Cometen und andere dergleichen phaenomena am Himmel entstanden, daß auch die Natura sublunaris (die Natur unter dem Mond) mit ungewohnlichen zufällen in ihren ordinarj lauff turbiert und verstört worden seyn; Es sollen aber solche zufäll nicht so fast an dem Himmel, als auff der Erden selbsten gesucht werden; Dann gleich wie bey einer Mahlzeit ein starker trunck bey einem das Podagram, beym andern das Grieß, beym dritten das Grimmen, beim Vierdten das Haubt, Augen, oder Zahn-weh kan erwecken, nicht daß der Wein an ihm selbst so schädlich, als welcher den gesunden kein hinderung bringt, vihlwehr aber erfrischt und auffmuntert; Sondern ihr schwache Natur einen so starken trib nicht erleiden mag: Also auch wird die Elementarische Natur durch entstehung eines Cometen dermassen stark bewegt oder (wie man allhie pflegt zu reden) ergelstert, daß sie hernach in solche ungewohnliche zufäll außbricht, nach dem an einem oder anderm Ort die disposition oder zuneigung zuvor vorhanden war: Wann man nun von einem Cometen judicieren solle, ob er übermäßige Hitz oder Kälte, Dürre oder Gewäßer, Wind oder Erdbidem, Pest oder andere Seuchen, Item ob er eusser- oder jnnerliche Krieg, Auffruhr, Regiments- oder Religions Enderung, und zwar in welchem Lande er solches bedeutte, so wird zu einem guten Prognosticanten nicht nur ein tiefsinniger Physikus oder Natur-kundiger, sondern auch ein weitaussehender Politicus oder Welt-weiser Mann erfordert, welcher den jetzigen zustand underschiedlicher Länder eigendlich wisse zu erkennen.“

So wunderlich diese Worte auch klingen, so liegt in ihnen doch der Schlüssel zu der Erklärung, wie damals vollkommen logisch denkende Leute an den wirklichen Einfluß der Kometen auf unsere menschlichen Geschicke glauben konnten, und es steht uns nach besserer Erkenntnis nicht mehr an, über unsere Vorfahren gar vornehm zu lächeln, wie wir es doch nur zu gern thun. Ein praktisches Beispiel einer Prophezeiung aus derselben Schrift mag den Gedankengang damaliger Sterndeuter noch näher erläutern.

„Als Anno 1652 in einer Löblichen Eydgenoßschafft die Landleuth wegen einiger geringen beschwerden einen großen unwillen gegen ihren Oberkeiten von sich verspüren liessen, da entstund ein Comet ..... als hab ich den des folgenden Jahrs darauff entstandenen

Bauren-Krieg darauß prognosticirt, massen solches vihlen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_043.jpg&oldid=- (Version vom 21.2.2019)