Verschiedene: Die Gartenlaube (1894) | |
|
Nr. 10. | 1894. | |
Illustriertes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.
Die Martinsklause.
Inzwischen wanderte der Kohlmann im grauen Dämmerlicht des
Morgens über das ebene Almenfeld hinweg; wo er ging,
hoben sich die Kühe aus dem Gras, machten die Rücken krumm
und streckten die Schweife. Ein wüster Urwald nahm den Wanderer
auf. Es dunkelte noch zwischen den ragenden Stämmen,
und die Feuchte der Nacht, die Modergerüche des faulenden Fallholzes
erfüllten die schwül zwischen den Bäumen liegende Luft.
Jenseit dieses Waldes, in einem hügeligen, von starrenden Felswänden
umzingelten Hochthal, lagen die fruchtbarsten von allen
Almen weit umher, die „Reginalben“.
Von den sieben Hütten, welche zerstreut umherstanden, war eine dem Marderecker eigen, eine gehörte zur Hufe der Hanetzer, und in der größten von allen hausten die zwei hörigen Almerinnen des Richtmanns in der Schönau. An diese Hütte schloß sich eine hohe, aus Felsblöcken geschichtete Umwallung, in welcher alles Vieh der „Reginalben“ zusammengetrieben wurde, wenn in stürmischen Nächten der Almwächter seine Feuer gegen die wilden Tiere nicht anzünden konnte; denn über die offene Berghöhe fuhr die entfesselte Windsbraut mit solcher Gewalt, daß sie die brennenden Scheite vom Holzstoß davongetragen und in den Wald geworfen hätte, dessen wirr liegendes Fallholz nur eines Funkens bedurfte, um aufzulodern wie dürres Stroh. Die Hütte selbst umschloß nur den geräumigen Kaser,
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_149.jpg&oldid=- (Version vom 22.5.2020)