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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)


Pelzmütze auf dem Kopf. „Ich komme als Papas Abgesandte,“ begann sie in einem Ton, der trotz einer gewissen Glätte und Verbindlichkeit nicht frei von Zwang war. „Papa wünscht so sehr, dieser erste Weihnachtsabend, fern von den Ihnen lieben Räumen, möge Ihnen nicht allzu schmerzlich sein; er bittet Sie beide durch mich nochmals, uns morgen die Ehre Ihres Besuches zu schenken, und ersucht besonders Baroneß Doßberg, diese bescheidene Weihnachtsgabe freundlichst von ihm entgegenzunehmen.“

Die Sprecherin hielt Ilse dabei ein längliches, in Papier gesiegeltes Kästchen entgegen. Es war Clémence nicht leicht geworden, diesen Auftrag „als Papas Abgesandte“ auszuführen, sie hatte sich anfangs rundweg weigern wollen. Allein Herr von Montrose besaß eine so eigene Art, solche Dinge zu verlangen und den Betreffenden dabei anzusehen, daß der Widerspruch seiner Tochter in einem unverständlichen Gemurmel erstarb, von dem er gar keine Notiz nahm. Er hatte ihr nur noch aufgetragen, jedenfalls alles wörtlich zu bestellen, und sie hatte an ihren Botho gedacht, der trotz des Weihnachtsfestes eine so gedrückte Miene aufsetzte, was jedenfalls mit Geld zusammenhing, mit Geld, das Papa schaffen mußte ... also galt es, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und zu diesen Doßbergs hinüberzugehen. Gern hätte Clémence die „bescheidene Weihnachtsgabe“, die ihr Vater der schönen Ilse verehrte, gesehen, allein Herr von Montrose hatte ihr das Päckchen versiegelt übergeben, und sie durfte nicht wagen, es ohne weiteres zu öffnen. Sicher irgend ein Schmuckgegenstand, und zwar kein billiger – Papa schenkte nichts Schlechtes. Das fehlte gerade noch, dieser hochmütigen Prinzessin solche Aufmerksamkeiten zu erweisen, damit sie noch eingebildeter wurde, als sie schon war! Wie sie sich nur jetzt wieder benahm! Wurde sie nicht abwechselnd rot und blaß und ließ sie eine ganze Weile mit dem Geschenk in der Hand dastehen, ohne es ihr abzunechmen? Und als sie es endlich that, setzte sie es nicht so eilig wieder hin, als habe sie sich daran verbrannt? Und wie sie dann dankte! So leise, so hastig, daß es kaum zu verstehen war! Und das war Ilse Doßberg, die sie, Clémence, von Georges sich beständig zum Muster aufstellen lassen mußte, die er so entzückend „schick“ fand! Benahm sich diese Prinzessin nicht so kindisch und unbeholfen wie ein Schulmädchen? Wenn Georges sie jetzt sehen könnte! Aber nein, der würde auch dies „unendlich reizvoll“ finden – die hübsche Larve hatte ihn eben bestochen!

Baron Doßberg nötigte Clémence zum Sitzen und redete ein paar verbindliche Worte. Fräulein von Montrose sah sich indessen mit erstaunten Augen um – sie war lange nicht hier gewesen bei „Papas Verwalter“, wie sie den Baron mit Vorliebe nannte; aus eigenem Antrieb kam sie überhaupt nie. Wie das hier aussah! Man saß ja im reinsten Frühlingsgarten! Soviel von den schönsten Blumen schickte Papa hierher – diese Verschwendung! Darum also hatte sie gestern im Gewächshaus, als sie die Blumen zum Zimmer- und Tafelschmuck für das Fest aussuchte, eine so beschränkte Auswahl angetroffen! Was da für Exemplare von Azalien und Kamelien, von Fliederbäumchen und Maiblumenbüschen standen! Wenn es nicht so lächerlich wäre, man könnte wahrhaftig denken ...

Mechanisch erwiderte Clémence einige Redensarten auf des Barons höfliche Bemerkungen, sie erhob sich sehr bald wieder, um zu gehen. Die Atmosphäre war ihr nicht geheuer hier. Doßberg geleitete den Gast bis zur Hausthür, wo der Bediente seine Herrin erwartete.

(Fortsetzung folgt.)




Behandlung der Diphtherie mit Citronensäure.

In den letzten Jahren ist es den eifrigen Bemühungen der Aerzte gelungen, das früher so rätselhafte Wesen der Diphtherie, des gefürchteten Würgengels unserer Kinderwelt, näher zu ergründen. Professor Löffler in Greifswald hat zuerst zweifellos nachgewiesen, daß die Krankheit durch einen bestimmten Bacillus hervorgerufen wird. Dessen Keime gelangen auf die Schleimhaut im Munde oder Rachen des Kindes, vermehren sich hier und erzeugen zunächst eine örtliche Entzündung. Während aber die Bacillen fortleben, bilden sie giftige Stoffe, welche durch die verletzten Stellen der Schleinthaut in das Blut gelangen und eine schwere mit Fiebererscheinungen verbundene allgemeine Erkrankung des Körpers herbeiführen.

Diese Erkenntnis zeigte dem Arzte die Wege, auf welchen er die Bekämpfung des Leidens anzustreben hatte. Einerseits mußte er suchen, die Diphtheriebacillen in dem Belag der erkrankten Schleimhaut zu vernichten und auf diese Weise deren Giftbildung hintanzuhalten; anderseits mußte er auf Mittel bedacht sein, welche die verderblichen Wirkungen des Diphtheriegiftes im Körper aufheben würden.

Was nun die letztere Aufgabe anbelangt, so ist man seit Jahr und Tag damit beschäftigt, aus dem Blute gegen die Diphtherie immun gemachter Tiere Stoffe zu gewinnen, welche sozusagen als Gegengifte gegen das Diphtheriegift helfen könnten. Was man in dieser Hinsicht bis jetzt erreicht hat, das berechtigt uns wohl zu den besten Hoffnungen für die Zukunft; aber die Forschung ist noch nicht so weit fortgeschritten, daß man ihre Ergebnisse im praktischen Leben beim kranken Menschen anwenden könnte.

Viel günstiger ist dagegen der Arzt gestellt, wenn er an die Bekämpfung der Bacillen selbst geht. Es ist eine ganze Anzahl von Desinfektionsmitteln bekannt, welche Diphtheriebacillen töten. Professor Löffler in Greifswald hat selbst sehr eingehende Untersuchungen darüber angestellt, indem er frische lebenskräftige Diphtheriebacillen mit verschiebenen Flüssigkeiten übergoß, diese Flüssigkeiten 10, 20 bis 30 Sekunden oder länger einwirken ließ und dann prüfte, ob die Bacillen abgetötet waren oder nicht. Diese Versuche ergaben recht wertvolle Fingerzeige. Manches Mittel, das früher als sehr brauchbar gepriesen wurde, erwies sich als gänzlich erfolglos. So zeigte z. B. das so oft verwendete chlorsaure Kali in fünfprozentiger Lösung selbst nach einer Dauer von 60 Sekunden gar keine Wirkung; auch gesättigtes Kalkwasser versagte dem Diphtheriebacillus gegenüber. Dagegen hat eine Reihe anderer Mittel sich trefflich bewährt.

Zwei Quecksilberpräparate, das Sublimat und das Quecksilbercyanid, ferner Chlorkalklösung, Chlor- und Chloroformwasser zeigten in bestimmten Verdünnungen sichere bacillentötende Wirkung selbst in der kurzen Zeit, während der eine Gurgelung ausgeführt wird; es sind dies bei Erwachsenen höchstens 30, bei Kindern höchstens 15 Sekunden. Leider aber waren die wirksamsten Mittel derart beschaffen, daß man sich nicht entschließen konnte, sie für den gewöhnlichen Gebrauch als Vorbeugungsmittel gegen Diphtherie zu Gurgelungen zu empfehlen. Zum Teil waren sie starke Gifte, zum Teil besaßen sie ätzende Eigenschaften; so mußte deren zweckmäßige und vorsichtige Verwendung dem Arzte überlassen werden.

Und doch ist es von höchfter Bedeutung, ein Mittel zu kennen, das ohne schädliche Nebenwirkungen imstande wäre, die Diphtheriebacillen zu töten, das man in verdächtigen Erkrankungsfällen sofort anwenden und mit dessen Hilfe man die Entwicklung der Krankheit wenigstens bis zur Ankunft des Arztes zum Stillstand bringen könnte.

Es war nun seit langer Zeit bekannt, daß verschiedenen Pflanzensäuren und ätherischen Oelen keimtötende Elgenschaften innewohnen. Bis zu einer gewissen Grenze liefert uns die im Haushalt so vielfach verwendete Citrone antiseptische Stoffe. Löffler hat darauf hingewiesen, daß das Citronenöl, das ja so angenehm erregend auf das Nervensystem wirkt, die Entwicklung der Diphtheriebacillen zu hemmen vermag, Abadie und Babés fanden, daß auch die Citronensäure nach längerer Einwirkung den fraglichen Feind der Kinderwelt zu töten pflegt.

Neuerdings hat nun Dr. Hugo Laser im hygieinischen Institut zu Königsberg i. Pr. die Wirkung der Citronensäure auf Diphtheriebacillen genauer untersucht. In ihrer keimtötenden Kraft steht sie den früher erwähnten Mitteln nach, immerhin aber werden durch eine fünfprozentige Citronensäurelösung die Diphtheriebacillen in vier bis fünf Minuten sicher vernichtet.

Dr. Laser stellte noch einige Versuche an Tieren an, und da dieselben günstig ausfielen, so behandelte er auch an Diphtherie erkrankte Menschen mit Citronensäure und Citronensaft. Laut seinem in der „Hygieinischen Rundschau“ veröffentlichten Berichte war der Erfolg der Behandlung folgender: von den betreffenden Kranken wurde bei 15 durch bakteriologische Untersuchung zweifellos die Diphtherie festgestellt. Vierzehn dieser Kranken wurden in drei Tagen geheilt, ein Kind erlag seinem Leiden. Außerdem wurden 82 Kranke, die an nicht diphtheritischer Halsentzündung litten, mit Citrmtensäure behandelt und sämtlich in ein bis zwei Tagen geheilt. Man kann daraus selbstverständlich nicht schließen, daß die Citronensäure ein spezifisches Heilmittel gegen Diphtherie sei, aber man muß zugeben, daß sie einen guten Einfluß auf den Verlauf dieser Krankheit, sowie der Halsentzündungen überhaupt ausübt. Die Behandlung ist dabei recht einfach. Dr. Laser ließ eine fünf- bis zehnprozentige Lösung von Citronensäure herstellen, davon einen Eßlöffel in einem Glase Wasser verdünnen und damit die größeren Kinder stündlich gurgeln. Kleinere Kinder, die noch nicht gurgeln konnten, bekamen von der Verdünnung ein- bis zweistündlich einen Theelöffel innerlich einzunehmen. Nebenbei erhielten die Kinder Stückchen von rohen Citronen zu essen. Die Kinder nahmen die Scheiben in den Mund, kauten sie gründlich durch, verschluckten den Saft mit großem Genuß und spuckten den Rest aus, einige verzehrten bis zu zwei Citronen in vierundzwanzig Stunden, ohne daß danach üble Folgen bemerkt worden wären.

Unter diesen Umständen ist es wohl angebracht, auch die Aufmerksamkeit eines weiteren Leserkreises auf diese Verwendung des Citronensaftes zu lenken. Sicher ist es unbedingt nötig, bei irgendwie verdächtigen Halserkrankungen der Kinder so schnell wie möglich den Arzt herbeizurufen. Bis zu seinem Erscheinen jedoch kann man die kranken Kinder mit Citronenlimonade gurgeln lassen und ihnen Citronenscheiben zu kauen geben. Citronen sind ja überall zu haben, selbst in Orten, wo es keine Apotheke giebt, und so billig, daß sie von jedermann benutzt werden können. C. Falkenhorst.     



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_219.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2021)