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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Die Bauten der Termiten.

Von C. Falkenhorst. Mit Zeichnungen von G. Schmidt und Franz Leuschner.

Der Forschungsreisende Max Buchner giebt uns eine klare Anleitung, wie wir uns das Bild der innerafrikanischen Savanne vergegenwärtigen können: „Man streue zuerst überall, soweit die Oberfläche ziegelrot ist, einige Millionen gleichfalls ziegelroter Termitenhügel, unregelmäßige Pyramiden von mehreren Metern Höhe, so dicht, daß auf jedes Hektar mindestens fünf kommen. Dann nehme man die vierfache Quantität Bäume und pflanze sie so auseinander, daß ihrer auf ein Hektar bald mehr, bald weniger als zwanzig kommen. Desgleichen verfahre man mit einer ähnlichen Anzahl Gebüschindividuen. Schließlich fülle man alle Zwischenräume mit hohem derbhalmigen Grase aus, doch so, daß rings um die mächtigen Büschel noch immer etwas nackte rote Erde unbedeckt bleibt, und die Savanne Innerafrikas, jener ewige lichte Wald ohne Schatten, noch nicht sehr beeinträchtigt von der zerstörenden Thätigkeit des Menschen, ist fertig.“

So erscheinen die Termitenhügel als charakteristische Merkmale der afrikanischen Landschaft, und sie sind es, was dem Reisenden beim Betreten Innerafrikas zuerst auffällt – diese Hügel, die, teils niedrig und massenweise über die Ebene hingestreut, dieser ein kirchhofartiges Aussehen verleihen, teils einzeln obeliskenförmig aufragen. Gespenstig tauchen sie aus dem hohen Grase empor und sehen namentlich bei Abend oder in der Mondbeleuchtung ganz unheimlich aus.

Durchschnitt eines Termitenhügels.

Die Erbauer dieser Hügel, die „Termiten“ oder die weißen Ameisen, sind kleine Insekten mit aufgeschwelltem, gelblich weißem Leib und länglicher, verhältnismäßig großer Brust von fettig brauner Farbe. Sie sind übrigens in Wirklichkeit keine Ameisen, sondern gehören zu der weit geringeren Familie der Termitiden, und wie ihr Ansehen nicht verlockend ist, so sind auch ihre Thaten auf den ersten Blick verabscheuungswürdig, sie werden, wie kaum ein anderes Insekt, von dem Menschen gehaßt – und mit vollem Rechte.

„Man kann wahrhaftig sagen,“ schreibt ein Reisender, „daß es Gegenden in Afrika giebt, wo einer mit einem hölzernen Bein sich schlafen legen und dasselbe am nächsten Morgen in Sägemehl verwandelt sehen könnte.“ Das besorgen über Nacht die Termiten. Sie zernagen alles, Balken und Pfosten der Häuser, Tische, Stühle und Schränke, eine starke Holzkiste kann in einer einzigen Nacht durch und durch gefressen werden; Bücher, Leder, Tuch, alles fällt ihnen zum Opfer – nur Eisenblech ist vor diesem Raubgesindel sicher, und merkwürdigerweise auch, nach dem Zeugnis Franz Leuschners, das europäische Kiefern- und Fichtenholz, das zu Bauzwecken nach Afrika gebracht worden war.

Die Zerstörungswerke sind überall zu finden, aber die Zerstörer selbst sind nur selten sichtbar. Sie gehen verstohlen, heimtückisch an ihre Arbeit. Sie sind blind, nur die Königin und der König haben Augen mit Ausnahme der Soldaten, die nur 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung betragen, sind sie auch wehrlos, und darum lassen sie sich nicht blicken. Und doch müssen sie ihre unterirdische Wohnung verlassen und totes Holz aufsuchen, wenn sie nicht verhungern wollen.

Gelingt es einmal, ein solches Insekt auf seinen Raubzügen zu beobachten, so ist das ein höchst merkwürdiger Anblick. Es dringt langsam, aber stetig vor. Hier ist eine Oeffnung in der Erde. Ein kleiner Kopf erscheint in ihr mit einem Klümpchen Erde in dem Mund. Das Klümpchen wird niedergelegt und bald erscheint ein neuer Kopf mit einem neuen Baustein, der mit einer klebrigen Ausscheidung des Insektes überzogen ist. Er wird an den ersten gekittet; so bauen die Arbeiterinnen unermüdlich eine Erdröhre, während vor der Oeffnung desselben die Soldaten Wache halten und andere feindliche Insekten abwehren. Der Gang wird aufs Geratewohl fortgeleitet, bis er auf ein abgestorbenes Holzstück stößt, dann dringen die Termiten in dasselbe ein und zerstören es im Innern, während es an der Oberfläche unversehrt bleibt.

Diese Röhrengänge der Termiten sind noch wunderbarer als ihre Hügelbauten. Sie sind vom Durchmesser einer schwachen Gasröhre und ziehen sich an Baumstämmen bis in die hohen Zweige hinauf, um nach vielen Zickzackwindungen einen abgestorbenen Ast zu erreichen. In manchen Gegenden, wie auf der Hochebene zwischen dem Njassasee und dem Tanganjika, kann man durch die lichten Wälder stundenlang wandern und dabei jeden Baum mit diesen Gängen überzogen sehen.

Ja, die Termiten halten auf Ordnung in der Natur. Eine gewisse Sauberkeit fällt einem in den lichten Parklandschaften Innerafrikas sofort auf, es sieht alles so gekehrt und gefegt aus, daß man sich unwillkürlich fragt, ob es denn hier Heinzelmännchen gebe, die so hübsch Ordnung halten. Und es giebt in der That solche. Waldkehrer der verschiedensten Art sind fortwährend damit beschäftigt, alle Tierreste fortzuschaffen, vom gefallenen Elefanten an bis zur toten Mücke, und was ihnen nicht als Nahrung dient, das schaffen sie bei Seite und begraben es in der reinigenden Erde. Denselben Dienst leisten Millionen Termiten der Pflanzenwelt, indem sie alle Pflanzen und Bäume, alle Stämme, Aeste, jedwedes Pflanzengewebe vernichten, sobald die Hand des Todes daran gerührt hat. Wie oft in diesen Wäldern glaubt man Stöcke, Aeste oder Bündel von Reisholz am Boden liegen zu sehen, und wenn man näher zuschaut, sind’s Scheingestalten voll Erde!

Doch kehren wir zu den Termitenhügeln zurück! Ihr Inneres, welches die obenstehende Abbildung veranschaulicht, ist von zahllosen Gängen und Kammern durchzogen; da finden wir Vorratsräume und Bruträume, in denen unter sorgsamer Pflege das junge Geschlecht der Termiten heranreift, und tief zu unterst, oft in der Erde selbst, liegt die Hauptkammer, die Wohnung der Königin. Die Termiten bilden ja so zu sagen ein Königreich und ihr Staat setzt sich aus verschiedenen Ständen zusammen. (Vergl die Abbildung S. 270) Da sind zunächst diejenigen zu nennen, die für die Erhaltung der Art Sorge tragen. Es sind dies Männchen und Weibchen, mit leicht vergänglichen Flügeln versehen, welche sich zu „Königspaaren“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_269.jpg&oldid=- (Version vom 26.6.2023)