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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Nr. 19.   1894.
      Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

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Die Martinsklause.
Roman aus dem 12. Jahrhundert.
Von Ludwig Ganghofer.
(18. Fortsetzung.)


Ulla und zwei Dirnen deckten in der Stube den Tisch, und Herr Waze saß auf seinem Spanbett, als der Knecht hereinstürzte. „Herr, Herr!“ rief dieser atemlos.

„Was schreist Du denn wie ein Jochgeier! Halt Dein Maul!“

„Einer kommt, einer von den Kuttenleuten,“ keuchte der Knecht, „und es muß der Oeberste von ihnen sein, denn er hat mich angeschaut mit Herrenaugen. Der bringt nichts Gutes!“

Herr Waze wurde blaß und rot. „Hol’ ihn der Teufel!“ stotterte er und sprang zornig auf. „Das hab’ ich jetzt von dem heillosen Unsinn, den Ihr getrieben heut’ am Morgen!“ Er hob die Faust, doch er schlug nicht. „Das Kreuz, das Kreuz – wo ist das Kreuz, das über Frau Frideruns Bett gehangen?“

„Ich weiß nicht,“ stammelte der Knecht.

„Keiner hat’s haben mögen,“ sagte die alte Magd mit scheuen Worten, „so hab’ ich’s in meine Kammer gehängt.“

„Her in die Stub’ damit!“ kreischte Herr Waze, „neben dem Ofen muß es hängen … da sieht er es gleich!“ Die Mägde eilten aus der Stube. „Und Du, hinaus in die Kammer! Die Buben sollen Ruh’ halten und keiner soll sich blicken lassen. eh’ ich nicht selber nach ihnen ruf’!“ Der Knecht rannte davon.

Mit beiden Händen griff sich Herr Waze an den Kopf, alles wirbelte in ihm. „Wär’ nur Rimiger schon daheim von der Salzaburg, so wüßt’ ich doch, wie ich dran bin!“ Da hörte er das Knarren der Fallbrücke, und im Zwinger schlugen die Hunde an; nur kurz, dann verstummten sie wieder. Herr Waze stand, wie befallen von abergläubischem Schreck. „Die Hund’ schweigen? Als käm’ einer, der zum Haus gehört, oder einer, den sie fürchten?“ so lallte er vor sich hin. „Fürchten? Fürchten? Wen soll ich denn fürchten, in meinem Haus, mitten unter meinen Knechten?“ Er wollte lachen, doch das Lachen gelang ihm nicht. Seine Augen starrten ins Leere, und er drückte die Hände über die Ohren, denn ihm war, als klänge von irgendwo eine gellende Weiberstimme: „Hab’ nur acht, Du, hab’ nur acht! Einer wird noch kommen über Dich … der soll vergelten was Du an mir gethan!“

Herr Waze schüttelte den Kopf und wehrte mit der Hand; aber das Bild, das aus vergangenen Zeiten vor ihm aufgestiegen, wollte nimmer weichen. Ihm war, als stünde er im Hof, lachend, im vollen Haar noch und schwarz gebartet … und vor ihm die Salmued, mit gefesselten Händen, Verzweiflung in den Augen und Schaum auf den verzerrten Lippen, welche schrien „Hab’ nur acht! Einer wird noch kommen über Dich … der soll vergelten was Du an mir gethan!“ „Wirf sie auf


Diensteifer.
Nach einem Gemälde von Karl Müller.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_309.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2021)