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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

steckte die Karten wieder ein. „Ich kann ja warten, bis meine Alte fertig ist und die Frau Sekretär etwa zum dritten Mann Luft hat.“

Ida sah rasch auf. „Wenn das eine Anspielung darauf sein soll, Herr Schöneberg, daß meine Mutter schon zweimal verheiratet gewesen ist –“

Er blickte sie eine Weile ganz verdutzt an, ehe er sie verstand. „Nun wird’s gut!“ rief er und legte die Hand schwer auf den Tisch. „Ich soll anspielen, bevor noch Karten gegeben sind.“

„Es klang doch ein bißchen spitz,“ meinte Ida.

„Ja, wenn mir durchaus etwas untergelegt werden soll –“

„Nimm meinen alten Plaid,“ fiel Opitz trocken ein, „der hält’s aus.“ Nun lachte die schöne Frau. Das war Schöneberg denn doch zu viel. „Du – wenn das ein Witz sein soll –“

Opitz verzog keine Miene. „Na, ganz im Ernst,“ sagte er treuherzig, „falls Dir die Bank zu hart ist!“

Schöneberg hob das runde Kinn aus der Krawatte. „Rücke ’mal ein bißchen aus der Sonne,“ spöttelte er, „sie sticht heute bedenklich.“

„Aber meine Herren!“

Opitz warf Ida eine Kußhand zu. „Bleiben Sie ganz ruhig, schöne Frau, ich nehme meinem Schwager nichts übel.“ Er reichte ihm die Hand. „Na – vertragen wir uns.“

„Dummes Zeug,“ knurrte Schöneberg.

Es war Opitz nicht gelungen, ihn fortzuärgern. Er sann auf ein anderes Mittel. „Hast Du eigentlich heute schon die Zeitung gelesen?“ fragte er. Schöneberg fürchtete eine neue Hänselei. „Wieso meinst Du?“ fragte er etwas borstig.

„Na – Deine Frau hat den Kuchen darin eingewickelt. Da liegt sie noch.“ Auf dem Tisch lag wirklich ein großes Zeitungspapier, an einigen Stellen durchfettet. Schöneberg nahm es auf und prüfte das Datum. „Wirklich das heutige Morgenblatt! Darum konnt’ ich’s nicht finden. Die Weiber haben gar keinen Respekt vor so etwas.“ Er blickte sogleich hinein. „Sauregurkenzeit freilich, aber man will doch auf dem Laufenden bleiben. Telegraphische Depeschen wenigstens, und die Unglücksfälle … Na ja, da haben sie in Frankreich wieder einen harmlosen Reisenden als Spion abgefaßt!“ Er überflog den Inhalt weiter. „Sieh, sieh, sieh – Blaselwitz und Neureiter pleite! Mit denen hab’ ich auch einmal Geschäfte gemacht, als ich noch die Fabrik hatte.“ Er wollte sich bequem hinsetzen, vergaß dabei aber, daß der Bank die Lehne fehlte, und verlor das Gleichgewicht.

Opitz schlug ihm vor, sich’s auf dem Rasen bequem zu machen. Unter der Eiche zeige sich ein prächtiges Naturkanapee. „Und wenn Du meinen alten Plaid –“

„Fängst Du schon wieder an?“ brummte Schöneberg, streckte sich aber doch auf der Rasenbank aus und fand es sehr behaglich, so im Liegen die Zeitung zu lesen und seine Cigarre dazu zu dampfen. Er wurde wieder gemütlich. „Weißt Du, wenn man sich nun noch den Rock ausziehen könnte …“

„Genieren Sie sich meinetwegen gar nicht,“ bat Ida, „ich sehe nichts.“

„Anerkennenswert liberal! Na, wenn Sie gütigst erlauben …“ Er stand wieder auf. Sein Schwager half ihm beim Ausziehen des Rockes, rollte ihn zusammen und legte ihn ihm unter den Kopf. Dann kehrte er zum Tisch zurück. Nun meinte er, bald so weit zu sein, mit der schönen Frau ein ernstes Wort sprechen zu können. Er setzte sich ihr gegenüber und stützte die Ellbogen auf. „Sie sollten aber doch nicht so schrecklich fleißig sein, verehrteste Frau“ begann er nach einer Weile.

„Es ist nur, daß man etwas in der Hand hat. Sie haben ja die Cigarre.“

„Ich lege sie fort, wenn Sie mir versprechen –“

„Nein, rauchen Sie nur!“

Er blies dicke Rauchwolken in die Luft, steil an seiner Nase vorbei. Wieder vergingen einige Minuten. „Wissen Sie – hm, hm,“ stotterte er, „daß ich mir vorgenommen hatte, Ihnen heute eine Gewissensfrage vorzulegen?“

„Ach!“

Schöneberg ließ ihm nicht das Wort. Er fing plötzlich an zu schnaufen. „Wieder ein Zusammenstoß auf der Eisenbahn! Die Maschine und zwei Wagen kaput!“

Opitz fügte sich. „Falsche Weichenstellung, was? Ja, die Leute haben im Dienst nicht genug Ruhe.“ Er meinte ihn befriedigt zu haben. „Wenn ich wagen dürfte, Frau Ida –“

Aber nun zeigte sie Lust, die Unterhaltung mit Schöneberg fortzusetzen. „Doch kein Mensch verunglückt?“ fragte sie.

„Drei Ochsen gänzlich zermalmt,“ antwortete er. Ida bedauerte. Opitz sprach etwas von Lebensreisen, Entgleisungen, Dampfgeben und dergleichen.

„Wollen Sie zur Eisenbahn?“ fragte sie verwundert.

„Ach, ich mein’s nur so bildlich!“ entgegnete er. „Es wird wirklich Zeit für mich, zu heiraten. Worauf soll ich warten? Wenn man in die Jahre kommt und hat sich etwas erarbeitet und das Geschäft geht gut, so steht eigentlich gar nichts im Wege.“ (Schluß folgt.)



Blätter und Blüten.

Der Pelikan und die Pelikanjagd. (Zu den Bildern S. 360 u. 361.) Der gemeine Pelikan bewohnt vorzugsweise Nordafrika, ist in Egypten und auf dem Roten Meere in solchen Massen vorhanden, daß das Auge oft nicht imstande ist, die Scharen zu überblicken, findet sich aber auch schon häufig in Südungarn und Griechenland, in sehr großer Anzahl am Schwarzen Meere. Oft verfliegen sich Exemplare nach Deutschland, wie z. B. vor einer Reihe von Jahren eine Herde von 130 Stück am Bodensee erschien. Wie alle Scharben maßlos gefräßig, ist der große Vogel in kultivierten Ländern der Fischzucht so schädlich, daß er verfolgt werden muß; dem Reichtume der Meere, des Nils und der afrikanischen Seen freilich thun auch die Pelikane keinen Abbruch.

Ihre Fischzüge betreiben die verständigen, unter sich sehr verträglichen Vögel nach einer ganz bestimmten Ordnung. Sie können nicht tauchen, sondern müssen von der Oberfläche des Wassers aus fischen. Deshalb sind sie gezwungen, ihre Nahrung in ziemlich seichtem Wasser – süßem oder salzigem – zu suchen. Um ihr Jagdgebiet möglichst auszubeuten, verteilen sie sich in der Form eines weiten Halbmondes und schwimmen dann gegen das Ufer zu, den eingeschlossenen Wasserraum buchstäblich ausfischend.

Die Morgenstunden sowie den Nachmittag benutzen sie zu dieser Jagd. Die Mittagsstunden sind der Verdauung gewidmet und dem Putzen des Gefieders. Das „Mittagsschläfchen“ hält jeder Vogel in der ihm bequemsten Stellung ab, wodurch ein außerordentlich bizarres Bild entsteht. Sehr gerne schlafen sie auf Bäumen, viele lieben es aber auch, sich platt auf den Bauch zu legen, wieder andere schlafen auf einem Beine stehend, wie man dies bei den Gänsen häufig sieht.

Für den Ornithologen ist das sumpfige Delta, welches die Narénta in Dalmatien vor ihrem Ausfluß ins Adriatische Meer bildet, ein wahres Paradies, überreich an allerlei Wassergeflügel und so auch an Pelikanen. In neuester Zeit freilich werden diese „glücklichen Jagdgründe“ inmitten eines Kulturlandes mehr und mehr beschränkt, da die österreichische Regierung jetzt die Entsumpfung des Naréntathales und die Regulierung des unteren Laufes der Narénta ausführt. Die Pelikanjagd ist nun aber ein sehr mühseliges und oft erfolgloses Beginnen, wie ich aus den Erzählungen eines befreundeten Naturforschers entnehme, der einmal dort zu jagen Gelegenheit hatte.

In den mächtigen Sümpfen hatten sich die Pelikane zu ihrer Brutansiedlung Stellen ausgewählt, die jeder Möglichkeit, bis zu ihnen durchzudringen, zu trotzen schienen. Mehrmals wurde der Versuch gemacht, mit Kähnen in Schußnähe zu kommen. Allein die Klugheit der Vögel spottete jeder menschlichen List. Wohl sah man überall die prachtvoll weißen Geschöpfe mit einer Leichtigkeit, als wären es Spielzeuge aus Kork, auf dem Wasserspiegel dahinschwimmen, aber dem Boote wichen sie mit der größten Sorgfalt aus.

Nach einem Tage vergeblicher Anstrengung wurde beschlossen, dennoch auf eine der Inseln, wo die Niederlassungen der Pelikane waren, vorzudringen. Die Schwierigkeiten dieses Ausfluges müssen grenzenlos gewesen sein. Nur durch ein Meer von scharfem schneidenden Schilf und Rohr konnten sich die Jäger den Weg bahnen, durch und über höchst bedenkliche Sumpfstellen mußte der Marsch gewagt werden. Ein gräßlicher verpestender Gestank, hervorgerufen durch den die ganze Insel düngenden Unrat der Vögel und unzählige faulende Fische, erhöhte die Unannehmlichkeiten. Die ärgste Qual aber wurde durch Tausende und Abertausende von Stechmücken bereitet. Endlich lohnte der Erfolg.

Eine Reihe feuchter, aus Rohr und Schilf zusammengetretener Nester mit reicher Eierausbeute bot sich den kühnen Eindringlingen, und fast vor den Füßen der Jäger erst konnten sich die getreuen Mütter zum Abfliegen entschließen. Der Pelikan fliegt wahrhaft schön. Den Hals Sförmig gebogen, schwebt er gleitend einige Meter weit dahin und schraubt sich dann kreisend in höhere Luftschichten empor. Wohl durch das dichte Luftpolster, welches unter der Haut des Vogels liegt und die wunderbare Leichtigkeit seines Schwimmens bedingt, ist fast jede Verwundung durch Schußwaffen von sofortiger verheerender und tödlicher Wirkung. Auch mein Freund schildert lebhaft den überraschenden Eindruck seines ersten Schusses: „Der Pelikan zuckte zusammen; die Flügel wurden sofort schlaff, er sauste nieder und stürzte klatschend auf die Wasserfläche. Obwohl ihn mein vorzüglicher Wasserhund fast augenblicklich apportierte, war der große Vogel schon ohne jedes Lebenszeichen, als ich ihn erhielt.“

„Und dennoch“, meinte mein Freund, „so erfolgreich unsere Jagd

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_371.jpg&oldid=- (Version vom 27.6.2023)