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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

steigern. Sie mußte dahinter kommen, es koste, was es wolle! Und sie kam dahinter! Eines Nachmittags, als wieder der besagte Rechtsanwalt zu Tisch da war und die Schwester gar so befangen an den Speisen geknabbert, am Glase genippt hatte, war die Gelegenheit günstig. Selbst einem weniger argwöhnischen Beobachter hätte es auffallen müssen, daß plötzlich die blonde Lise aus dem Eßzimmer verschwunden war, desgleichen der verdächtige Rechtsanwalt. Wo mochten sie stecken? Draußen auf der Veranda? – Nichts! – Im Wohnzimmer nebenan? Auch da alles leer! – Doch nein – hört man hier nicht eine murmelnde Männerstimme und leises Lispeln von Frauenlippen? Das müssen sie sein! Wie der Wind ist Annchen an dem halb zurückgezogenen Thürvorhang, der den Salon vom Wohnzimmer trennt, und da steht sie und lauscht, und vor lauter Aufregung versteht sie kein Wort von dem, was die da drinnen verhandeln. Aber das ist ja auch ganz gleichgültig, eins steht fest, und das genügt ihr: die zwei da drinnen sind einig, sie hat es herausgebracht, das große Geheimnis!

Nur eins trübte Annchens stolze Genugthuung: daß das Geheimnis noch am selben Nachmittage aufhörte, ein Geheimnis zu sein.

Eine deutsche Industrie in den Urwäldern von Formosa. Von den fernen malayischen Inseln wird einer der köstlichsten Riechstoffe, das „Ylang-Ylang-Oel“, nach Europa gebracht. Es bildet einen wichtigen Bestandteil der feinsten Taschentuchparfüme, aber wie wenige, die in Deutschland sich an diesem Duft ergötzen, haben eine Ahnung davon, daß deutsche Apotheker und Chemiker auf Manila und anderen Inseln des malayischen Archipels aus den Blüten des Ylangbaumes das Ylangöl destillieren!

Seit einigen Jahren sind nun unsere Landsleute auch in die Urwälder der Insel Formosa eingedrungen, um dort den Kampfer zu gewinnen, der den Europäern erst durch die Araber bekannt wurde und nunmehr ein wertvolles Heilmittel bildet. Er wird auch von Hausfrauen als Mittel zur Vertreibung des Ungeziefers benutzt, und seine Verbindungen gewinnen gegenwärtig in der Technik eine immer größere Bedeutung. Es giebt verschiedene Sorten des Kampfers: diejenige, die nach Europa verschifft wird, ist der Lorbeerkampfer, der aus einem hochwachsenden Baume, dem Laurus camphora, gewonnen wird. Japan lieferte bis jetzt am meisten davon, es hat im Jahre 1892 rund 17500000 Kilogramm nach allen Weltteilen verschifft. In Japan wird der Baum regelrecht kultiviert, die Forsten stehen unter behördlicher Aufsicht, und wer einen Kampferbaum niederlegt, ist verpflichtet, dafür einen neuen zu pflanzen.

Seit einiger Zeit ist aber der Kampfer von der chinesischen Insel Formosa mit dem japanischen in einen ernsten Wettbewerb getreten, und dies ist eben das Werk einiger unternehmender Deutschen, die sich dort niedergelassen haben.

Die Insel Formosa, die etwa zweieinhalbmal so groß ist wie das Königreich Sachsen, bildet eine chinesische Provinz, aber das Ansehen der Regierung beschränkt sich lediglich auf das Küstengebiet. In den hohen Bergen des Innern herrschen noch wilde kriegerische Eingeborene, die in den ausgedehnten Urwäldern ihren Feinden leicht zu trotzen vermögen. In jenen unwegsamen Gebirgswäldern gedeiht nun der Kampferbaum, und in diese Wildnis muß jeder eindringen, der ihn gewinnen will. Die Eingeborenen sehen jedoch die Fremden nicht gern und geben nicht immer die Erlaubnis, so daß man stets auf heimtückische Ueberfälle und blutige Kämpfe gefaßt sein muß.

Trotz dieser Mühen und Gefahren haben einige Deutsche in der Nähe des Hafens von Tamsui im Norden der Insel eine Niederlassung gegründet, von welcher aus Expeditionen in die Gebirgswälder unternommen werden. Wird nach einem drei bis vier Tage langen Marsche durch die Wildnis eine Gegend entdeckt, die reich an Kampferbäumen ist, so baut man hier Blockhütten und richtet sich für Monate ein, denn der Kampfer muß an Ort und Stelle gewonnen werden.

Der Baum „Laurus Camphora“ erzeugt in seinen Blättern das Kampferöl, welches von hier durch die Zweige in das Holz gelangt und in diesem zu dem weißen Kampfer auskrystallisiert. Aus dem Holze muß also der Kampfer herausgezogen werden.

Zu diesem Zwecke werden die Bäume gefällt und zerkleinert, die Holzspäne mit Wasser in Destillierblasen gebracht und diese auf offenes Feuer gesetzt. Mit den Wasserdämpfen entweichen Kampferöl und Kampfer, werden aber in Kühlvorlagen wieder verdichtet, und man sieht auf dem Wasser des Kühltroges Oel und Kampfer schwimmen. In Japan sammelt man beide Stoffe, denn das Kampferöl eignet sich ausgezeichnet zur Bereitung vorzüglicher Lacke; auf Formosa würde der Transport des Oels nicht lohnen, weshalb man dort nur den Kampfer abschöpft. Die Apparate sind sehr einfach; sie bestehen aus Kesseln mit Hauben, Bambusröhren und Holztrögen als Kühlvorlagen. An einem Tage gewinnt man von einer 100 Kilo schweren Füllung etwa 2 bis 3 Kilo Kampfer; ein starker 50jähriger Baum giebt 1 Pikul, d. h. 60 Kilo Kampfer, ein Gewicht, für das in Europa sehr verschiedene Preise bezahlt werden, denn im Jahre 1892 schwankte der Kampferpreis auf europäischen Großmärkten von 150 bis 270 Mark für das Pikul.

Sind die brauchbaren Bäume gefällt und abdestilliert, so wird der Kampfer auf dem Rücken chinesischer Träger in die Niederlassung bei Tamsui gebracht, hier noch einmal gereinigt und in lange mit Stanniol ausgelegte Kisten verpackt. Von Tamsui wandert er nach Hongkong, dessen Hafen den Stapelplatz des chinesischen Kampfers bildet.

Diese Industrie der Deutschen in den wilden Urwäldern von Formosa ist keineswegs unbedeutend. Die Niederlassung verfügt über 900 bis 1000 Destillierapparate, die fast fortwährend in den Urwäldern dampfen, und ihre Erfolge sind keine geringfügigen. Im Jahre 1891 wurden von Formosa nur 2885 Kisten verschifft, von denen jede etwa ½ Centner Kampfer faßte. Im Jahre 1892 stieg die Ausfuhr auf mehr als das Doppelte und betrug 6896 Kisten. Es ist dies ein Erfolg deutschen Fleißes und Unternehmungsgeistes, der bis jetzt weiteren Kreisen in der Heimat nicht bekannt geworden ist. *     

Vor und nach der Schlacht. (Zu den Bildern S. 496 und 497.) Die ansprechenden Genrebilder G. von Boddiens versetzen uns in die Zeit des Siebenjährigen Krieges; das erste zeigt uns die heitere Sorglosigkeit des Soldatenlebens, welche den Augenblick erfaßt und auch auf dem Marsche zum Schlachtfeld keine Todesgedanken hegt. Wir sehen eine Gruppe von Ziethen-Husaren vor uns, die neben einem Marketenderwagen in einer Dorfstraße abgesessen sind und mit der jungen Marketenderin scherzen, welche ihnen lächelnd den erquickenden Trank einschenkt. Einige umstehen den Wagen; einer leert das Glas, das er sich erobert hat; vorne auf der Umfassung eines ländlichen Brunnens sitzt behaglich ein anderer Reiter, ein Trompeter. Doch schon hat die Stunde geschlagen, welche dieser fröhlichen Lebenslust ein rasches Ende bereitet. Die Ordonnanz, die dort zu Pferde vor dem Offizier hält, hat den schriftlichen Befehl zum Aufbruch gebracht, und bald wird das Signal ertönen, welches den fröhlichen Reitertrupp zur ernsten Entscheidung des Schlachtfeldes fortruft. Ziehen doch schon im Hintergrunde die Seydlitz-Kürassiere dem Schlachtfeld zu! Und die Ziethen-Husaren werden ihnen bald folgen, dem Stern des großen Königs vertrauend, der sie schon oft zum Siege geführt.

So einfach dies Genrebild ist, so stimmungsvoll erscheint der Gegensatz zwischen der Lebensfreudigkeit der Soldaten und der Todesdrohung der bevorstehenden Schlacht. Und wie friedlich ist hier alles in der stillen Dorfstraße – man glaubt den Röhrbrunnen mit einförmiger Gleichmäßigkeit plätschern zu hören. Bald wird von dem fernen Hügel der Kanonendonner ertönen, der die Dörfer ringsum aus ihrem Frieden schreckt!

Und nun ist sie vorübergebraust, die heiße Schlacht – welch ein anderes Bild! Husaren und Kürassiere haben eine Batterie erstürmt: vor der eroberten Kanone liegt ein gefallener Husar, im Vordergrunde ein zum Tode getroffener Trompeter der Kürassiere; das zweifelnde Gesicht des Feldschers verrät uns, daß hier wenig Hoffnung mehr ist. Ergriffen schaut der junge Offizier auf den Armen nieder, ebenso der Wachtmeister, der den Schimmel des Trompeters eingefangen hat und ihn am Zügel führt; die abziehenden Kürassiere blicken teilnahmvoll auf den gefallenen Kameraden.



Inhalt: Die Brüder. Roman von Klaus Zehren (2. Fortsetzung). S. 485. – Früchteverkäuferin in den Straßen von Kairo. BIld. S. 485. – Etwas vom Gedächtnis. Von W. Berdrow. S. 488. – Belauscht. Bild. S. 489. – Die kluge Tochter. Gedicht von Viktor Blüthgen. S. 492. – Wolfgang Amadeus Mozart der Jüngere. Zu seinem fünfzigjährigen Todestage. S. 492. Mit Abbildungen S. 492 u. 493. – Die Martinsklause. Roman aus dem 12. Jahrhundert. Von Ludwig Ganghofer (28. Fortsetzung). S. 494. – Vor der Schlacht. Bild. S. 496. – Nach der Schlacht. Bild. S. 497. – Blätter und Blüten: Nützet die Sommerferien! S. 499. – Orientalische Früchteverkäuferin. S. 499. (Zu dem Bilde S. 485.) – Neue naturwissenschaftliche Prachtwerke. S. 499. – Belauscht. S. 499. (Zu dem Bilde S. 489.) – Eine deutsche Industrie in Formosa. S. 500. – Vor und nach der Schlacht. S. 500. (Zu den Bildern S. 496 und 497.)



[ Verlagsverbung für E. Werners gesammelte Romane und Novellen. ]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig
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