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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

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Der Theebau in China und Ostindien.

Von C. Forst.
Mit Zeichnungen von H. Haase.

Tausende von kühnen Seefahrern waren im Zeitalter der Entdeckungen ausgezogen in ferne unbekannte Meere nach den Gewürzen Indiens; sie kehrten heim mit vollen Schiffsladungen kostbarer Pfeffernelken und Muskatnüsse, sie brachten aber noch mehr: Proben neuer Genußmittel, die in Europa bis dahin unbekannt gewesen waren. Der Tabak, der Kakao, der Kaffee und der Thee traten damals ihre Eroberungszüge in Europa an.

Am langsamsten von den vier Gewaltigen schritt der Thee vorwärts. Im Anfang des 17. Jahrhunderts tauchte er fast gleichzeitig auf zwei Wegen in Europa auf. Die holländisch-indische Handelsgesellschaft brachte übers Meer die ersten Päckchen und eine russische Gesandtschaft in der Mongolei erhielt einige Pfund als Gegengeschenk auf Zobelfelle. 1635 erschien der Thee zum erstenmal in Paris und 1638 in Moskau. Er hätte schwerlich Liebhaber gefunden, wenn man ihn sogleich als ein tägliches Getränk empfohlen hätte, zu seiner Einführung bedurfte er einer kräftigeren Reklame. Die Chinesen von denen man ihn kaufte, sagten: „Der Thee entfernt das Fett und macht den Menschen beweglich; er spült Unreinigkeiten fort, vertreibt die Schläfrigkeit, heilt Kopfweh und verhütet es.“ Das war ein Wink für die ersten Theehändler in Europa; sie legten die dürren Blätter Aerzten vor und siehe da, manche von den Jüngern Aeskulaps begeisterten sich für den neuen Aufguß, rühmten seine Heilkräfte und nannten ihn sogar ein untrügliches Mittel, um das Leben zu verlängern. So tranken ihn die Europäer zuerst als Medizin, bis sie sich an ihn gewöhnten und er in weiten Gebieten, in England, Holland und Rußland, zum täglichen Getränk wurde.

Während aber die Europäer in kurzer Zeit sich der Gewürze und neuen Genußmittel ganz und gar bemächtigten, sie nicht nur verbrauchten sondern auch in ihren Kolonien erzeugten, konnte man den Thee nur kaufen. Die einzigen Länder, welche damals den Thee erzeugten, China und Japan, waren für die Fremden verschlossen und so ruhte ein geheimnisvoller Schleier über der Herkunft des erfrischenden und anregenden Trankes. Der berühmte Botaniker Linné (1707 bis 1778) teilte noch die Gattung Thea sinensis in die beiden Arten Thea viridis und Thea bohea, von denen die erstere angeblich den grünen, die letztere den schwarzen Thee liefern sollte. So wenig kannte man im vorigen Jahrhundert die Bereitung der verschiedenen Theesorten. Erst allmählich drang man in das Innere Chinas vor und erfuhr nun, daß es dort nur eine Art des Theestrauchs gab, aus der im Laufe einer mehr als tausendjährigen Kultur verschiedene Varietäten hervorgegangen waren, wie dies auch bei unserem Weinstock der Fall ist. Die Mitteilungen der Reisenden reichten jedoch nicht hin, um darauf den Anbau des Theestrauchs in europäischen Kolonien zu begründen.

Indierin bei der Ernte.

Da wurde zu Anfang dieses Jahrhunderts die Heimat der chinesischen Kulturpflanze entdeckt. In der Landschaft Assam, die im Thal des Brahmaputra gelegen ist, wächst der Theestrauch wild, und von hier haben ihn die Chinesen in ihre Heimat eingeführt. Nun bildet Assam einen Teil des indo-britischen Reiches, man konnte also daran denken, den Chinesen das Monopol des Theehandels streitig zu machen. In dem theetrinkenden England wurde der Gedanke mit Begeisterung aufgegriffen und im Jahre 1839 bildete sich dort eine Aktiengesellschaft, welche die assamesischen „Theewälder“ unter Kultur bringen wollte. Wohl kostete die Sache erst ein erkleckliches Lehrgeld, die Gesellschaft löste sich auf mit einem Verlust von 4 Millionen Mark; aus den Mißgriffen der Pioniere der indischen Theekultur wußten indessen andere zu lernen. Neue Theepflanzungen wurden gegründet; auch sie lieferten anfangs nur einen schlechten Thee, doch nach und nach besserte sich das Erzeugnis und fand einen immer größeren Abnehmerkreis. „Theegärten“ entstanden auch in anderen Teilen Indiens, Assam blieb aber der Mittelpunkt des neuen Unternehmens. Im Jahre 1861 waren hier 48½ qkm mit Thee bepflanzt und im Jahre 1890 war die unter Kultur genommene Fläche bereits auf 920 qkm gestiegen. Der indische Thee begann den chinesischen zuerst in England und Nordamerika zu verdrängen, bald hielten sich die Ausfuhr Indiens und Chinas die Wage und es wird sogar behauptet, daß in kurzer Frist der indische Thee dem chinesischen vollständig den Rang abgelaufen haben werde. In der That haben sich die englischen Theepflanzer Indiens zu einer großen kapitalkräftigen Vereinigung zusammengeschlossen, welche nunmehr auch auf dem europäischen Festlande ihrer Ware gegenüber der chinesischen Geltung verschaffen will. Immer mehr sieht sich der Theetrinker vor die Entscheidung gestellt, welchem von den beiden Nebenbuhlern er den Vorzug geben soll. Die Wahl ist nicht so leicht, denn die Beurteilung des Thees ist nicht jedermanns Sache; es gehören dazu Erfahrung und besondere Kenntnisse. Die Belehrungen, die von den Händlern unter das Volk gebracht werden, sind in der Regel sehr parteiisch gehalten, sie decken die Mängel des Gegners auf und verschweigen dessen Vorzüge. Es dürfte darum wohl angebracht sein, in diesem Streite zum Nutzen der deutschen Theetrinker ein unparteiisches Wort zu reden.

Warum trinkt man den Thee? Was macht ihn einem großen Teil der Menschen so besonders wertvoll? Er ist, wie der Kaffee, ein erregendes Genußmittel. In den Blättern des Theestrauches ist dasselbe Alkaloid enthalten, das wir in der Kaffeebohne finden, das bald „Koffeïn“, bald „Theïn“ genannt wird. Die Chemiker können es rein in Form kleiner farbloser Krystalle darstellen, und wenn wir es in kleinen Mengen einnehmen, so spüren wir, daß es anregend auf die Herzthätigkeit oder das Nervensystem einwirkt. Aber wenn wir ein Koffeïnpulver einnehmen, so ist seine Wirkung durchaus nicht der einer Tasse starken Kaffees oder Thees gleich. Diese Getränke wirken nachdrücklicher und beeinflussen auch unsere

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 656. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_656.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2023)