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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Nr. 49.   1894.
      Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

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Weihnachtsträume.

Ein Idyll von Carl Busse.

Der Abend kam. verlorner Schellenklang
Scholl manchmal freundlich ins durchwärmte Zimmer,
Das Kätzchen schnurrte, und der Pendel schwang,
Und durch den Thürspalt kam schon Lampenschimmer.

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So schummrig war’s; kaum zuckten dann und wann

Noch im Kamin die halb verglomm’nen Kohlen –
Des Hauses Herrin aber saß und sann
Und strich ihr Haar und lächelte verstohlen.

’s war Christnacht heut’. Erfrischend her und hin

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Zog Nadelduft durch die vertrauten Räume,

Da ward auch ihr so wunderlich zu Sinn
Und sie versank in alte Weihnachtsträume.
An beiden Händen zog ihr junges Glück
Sie lächelnd fort in ihre Backfischtage,

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Und heimlich surrend trieb mit einem Schlage

Gemach der Zeit bewegtes Rad zurück.
Sie sah sich selbst im kurzen Mädchenkleid,
Sah sich im Kreis zerzauster Nachbarsjungen,
Wie sie den Ball hoch in die Luft geschwungen

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Und barfuß lief in lieber Sommerzeit.

Oft kam sie heim, mit Schrammen im Gesicht,
Das Haar verwirrt, der Zopf war aufgegangen,
Denn galt’s den Wettlauf mit den tollsten Rangen,
Hei, wie sie flog! Die Letzte blieb sie nicht!

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 821. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_821.jpg&oldid=- (Version vom 24.7.2019)