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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

und harzigen Massen sowie des plötzlich erzeugten Dampfes bietet ein großartiges, furchtbar schönes Schauspiel bei Waldbränden, wo die Flammen unter lautem Prasseln die Bäume verschlingen. Auch das Zerbersten ganzer Baumstücke in winzige Splitter bei Blitzschlägen sicht man durch solche plötzliche Dampfbildung zu erklären. Der Blitz soll einen großen Teil des im Baumsafte vorhandenen Wassers augenblicklich in Dampf verwandeln und dieser urplötzliche Uebergang des Wassers aus dem tropfbar-flüssigen in den gasigen luftförmigen Zustand bringe eine regelrechte Explosion zustande, die das Holz so stark zersplittere. *     

Die Frau als Erfinderin. Daß es in Amerika, wo den Frauen fast alle Berufszweige offen stehen, wo es Predigerinnen, Aerztinnen, Advokatinnen und Beamtinnen jeder Art giebt, wo sie als Agentinnen von Lebensversicherungen thätig sind, Bauten ausführen, Bankgeschäfte leiten, sogar als Schiffskapitäne das Kommando führen – daß es in Amerika auch nicht an Erfinderinnen fehlt, ist selbstverständlich. Bei Gelegenheit der hundertjährigen Jubelfeier des amerikanischen Patentamtes in Washington wurde ein Verzeichnis aller Erfindungen, die in diesem Zeitraum patentiert worden waren, veröffentlicht und dabei auch eine Liste der Frauen, die praktischen Anteil an den Verbesserungen und Neuerungen genommen haben und dafür Patente erhielten. Ihre Zahl beträgt 2400, allerdings nur ein kleiner Bruchteil der 480000 Personen, die in der angegebenen Zeit Patente erwarben. Aeußerst lehrreich ist es indessen, zu sehen, worauf die Frauen vornehmlich ihren Erfindungsgeist richteten. Die Toilette, und was damit zusammenhängt, spielt eine große Rolle, gelten doch 120 Patente allein dem Korsett; weitere 65 beziehen sich auf die Verbesserung der Nähmaschine. Zahlreiche Damen machten sich durch Erfindungen auf dem Gebiete der Krankenpflege, durch die Vervollkommnung der Geräte für Haus und Küche, Keller und Garten, für die Pflege und die Beschäftigung der Kinder verdient. Aber auch nach anderen Richtungen hin, die ganz außerhalb der häuslichen Thätigkeit, weitab von der gewöhnlichen Interessensphäre der Frauen liegen, hat sich weiblicher Scharfsinn bethätigt. Rettungsleitern und andere Hilfsvorrichtungen in Feuersgefahr, verbesserte Sägen, Nähmaschinen für Sattler, Silbertypen für Buchdrucker, Dampfkesselkonstruktionen, Alarmvorrichtungen für Bahnkreuzungen, Schiffsschrauben, unterseeische Teleskope, Maschinen zur Anfertigung von Papiertüten, zur gründlichen Reinigung der Baumwolle, zur Herstellung von Zucker- und Mehlfässern, Apparate für Rauchverzehruug sind von Frauen erdacht oder sinnreich verbessert worden. Viele dieser Leistungen haben sich glänzend bewährt und den Erfinderinnen Ansehen und Reichtum eingebracht. Zugleich zeigen diese Beispiele, denen sich noch manche andere hinzufügen ließen, die vielseitige Befähigung der Frau, ihren praktischen Sinn, ihre Thatkraft und Willensstärke, wenn ihrer Entwicklung freie Bahn gegeben wird.

Kinderaugen und Kindergewehre. Zu den schlimmsten und gefährlichsten Verletzungen des Auges zählen diejenigen, die durch Eindringen von Kupferstückchen verursacht werden; denn diese lassen sich nicht wie Eisensplitter mit Hilfe des Magnets entfernen. Am häufigsten ereignen sich solche Unfälle bei Kindern, die Zündhütchen durch Aufschlagen knallen lassen oder mit schlecht konstruierten Kindergewehren spielen. Gegen die zuerst erwähnte Spielerei haben wir in der „Gartenlaube“ wiederholt unsere Stimme erhoben. Diesmal möchten wir noch auf die Kindergewehre hinweisen. Der Augenarzt J. Hirschberg erklärte jüngst in einem Fachblatte, daß nach seinen Erfahrungen Kindergewehre, die nach alter Art mit Zündhütchen abgefeuert werden, ein wahres Danaergeschenk sind. Er fordert die Aerzte auf, in Familien auf Abschaffung eines derartigen Spielzeugs zu dringen. Der erfahrene Arzt duldet nur Kindergewehre mit Remington-Verschluß, wo die Zündhutpatrone in geschlossener Kammer liegt, und Schießübungen der Knaben unter Aufsicht von Erwachsenen. Diese Ratschläge sollten in den weitesten Kreisen bekannt und von den Eltern wie von den Fabrikanten befolgt werden! *     

Winterfreuden. (Zu dem Bilde S. 881.) Der Künstler zeigt uns ein echt deutsches Bild: tiefer Schnee deckt die Giebel der kleinen Stadt, die Mauern, Hecken und Bäume; in den Häusern klagen die Alten über die harte Kälte, die kurzen Tage, den ganzen trübseligen Winter. Aber die Schulbuben sind anderer Meinung: frisch die Schlitten herunter und nun hinaus in den herrlich festen Schnee! Einer hinter dem andern sausen sie die steile Gartenstraße hinunter, freilich nicht ganz ungefährdet. Denn hier wie anderwärts stehen die Stiefkinder des Glücks am Wegrande und suchen durch einen wohlgezielten Wurf das Ueberlegenheitsgefühl der andern etwas herabzustimmen. Schadet diesen nichts! . . so wenig als die vor Kälte schmerzenden Füße und die blaugefrornen Hände. Unermüdlich ziehen sie ihre Schlitten den Berg wieder hinauf, fechten zwischendurch einmal eine Schneeballenschlacht mit den Wegelagerern aus und lassen diese schließlich als großmütige Sieger mit aufsitzen. Erst bei sinkender Dunkelheit, fast steif vor Kälte und hundemüde kehren sie heim, ungerührt von den mütterlichen Klagen über verdorbene Kleider und nicht wieder zu trocknende Stiefel. Laßt sie ruhig fahren! So lange der Winter in Stadt und Land ein solches Bild darbietet, so lange hat es mit der vielbeschrienen „Entartung“ gute Wege! Der deutsche Schuljunge besteht aus solidem Stoff und läßt sich seine von Generationen her geerbten Lebensfreuden nicht verkürzen. Schön ist er gewöhnlich nicht, aber ein ganzer Kerl, und als solchen hat ihn der Künstler nach der Natur aufgefaßt und getreu vor unsere Augen gebracht. Bn.     

Wecken und Erinnern mittels Elektricität. Damit ein in einem Gasthofe wohnender Gast in Bezug auf die Zeit, zu welcher er geweckt sein oder an irgend etwas erinnert werden will, nicht auf die Pünktlichkeit des Personales angewiesen sei, sollen nach dem Vorschlag eines Ingenieurs in den Fremdenzimmern der Gasthöfe elektrische Wecker aufgestellt werden, welche durch einen eigenartigen Stöpselapparat vom Gaste selbst mit einer Kontaktuhr so in Verbindung gesetzt werden können, daß der Wecker nur zu den beabsichtigten Zeiten, da aber bestimmt wirkt. Die Anlage kann so eingerichtet werden, daß sie zu beliebig vielen Zeitpunkten innerhalb 12 oder 24 Stunden zu wecken vermag. Aehnlichkeit mit dieser Vorrichtung hat der „Erinnerer“, welchen ein amerikanischer Elektriker ersonnen hat. Dieser „Erinnerer“ ist für Aemter, Läden, Fabriken, Gasthöfe etc. bestimmt und soll jedermann dagegen schützen, daß er eine Sache vergesse, welche zu einer bestimmten Zeit erledigt werden soll. Das Erinnern wird durch eine Klingel bewirkt, welche sich aber nicht neben dem Erinnerer zu befinden braucht, sondern auch an einem andern Orte aufgestellt werden kann. In industriellen Betrieben sind zu gewissen Zeiten des Tages oder der Nacht Arbeiten auszuführen, deren unpünktliche Verrichtung einen schädlichen Einfluß auf die zu erzeugenden Produkte hat. Man begreift, wie nützlich in solchen Fällen der Erinnerer werden kann. Er dürfte auch in meteorologischen Beobachtungsstationen am Platze sein, damit das Ablesen von Temperatur und Luftdruck, die Messung von Windstärke und Regenmenge etc. rechtzeitig erfolgt. F. K.     

Auf Wiedersehen! (Zu unserer Kunstbeilage.) Sie schwenkt das weiße Tüchlein dem scheidenden Liebsten nach, dessen Barke aus dem kleinen venetianischen Kanal hinaus ins offene Meer steuert. Aber von Traurigkeit spürt sie offenbar nicht viel dabei, die schwarzäugige Luisella, die ihr Röckchen so kokett zusammenfaßt, weil da unten auf dem Kanal zu ihren Füßen noch mehr Leute vorbeifahren, die eine graziöse Stellung zu würdigen wissen. So blickt sie dem scheidenden Pietro wohlgemut nach, bis er um die Ecke biegt, und kehrt dann auf flinken Füßen in ihren alten verfallenen Palast zurück, aber nicht um dort einsam zu trauern, sondern um Mantille und Fächer zu holen und sich den Abschiedsschmerz durch eine kleine Plauderstunde mit den Freundinnen auf dem Markusplatz zu vertreiben, wo die Musik so schön spielt und die vielen Leute durcheinander wogen. Außerdem – der gute Pietro kommt ja in ein paar Monaten wieder! Wollen wir ihm wünschen, daß er dann sein so leicht getröstetes Bräutchen noch in treuer Liebe seiner harrend findet. Eine Wette darauf einzugehen, wäre allerdings sehr unvorsichtig gehandelt! Aber im schlimmsten Fall wird sich Pietro ebenfalls zu trösten wissen, und das ist das beste von der Sache!

[Prosit Neujahr]


Inhalt: Um fremde Schuld. Roman von W. Heimburg (Schluß). S. 877. – Das abziehende alte Jahr. Bild. S. 877. – Winterfreuden. Bild. S. 881. – Die Vorläufer unserer Neujahrskarten. Von Hans Boesch. S. 882. Mit Abbildungen S. 882, 883 und 884. – Das Bild des alten Malers. Erzählung von Ernst Lenbach. S. 884. Mit Abbildungen S. 885, 886, 887 und 890. – Die Schlußsteinlegung im neuen Reichstagshause. Bild. S. 888 und 889. – Gaunerzinken. S. 890. Mit Abbildung S. 891. – Blätter und Blüten: Die Schlußsteinlegung im neuen Reichstagshause. S. 891. (Zu dem Bilde S. 888 und 889.) – Das Brennen der Tannenzweige. S. 891. – Die Frau als Erfinderin. S. 892. – Kinderaugen und Kindergewehre. S. 892. – Winterfreuden. S. 892. (Zu dem Bilde S. 881.) – Wecken und Erinnern mittels Elektricität. S. 892. – Auf Wiedersehen! S. 892. (Zu unserer Kunstbeilage.)


manicula Hierzu Kunstbeilage XIV: „Auf Wiedersehen!“ Von E. von Blaas.

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 892. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_892.jpg&oldid=- (Version vom 27.6.2023)