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verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

waren. Wer von den Leserinnen bislang noch nicht gewußt hat, ob sie in ihrer neuen Küche „Kohlen- oder Gasheizung“ einführen soll, die wird auch nach dem Besuch solcher Ausstellung noch nicht zur Klarheit gelangen; denn stehen wir vor den Gasherden, leuchten uns diese ein, lassen wir uns aber die Patentsparherde mit allen möglichen Stellvorrichtungen der Feuerung vorführen, wollen uns diese ebenso praktisch erscheinen. Es war auf der Ausstellung übrigens ein interessanter Versuch zu sehen, der Kohlen- und Gasheizung auf ein und demselben Herde zeigte und nach der Beschreibung und Vorführung sehr praktisch erschien, obgleich eine definitive Entscheidung darüber wohl erst bei längerem Gebrauch möglich ist. Alle Herde und alle Maschinen sind zudem so geschmackvoll ausgeführt, daß sie selbst der hübschesten Küche zur Zierde gereichen und die Harmonie der geschmackvollen Küchenausstattung nicht stören. Immer aber ist es eine große Freude, durch das Bild großer Ausstellungen, wenn es auch nur eine Kochkunstausstellung ist, die Gewißheit zu erhalten, daß deutscher Fleiß und deutsche Erfindungsgabe nicht mehr durch ausländische Ware in den Schatten gestellt werden kann. Dies zeigte auch die Kochkunstausstellung in Bremen. L. Holle.     

Das im Zoologischen Garten zu Hannover geborene Gnu. Die untenstehende Abbildung verdanken wir dem Direktor des Zoologischen Gartens zu Hannover, Dr. Ernst Schäff. Derselbe hatte auch die Freundlichkeit, das Bild durch folgende Ausführungen näher zu erläutern: Von einem Transport afrikanischer Antilopen, welche der bekannte Tierhändler C. Reiche in Alfeld eingeführt hatte, erwarb der Hannoversche Zoologische Garten im Jahre 1893 außer einer mächtigen Pferde-Antilope und einem Hartebeest (Kuhantilope) auch ein Paar weißschwänziger Gnus, welche, bei ihrer Ankunft fast ganz ausgewachsen, sich zu wahren Musterexemplaren entwickelten. Die auf den ersten Blick häßlichen Tiere haben in ihrem Aeußeren für den Tierfreund und -kenner doch viel Anziehendes. Wenn auch der Kopf reichlich schwer und durch bürstenartige Haaransammlungen auf dem Nasenrücken sowie unter dem Kinn mehr verunstaltet äls geschmückt wird, wenn auch der Hals fast übermäßig kräftig entwickelt zu sein scheint, so ist doch der Rumpf nebst den Beinen so wohl proportioniert und besonders die Bewegungswerkzeuge sind so wunderbar zierlich und federnd, daß man diese Teile geradezu schön nennen darf. Zur Bewunderung aber wird der Beschauer hingerissen, wenn er die Gnus in voller Bewegung sieht, selbst in dem beschränkten Raum des Geheges in einem zoologischen Garten.

Das im Zoologischen Garten zu Hannover geborene Gnu.
Nach dem Leben gezeichnet von Dr. Ernst Schäff.

Während die meisten Gnus ziemlich bösartige und oft heimtückische Tiere sind, zeigten unsre Exemplare sich verhältnismäßig liebenswürdig, sowohl untereinander als auch gegen ihren Wärter. Nur während der Brunstzeit änderte sich das Benehmen und das Männchen war einigemal sehr ungalant gegen seine bessere Hälfte, brachte ihr sogar ein paarmal blutende Wunden, glücklicherweise auf die Haut beschränkt, bei. Später vertrugen sich dann die Tiere wieder gut und konnten Tag und Nacht in einem gemeinsamen Gehege und Stall untergebracht werden. Einige Zeit vor Weihnacht vorigen Jahres glaubte ich aus dem Aussehen des Weibchens schließen zu dürfen, daß unsre Gnus sich bald vermehren würden, eine Ansicht, in der ich mich nicht getäuscht hatte. Gerade als ich am Sylvesterabend mit den Vorbereitungen zum üblichen Sylvesterpunsch beschäftigt war, wurde mir gemeldet, daß ein junges Gnu geboren sei. Ein erfreuliches Neujahrsgeschenk für einen Tiergärtner!

Ich begab mich selbstverständlich sofort nach dem Antilopenhause, um meinen Besuch in der Wochenstube abzustatten, wo ich alles in bester Ordnung vorfand. Das junge Tierchen stand ganz munter neben der Mutter, suchte bald das Euter und schien sich auf diesem sogenannten Jammerthal ganz wohl zu fühlen. Es war das erste weißschwänzige Gnu, welches in einem deutschen zoologischen Garten das Licht der Welt erblickte und wird als solches vielleicht bei den Lesern der „Gartenlaube“ eben so viel Interesse erregen wie bei unsern Besuchern. Ich zeichnete das Tierchen etwa vier Tage nach der Geburt, als von den Hörnern nur bei scharfem Hinsehen zwischen der struppigen Stirnbehaarung ein winziges Knöpfchen zu bemerken war. Die Haarfarbe war fahl braungelb, an der Vorderseite des Kopfes, wo die Haarbürste schon angedeutet, dunkelbraun; ebenso zwischen den Vorderbeinen an der Brust. Der starke Hals mit kurzer aufrechter Mähne erschien fast dicker als der von zierlichen, hohen Beinen getragene Körper, an den sich ein demjenigen eines Hundes ähnlicher Schwanz ansetzte. Nach einigen Wochen änderte sich schon manches an dem Tierchen, die Hörner wurden deutlich sichtbar, die Mähne länger, der Schwanz ebenfalls, das ganze Tier wurde merklich größer. An einer Stelle, wo die Mutter das Junge so lange leckte, bis das Haar ausfiel, wuchs bald nachher neues, und zwar von derselben dunkelbraungrauen Farbe, wie es bei den Alten vorhanden ist. Zum Frühjahr wird jedenfalls das mehr gelbliche Säuglingshaar überhaupt verschwinden, um dem grauen Kleid der Erwachsenen Platz zu machen. In diesem Alter sehen dann die jungen Gnus sehr merkwürdig aus, da sie im allgemeinen Gestalt und Farbe der Alten, dabei aber anstatt der abwärts und dann wieder nach oben gekrümmten etwa fingerlange, ganz gerade aufragende Hörner tragen. Erst ganz allmählich nehmen die Hörner die charakteristische gekrümmte Form an. Das bräunlich gelbe Jugendkleid darf als Anpassung aufgefaßt werden, da das wenigstens in den ersten Tagen zu raschem andauerndem Lauf noch nicht genügend erstarkte junge Tier ohne Zweifel der Farbe des von der afrikanischen Sonne verdorrten und vergilbten Pflanzenwuchses der Steppen ähnlich gemacht wird und dadurch manchem Feind entgeht. Vor letzterem ist es bei uns völlig sicher, und so dürfen wir uns der Hoffnung hingeben, daß es sich zu einem normalen kräftigen Tier entwickeln wird.

Junge Friesin. (Zu dem Bilde S. 177.) Wer als Gast auf Helgoland zum erstenmal in dem großen Saal der „Hohen Meereswoge“ oder dem des „Grünen Wassers“ den Töchtern der Insel bei ihrem eigenartigen Nationaltanz zusieht, der wird nicht ohne Erstaunen inne, wie viel zierliche Anmut unter ihnen vertreten ist. Denn diese Zierlichkeit steht in gar auffälligem Kontrast zu dem starken, oft reckenhaften Körperbau der Fischer und Lotsen, welche die Väter und Brüder dieser zartgliedrigen Mädchen sind, und zu dem wohlverdienten Ruf des Friesenstamms, dem Kampf mit den Tücken des Meers besonders rüstige Kämpen zu stellen. Aber wer dann anderen Tages in den Straßen des Oberlandes heimischer wird und bemerkt, wie die sauberen Backsteinhäuser, in denen die Frauen und Töchter der Männer vom Strand ihr arbeitsames Dasein verbringen, gar so niedrig und eng sind, als hielten sie sich niedergeduckt vor dem Wind, der mit so stürmischer Wucht über sie hinfegen kann – wer hier die Mädchen der Insel durch die niedliche Hausthür schreiten oder hinter den noch viel niedlicheren Fenstern sitzen sieht, auf deren Simsen auch die sorgfältig gepflegten Zierpflanzen nur kleiner geraten als anderswo, der findet dieses Größenverhältnis natürlich.

Dem friesischen Seemann ist die eigentliche Heimat das Meer; das Friesenmädchen auf ihrer Insel muß sich in die Enge schicken. Das Gesetz der Anpassung hat auch hier gewaltet und nicht auf Kosten der Schönheit. Denn gesunde Frische findet sich meist gepaart mit dieser auch auf den anderen friesischen Inseln nicht seltenen Zierlichkeit seiner Bewohnerinnen. Von zierlicher Anmut sind auch die Hauben, welche sie von alters her – trugen. Schon längst ist leider die Landestracht auf diesen Fischerinseln abgekommen, zum wenigsten auf denen, die als Seesommerfrischen besucht werden. Aber in alten Truhen werden da und dort noch die alten Zierstücke von Mutter und Großmutter aufbewahrt und an stillen Sonntagen öffnen sich dieselben vor den strahlenden Augen der Tochter und Enkelin. Da geht’s an ein feierliches Anprobieren und mit andachtsvoller Lust sieht das moderne Friesenmädchen dann im Spiegel, wie Mutter und Großmutter in der Tracht von einst so schmuck aussahen – damals als die Guten selbst noch so jung waren wie jetzt sie.


Inhalt: Echt. Erzählung von R. Artaria (Fortsetzung). S. 165. – Abseits vom Wege. Skizzen aus Konstantinopel von Bernhardine Schulze-Smidt. S. 170. Mit Abbildungen S. 165, 168 und 169, 171, 172 und 173. – Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit. Lampen der Zukunft. S. 174. – Der Fähnrich als Erzieher. Eine Backfisch-Studie von Hans Arnold. S. 175. – Junge Friesin. Bild. S. 177. – Blätter und Blüten: „Die letzten Kämpfer von 1813/15“ (Traugott Carl). Mit Bildnis. S. 179. – Die Kochkunstausstellung im Parkhause zu Bremen. S. 179. – Das im Zoologischen Garten zu Hannover geborene Gnu. Mit Abbildung. S. 180. – Junge Friesin. S. 180. (Zu dem Bilde S. 177.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_180.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)