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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

231 mm Luftdruck, das Thermometer – 479°; selbst das Strahlungsthermometer in voller Sonne nur – 238°. Der Ballon hält jetzt wieder einmal inne; ich darf keinen Ballast mehr opfern, wie gerne ich auch höher möchte, und obgleich ich mich so wohl befinde, daß ich rasch eine Höhenberechnung vornehme, die mir meine Erhebung als auf roh 9600 m, reduziert 9150 m wahre Höhe angiebt … der Aufstieg hat sein Ende gefunden.“

* * *

Die zweite Entdeckung, die wir kurz besprechen möchten, wurde in chemischen Laboratorien gemacht und war, als sie im August vorigen Jahres in kurzen Mitteilungen bekannt gegeben wurde, so überraschend, daß die meisten Forscher ihr keinen Glauben schenken wollten und meinten, die Entdecker müßten sich getäuscht haben. Diese Entdeckung betraf die Zusammensetzung der Luft, eine Frage, über die nicht nur Chemiker von Fach, sondern alle Leute mit guter Volksschulbildung genügend unterrichtet zu sein vermeinten.

In alten Zeiten glaubte man, die Luft sei ein Urstoff, hielt sie für eins der vier Elemente. Erst vor 120 Jahren wurde diese Lehre durch eine bessere ersetzt, denn im Jahre 1771 entdeckten Priestley und Scheele den Sauerstoff und man erkannte nunmehr, daß die Luft ein Gemenge zweier Gase, des Sauerstoffs und des Stickstoffs, bilde, und rechnete heraus, daß in hundert Raumteilen Luft 21 auf den Sauerstoff und 79 auf den Stickstoff entfallen. Später fand man noch, daß auch in der reinsten Luft im Freien stets etwas Kohlensäure enthalten sei, und wies nach, daß die Mengen derselben etwa 4/100 bis 7/100 Prozent der Luft ausmachen. Mit feinsten Untersuchungsmethoden wies man endlich in der Luft noch geringe Mengen von Ozon, verändertem Sauerstoff, Spuren von Ammoniak und Salpetersäure nach, schließlich lernte man die in der Luft schwebende Menge des Wasserdampfes, sowie die Zahl der feinsten in ihr schwebenden Staubteilchen bestimmen. Kurz und gut, die Luft galt als ein Stoff, der chemisch aufs genaueste erforscht war.

Nicht gering war darum die Ueberraschung, als im vorigen Jahre die englischen Chemiker Lord Rayleigh und Professor Ramsay mit der Behauptung auftraten, daß in der Luft außer den bereits genannten Gasen noch ein anderes bisher gänzlich unbekannt gebliebenes vorhanden sei und daß dieses Gas in zwar noch nicht genau ermittelten, aber keineswegs geringen Mengen in der Atmosphäre vorkomme.

Zu dieser Entdeckung gelangten die genannten Forscher auf folgendem Wege. Lord Rayleigh beschäftigte sich mit der genauen Bestimmung der Dichtigkeit verschiedener Gase. Als er mit dem Stickstoff arbeitete, fand er, daß der Stickstoff, den er auf chemischem Wege aus stickstoffhaltigen Verbindungen im Laboratorium erzeugte, sich stets weniger dicht zeigte als der in der Atmosphäre verbreitete. Dies veranlaßte nun die genannten Forscher zur genaueren Untersuchung der Luft. Aus einer bestimmten abgeschlossenen Menge Luft wurden zunächst die Kohlensäure und der Sauerstoff entfernt, so daß der Rest, der zurückblieb, nach der damals feststehenden Meinung aus reinem Stickstoff bestand. Nun haben Magnesiumspäne, bis zur Rotglühhitze erwärmt, die Fähigkeit, Stickstoff zu absorbieren, es wurde darum der atmosphärische Stickstoff über solche Späne geleitet, aber siehe da, es gelang niemals, die ganze Gasmenge zur Absorption zu bringen, stets blieb als Rest ein schweres Gas zurück. Die Untersuchung desselben ergab, daß man einen bis dahin völlig unbekannten Körper vor sich habe. Die merkwürdigste seiner Eigenschaften ist aber die, daß es bis jetzt nicht gelungen ist, ihn dazu zu bringen, daß er mit irgend einem anderen Körper eine chemische Verbindung eingehe; er ist nach den bisherigen Erfahrungen im chemischen Sinne ein völlig träger, energieloser Körper und erhielt darum den Namen Argon. Professor C. Olszewski in Krakau hat das Argon durch Druck und Kälte in festen Zustand übergeführt und dabei weiße Krystalle erhalten Professor Crookes in London untersuchte es spektroskopisch und kam zu dem Ergebnis, daß das Argon ein neues Element sei oder auch möglicherweise eine Verbindung zweier bis jetzt unbekannter Elemente darstelle. Ueber das Gesamtergebnis ihrer Forschung statteten die Gelehrten in der Sitzung der Royal Society zu London vom 31. Januar d. J. einen ausführlichen Bericht ab und die beigebrachten Beweise sind für das Vorhandensein eines weiteren Luftbestandteiles, der bis jetzt nicht bekannt war, sehr überzeugend.

Merkwürdig wäre es, wenn so große Mengen des „Argons“ bis auf unsere Zeit der scharfen Beobachtung der Chemiker sich hätten entziehen können. Mit Spannung aber darf man den durchaus nötigen weiteren Versuchen entgegensehen; denn es ist kaum zu denken, daß dieses so weit verbreitete Gas in dem Haushalt der Natur gar keine Bedeutung haben sollte. Hat das Argon Einfluß auf lebende Wesen, auf uns Menschen, die wir die Luft so unumgänglich als vornehmste Lebensnahrung brauchen? Welche Beziehungen besitzt es zu der atmosphärischen Elektricität, zu Licht und Wärme der Sonnenstrahlen? Das sind neue höchst interessante Fragen, deren Lösung in der nächsten Zeit den Scharfsinn der Forscher herausfordern wird. M. Hagenau.     


Echt.

Erzählung von R. Artaria.

     (Schluß.)

Toni begann dem aufhorchenden Lorenz vom Anfang an die Geschichte der letzten Tage zu erzählen und schonte sich nicht. Es war ihr ganz wohl, endlich einmal gegen einen Menschen frei heraus reden zu können, und sie that es mit der ihr eigenen Unumwundenheit; sie erzählte alles, oder doch beinahe alles: Peredas gewissenloses Spiel, ihre eigene thörichte Leichtgläubigkeit und wie sie eben keinen andern Wunsch und Gedanken gehabt habe als ihn, der ihr dafür so schlecht lohnen sollte. Nur eines – das Bekenntnis von dem Kuß in der Grotte – das wollte doch nicht über ihre Lippen. Sie hätte es nicht fertig bringen können, das zu sagen. Und schließlich: alles brauchte der Lorenz auch nicht zu wissen!

Dies war richtig: das Vernommene genügte vollständig, um einen schweren Zorn in seinem ehrlichen Herzen emporsteigen zu lassen.

„Auf dem Fleck erschlagen sollt’ man so einen niederträchtigen Kerl,“ sagte er, als Toni erschöpft und mit ein paar Thränenspuren auf den Wangen endlich schwieg. Er reichte ihr jetzt die Hand hin. „Trösten Sie sich, Tonerl, der ist’s nicht wert, daß Sie um ihn weinen. Und jetzt wollen wir die ganze Geschichte sein lassen und nimmer davon reden.“

„Sind Sie mir jetzt noch bös, wo Sie hören, daß mir viel ärger weh geschehen ist als Ihnen?“ fragte sie mit einem jeden Widerspruch ausschließenden Ueberzeugungston.

„Na,“ antwortete er, „über den Punkt wäre wohl noch zu reden. Aber einerlei, ich sehe jetzt, daß Sie’s doch nicht so schlimm gemeint haben –“

„Also?! …“

„Ja, also!“ Sein altes gutmütiges Lächeln erschien zum erstenmal an diesem Tage. „Es ist schon wieder recht, Tonerl!“

„Sind wir jetzt wieder ganz gut Freund, wie früher? Ohne Nachtragen und hinterher fremd thun?“ Sie streckte ihm die Hand hin.

„Ohne Nachtragen!“ bekräftigte er einschlagend. „Ich mein’, soweit dürften Sie mich kennen, Toni!“

„Ja, Sie sind gut,“ sagte sie aufrichtig. „Und daß ich auch nicht so schlimm bin, als Sie mir’s manchmal zutrauen, das werden Sie künftig schon merken. Und wenn Sie heiraten, Lorenz, dann mach’ ich die erste Kranzeljungfer und werde die beste Freundin von Ihrer Frau!“

„Damit hat’s noch gute Wege,“ sagte er lachend. Aber innerlich dachte er: „Sie ist doch ein ehrliches Mädel, und wie ihr das steht, wenn sie einmal so ernsthaft vom Herzen herunter redet! Rein nicht zum Wiedererkennen!“

Und sie dachte sich. „Der ist ‚echt‘, mit seinem guten treuen Gemüt. Sonderbar, daß man das nicht früher einsieht und so einen für nichts achtet. Er versteht halt nicht, etwas aus sich zu machen. Na, ich werde ihn künftig gewiß nicht mehr schlecht behandeln …“

„Prien,“ ertönte jetzt draußen der Ruf des Schaffners und der Zug hielt vor dem Stationsgebäude.

„Wünschen Sie vielleicht jetzt das Coupé zu wechseln, Fräulein Burghofer?“ fragle Lorenz mit ernsthafter Verneigung.

„Wenn es Ihnen einerlei ist, Herr Käsmeyer, bleibe ich lieber hier,“ versetzte sie ebenso, um gleich darauf lachend fortzufahren. „Das hätt’ ich mir freilich nicht gedacht, wie ich vorhin den Mordsschrecken bekam, daß g’rad wir allein in einem Coupé fahren müssen. Und jetzt bin ich so froh darüber, ich kann’s gar nicht sagen! Und gelt, Lorenz, der Papa erfährt nichts von allem, was in München gewesen ist!“

„Ja – von meinem Brief weiß er aber schon!“ erwiderte Lorenz bedenklich.

Toni dachte einen Augenblick nach. „Nun, ein bisserl muß ich dann schon beichten! Aber Sie besuchen uns wieder wie früher, gelt?“

„Ich werde es nicht mehr lange können.“

„Warum denn nicht?“

„Weil ich in acht Tagen eine große Reise antrete. Ich will mir London und Paris ansehen und dann bei meinem Onkel in Triest einmal das große Geschäft kennenlernen. Es wäre auch in Salzburg allerhand zu machen für einen, der richtige Verbindungen hätte. Vielleicht bleibe ich ein ganzes Jahr aus; der Vater kann mich ja leicht entbehren und ich möchte einmal aus den kleinen Verhältnissen hinauskommen und dann später in Salzburg ganz anders anfangen.“

Fabelhaft, was dieser Lorenz heute für Reden führte! Toni sah ihn ganz erstaunt an ob solcher unerhörten Selbständigkeitsgelüste.

Er machte wirklich einen viel männlicheren Eindruck als

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_251.jpg&oldid=- (Version vom 16.7.2023)