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verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Meisters Mathias Schmid verdanken. Aber der Gegenstand des Bildes hat für den Maler noch ein ganz persönliches Interesse.

Gar oft war Hannes die steilen Höhen des Langesthayer Berges hinaufgewandert in die „Gufel“, wo die blonde Annamarie weilte. Die ruhige Heiterkeit ihres Gemütes, ihre kräftige blühende Erscheinung hatten es dem schmucken Burschen angethan, und wenn er ihrem emsigen Schaffen zusah, sagte er sich, die Annamarie wäre für ihn das richtige Weib. Aber wie sie gewinnen? Anders wie in den Städten gestaltet sich Leben und Charakter der Menschen, die von Jugend auf zu hartem Kampfe mit der Natur gezwungen werden, die machtlos zusehen müssen, wie Werke jahrelangen Fleißes und mühevoller Arbeit in wenigen Minuten durch die Allgewalt der Elemente zerstört werden. Gute Gesundheit und körperliche Kraft stehen hier in hohem Ansehen. Unserm Hannes kam ein Zufall zu Hilfe, seine außergewöhnliche Kraft beweisen zu können. An den steilen Abhängen des Langesthayberges war eine Kuh abgestürzt, die nun wieder hinaufgeschafft werden mußte. Hannes packte sich das drei Centner schwere Tier auf den Rücken und stieg mit dieser Last den steilen Berg eine Stunde hinan. Noch heute erzählen die Bewohner des Thales von dieser außerordentlichen Leistung. Auf Annamarie machte sie solchen Eindruck, daß sie dem Werben des jungen Mannes Gehör schenkte und ihm versprach, sein Weib zu werden. Seiner Kraft und Ausdauer, verbunden mit großer geistiger Begabung, vertraute sie, daß er ihr auch im schweren Kampf ums Dasein ein starker Helfer und Berater sein werde, und ihre Hoffnung hat sie nicht betrogen. Glückliche friedevolle Jahre verlebte das junge Paar im „Voräule“ (siehe „Gartenlaube“ 1885, Seite 348) in dem Häuschen, das Hannes für sein junges Weib erbaut hatte. Die trefflichen Eigenschaften der Eltern vererbten sich auf eine zahlreiche Kinderschar. Einer der jüngsten aus derselben aber ist Mathias Schmid, der mit diesem Bilde seinen Eltern ein Erinnerungsmal widmen wollte. V. d. Needer.     

Fig. 1. Kartoffelpflanze mit Knollen auf den Zweigen (nach Vöchting).

Oberirdische Kartoffelzucht. Es war im vorigen Frühjahr, als der kleine Sohn meines Freundes in der Großstadt den Wunsch äußerte, Kartoffeln im Topfe zu ziehen, um die nützliche Pflanze, die er sonst nur flüchtig auf Spaziergängen durch Feld und Au kennenlernte, gründlicher studieren zu können. Der Vater, ein eifriger Naturfreund, leitete mit dem Knaben die lächerlich erscheinende Kultur und brachte mit Hilfe einiger Kunstgriffe Kartoffelpflanzen hervor, die in dem Bekanntenkreise nicht geringes Erstaunen erregten; denn es gab dort im Fensterstock Kartoffelpflanzen zu sehen, die – wie auf Fig. 1 – ihre Knollen über der Erde und selbst oben im Kraut zwischen den Blättern trugen.

Auf welche Weise kann man wohl eine Pflanze veranlassen, sich in so eigenartiger, von der Regel völlig abweichender Art zu entwickeln? Jedermann weiß ja, wie die Kartoffelpflanze in der Natur ihre Knollen bildet. Die Kartoffel treibt zweierlei Sprosse. Die einen wachsen über der Erde, tragen Blätter und Blüten; die anderen, die man Ausläufer oder Stolonen nennt, verzweigen sich unter der Erde. Ihre Enden verdicken sich und werden zu Knollen oder Kartoffeln. Für die Pflanze sind diese Knollen von hoher Bedeutung; denn jede von ihnen enthält eine Anzahl von Augen oder Knospen, aus welchen neue Pflanzen entstehen können, während das Innere der Knolle mit Nahrungsstoffen, wie Stärke und Eiweiß, gefüllt ist, die von der jungen Pflanze während ihres Wachstums verbraucht werden.

Fig. 2. Oberirdische Kartoffelknollen bei teilweiser Verdunklung einer Pflanze (nach Vöchting).

Was nun die oberen Sprosse der Pflanze verhindert, Knollen zu entwickeln, ist lediglich der Einfluß des Lichtes. Das läßt sich durch einen Versuch beweisen. Ziehen wir eine Kartoffel im Topfe und stecken den unteren Teil der Pflanze – wie auf Fig. 2 – in einen Kasten, daß er völlig in Dunkelheit bleibt, so tritt die merkwürdige Erscheinung ein, daß die an der Basis des Stengels vorhandenen Sprosse Kartoffeln bilden, als wenn sie unter der Erde sich befänden. Ebenso lassen sich Knollen an der Spitze der Pflanze erzeugen, wenn man dieselbe in einen völlig undurchsichtigen Kasten leitet.

Noch merkwürdiger ist aber die Thatsache, daß man die Kartoffelpflanze zwingen kann, Knollen oberirdisch auch unter voller Einwirkung des Lichtes zu bilden. Zu diesem Zwecke muß man die Pflanze vorher aller Ausläufer oder Stolonen berauben. Man schneidet also einen Steckling von einer Kartoffelpflanze in der Weise, daß an dem in die Erde kommenden Stengelende keine Knospen vorhanden sind, die sich zu Ausläufern umbilden würden. Ein solcher Steckling bildet nur Wurzeln an denen keine Knollen entstehen können, und wir haben dann eine Kartoffelpflanze vor uns, der die natürlichen Mittel zur Knollenbildung fehlen. Aber die Pflanze verzichtet nicht darauf, Speicherräume für die in den Blättern erzeugte Stärke anzulegen. Gewöhnliche Knospen, die unter normalen Umständen zu beblätterten Seitenzweigen sich verwandeln würden, verdicken sich und werden zu vollständigen Knollen. So entsteht ein wunderbares Kartoffelkraut, das in fast allen seinen Blattachseln Knollen trägt, obwohl es dauernd dem Einfluß des Tageslichtes ausgesetzt bleibt!

Diese hochinteressanten Versuche hat zum erstenmal Dr. H. Vöchting vor einigen Jahren ausgeführt und in Pringsheims „Jahrbüchern“ beschrieben. Als ich nun dieselben aus dem Gelehrtenlaboratrium in die Stube eines Naturfreundes verpflanzt sah, kam mir der Gedanke, daß solche Kulturen, die uns tiefe Einblicke in das Leben und Weben der Pflanzen gewähren, von Blumenfreunden öfter ausgeführt werden könnten. Dadurch würde die Liebhaberei an Reiz nichts einbüßen, wohl aber an tieferem Ernst gewinnen und beitragen, namentlich die reifere Jugend zu richtigem wissenschaftlichen Beobachten heranzubilden. *     

Abendidylle an der Riviera. (Zu dem Bilde S. 293.) Schon mehr als einmal hat H. Nestel die Leser der „Gartenlaube“ im Bilde an die schönen Gestade der Riviera geführt, auf jenen gesegneten buchtenreichen Küstenstrich, der sich von Nizza bis Spezia dem nördlichen Rande des Ligurischen Meerbusens entlang zieht und um seiner landschaftlichen Reize wie um seiner gesundheitlichen Vorzüge willen alljährlich von vielen Tausenden, Kranken, Genesenden und Gesunden, aufgesucht wird. Auch unser heutiges Bild vergegenwärtigt uns den ganzen Zauber dieses irdischen Paradieses, in dem sich der Berge üppig bewachsene Hänge mit dem leuchtenden Meeresspiegel und dem leuchtenden Himmelszelt zu einem unvergleichlich schönen Ganzen zusammenschließen. Es ist ein Fleck Erde, so recht geschaffen zum beschaulichen Träumen, wie es der junge Hirte thut, der am felsigen Abhang zwischen Oliven und Cypressen seine Ziegen weidet, oder das Mädchen unten am Wasser, das gedankenverloren emporblickt zu den im letzten Lichte des scheidenden Tages erglühenden Höhen.

„Die Musik.“ (Zu dem Bilde S. 296 und 297.) Frühling, Liebe und Musik, diese drei stehen von alters her in engem Bunde. Es ist die blondgelockte Crato, die Muse des holden Liebesgesanges, die aus dem Bilde R. Rößlers unter Rosen mit den kleinen Schelmen von Amorinen sich gelagert hat und zum Schall von Laute und Flöte ihre süßen Weisen erklingen läßt. Die ernstere Schwester-Muse Polyhymnia fehlt freilich bei diesem Frühlingskonzert, aber wer wollte das beklagen? Der Mai gehört der Liebe und ihr uraltes Lied füllt, von den Lippen der Göttin tönend, die Menschenherzen mit größerem Entzücken als die kunstvollsten Weisen der ernstgestimmten hohen Musik. Bn.     

Das Blut der Giftschlangen. Die Giftschlange ist gegen ihr eigenes Gift gefeit, die Kreuzotter z. B. kann eine andere Kreuzotter nicht durch einen Biß töten. Worauf beruht diese Unempfänglichkeit des Kriechtieres gegen ein Gift, das allen anderen Tieren den Tod bringt? Die Naturforscher Phisalix und Bertrand haben jüngst diese Frage beantwortet. Sie fanden in dem Blute der Kröte dasselbe Gift, welches diese durch ihre Hautdrüsen ausscheidet. Sie untersuchten daraus den Feuersalamander und fanden auch in dessen Blute das Salamandrin, das Gift, das er im Zustande der Erregung oder in Todesangst ausschwitzt. Schließlich untersuchten sie auch das Blut der Viper und entdeckten, daß es ebenfalls giftig ist, daß es, wenn auch in geringeren Mengen, so doch entschieden den Giftstoff enthält, den das Reptil durch seine Giftdrüsen abscheidet. Wir erfahren daraus, daß der Giftstoff nicht ausschließlich in den Giftorganen jener unheimlichen Tiere gebildet wird, sondern deren gesamten Körper durchtränkt – und da ist es kein Wunder, daß sie gegen das Gift ihresgleichen gefeit sind. *     



Inhalt: [Verzeichnis der Beiträge in GL 1895, Heft 18 – noch nicht transkribiert.]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_308.jpg&oldid=- (Version vom 19.7.2023)