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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

So wurde ein verklamtes Schmaltier, das nicht mehr stehen konnte und zweifellos bei der grimmigen Kälte in kurzer Zeit eingegangen wäre, von zwei Forstaufsehern gefunden und zur nahen Försterei Rehhagen gebracht. Der Förster flößte ihm sofort warme Kuhmilch ein, gab ihm dann aufgelöstes Glaubersalz zu trinken, weil erfahrungsmäßig solche im Winter aufgefundene Stücke an Verstopfung leiden – und heute ist dasselbe so gesund und munter und auch so zahm, daß es nicht nur der Förster, sondern auch seine Familienmitglieder streicheln können, und es ihnen willig das Futter aus der Hand nimmt. Ob es aber aus Dankbarkeit gegen seine Wohlthäter, wenn es freigelassen wird, in der Nähe der Försterei seinen Stand nimmt oder hin und wieder zurückkehrt oder sich im Freien streicheln lassen wird, dürfte doch wohl zweifelhaft sein. Karl Brandt.     

Zum fünfzigjährigen Bestehen des Bades Oeynhausen. Am 25. Juni d. J. ist ein halbes Jahrhundert vergangen, seitdem eine der segensreichsten Schöpfungen Friedrich Wilhelms IV. zum Wohle der kranken Menschheit erstanden ist, das Bad Oeynhausen. Wenn man auf der Fahrt von Berlin nach Köln die ehrwürdige Porta Westfalica passiert hat, wird der Reisende, dessen Auge bis dahin nur an eintönigen Getreidefeldern oder ermüdenden Wiesenflächen vorübergeglitten ist, angenehm überrascht durch die Menge freundlicher Weiler und üppiger Parkanlagen, welche nunmehr dem Blick sich darbieten. In dieser Gegend, die in der Saline Neusalzwerk schon vor 100 Jahren einen industriellen Mittelpunkt besaß, hat sich während der letzten fünfzig Jahre aus einem kleinen Dorf der stattliche Kurort entwickelt, dessen schöne Badeanlagen wir nebenstehend abbilden. Das Bad verdankt einem immerhin merkwürdigen Zufall seine Entstehung; in dem Gedanken, die Salinen zu erweitern und neue Steinsalzquellen aufzufinden, wurde im Jahre 1830 eine Bohrung unternommen, welche (nach 15 Jahren bis zu einer Tiefe von 696 Metern gebracht) zwar nicht das gewünschte Steinsalz, wohl aber eine warme Salzquelle mit reichem Kohlensäuregehalt erschloß. Der Besitzer des Grund und Bodens, der zunächst selber einige Badewannen aufgestellt hatte, weigerte sich, der königlichen Bergverwaltung, die mit der wachsenden Benutzung selbst die Abgabe der Bäder in die Hand genommen hatte, trotz hohen Angebots, das Areal abzutreten, und erst nach einem langwierigen Prozesse wurde 1844 die Anlage eines Badehauses und Kurgartens in Angriff genommen. Vier Jahre später erhielt dann der Badeort, der bis dahin nach dem benachbarten Dorfe Rehme benannt worden war, nach seinem wohlverdienten Begründer, dem Berghauptmann von Oeynhausen, seinen heutigen Namen.

Das Soolbadehaus zu Oeynhausen.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph C. Colberg in Oeynhausen.

Unter den jetzigen Gebäuden des Kurortes zeichnen sich vor allem aus das von Friedrich Wilhelm IV. aus seiner Privatschatulle erbaute und von dem Monarchen persönlich eingeweihte (neue) Thermalbadehaus – mit einem griechischen Tempel als Mittelpunkt – und das große von uns nach einer Photographie im Bilde wiedergegebene Soolbadehaus inmitten des Kurgartens, das im Jahre 1885 mit Hilfe einer vom preußischen Abgeordnetenhause bewilligten Summe von 300 000 Mark in vornehmer italienischer Renaissance erbaut worden ist. Daneben verdienen Erwähnung der in „reizend harmonischen Formen ersonnene“, inmitten von Bosketten gelegene Lese- und Musiksaal, sowie die vielfachen mit allem Komfort der Neuzeit ausgestatteten Hotels und Privathäuser, welche während der Saison (vom 1. Mai bis 30. September) den Heilung suchenden Fremden ihre gastlichen Pforten öffnen. Der herrliche Kurpark, nach den Intentionen des großen Gartenkünstlers Lenné angelegt, hat eine Ausdehnung von 180 preußischen Morgen und gehört zu den schönsten öffentlichen Gartenanlagen in Deutschland. In gleicher Weise den Interessen der Stadt und der Fremden dient das in privaten Händen befindliche Gas- und Wasserwerk (der Kurpark ist mit elektrischem Glühlicht erleuchtet); ein „Sanatorium“ bietet Gelegenheit, auch im Winter Heilung und Kräftigung zu finden, und ein neugegründetes „Schulsanatorium“ ermöglicht schulpflichtigen Kindern, die neben der Kur zugleich Unterricht genießen sollen, auch außerhalb der Ferienzeit den Besuch des Bades.

Seit seiner Entstehung ist Oeynhausen immer ein Bad für Rheumatismus und Lähmungen gewesen; die balneotherapeutischen Indikationen, wie sie im Laufe der Zeit und der fachmännischen Forschung genauer festgestellt worden sind, gewährleisten daneben auch bei allen Krankheiten, welche aus Blutarmut und unvollkommener Ernährung entsprungen sind, bei Skrofeln, Gehirn-, Rückenmarks- und Herzkrankheiten, wie endlich auch verschiedenen Frauenleiden (gewisse Formen von Bleichsucht, Hysterie, Entzündungsprozessen etc.) Heilung oder wenigstens Linderung. An Gelegenheit zu Ausflügen in die schöne Natur fehlt es nicht, es sei nur an die Nähe des Hermannsdenkmals und der Externsteine im Teutoburgerwalde erinnert. F. T ... z.     

Warnung vor Raupenhaaren. In den letzten Jahren wurde in medizinischen Blättern eine besondere Art heftiger Augenentzündungen beschrieben, die, wie die Untersuchung ergab, durch das Eindringen von Raupenhaaren ins Auge verursacht worden waren. Die Entzündung war nicht nur langwierig und mit großen Schmerzen verbunden, sondern ließ häufig als Folge eine beträchtliche Schädigung des Sehvermögens zurück. Wenn man bedenkt, daß in der Bonner Augenklinik allein an den letzten Jahren sechs solche Fälle behandelt werden mußten, und dabei erfährt, daß durchaus nicht immer ein unglücklicher Zufall die Entzündung verschuldete, sondern häufig Unvorsichtigkeit und Leichtsinn, indem die Raupe „ins Auge geworfen“ wurde, so muß man zu der Ueberzeugung kommen, daß die Gefährlichkeit der Raupenhaare in weiten Volkskreisen nicht genügend bekannt ist. Dr. Hillemans, der über eine derartige Augenentzündung kürzlich in der „Deutschen medizinischen Wochenschrift“ berichtete, meint, man sollte die am meisten in Betracht kommenden ländlichen Volkskreise doch eindringlich auf die Gefährlichkeit der Raupen aufmerksam machen. „Eine populäre Gesundheitslehre,“ heißt es am Schluß des Artikels, „würde sich in diesem Sinne auch an die Eltern zu wenden haben. Wirksamer aber dürfte es sein, wenn bei Gelegenheit des naturgeschichtlichen Unterrichts in den Volksschulen auf die Gefahr aufmerksam gemacht würde, denn die Erinnerung an eine Warnung in Kinderjahren wirkt oft nachhaltiger als alle Verhaltungsvorschriften im späteren Leben.“ *     

Am Brunnen. (Zu dem Bilde S. 445.) Sie ist die Schmuckste im Städtchen, des Bürgermeisters Töchterlein; dabei sitzt ihr der Schelm im Nacken. Weil der Vater an dem heißen Tage einmal ausnahmsweise einen Trunk frischen Wassers begehrt, hat sie selbst den Krug genommen und ist über den sonnigen Platz zum Löwenbrunnen gekommen; denn solch klares kaltes Wasser giebt es im ganzen Ort nicht mehr. Zierlich steht sie nun da und rafft das Röckchen zurück, damit es nicht naß werde. Sie scheint ganz versunken in das Brunnennrauschen und nicht zu merken, daß der Herr des Hauses, zu welchem der Brunnen gehört, ihr Persönchen durch seine Augengläser einer wohlgefälligen Musterung unterzieht. Oder thut sie nur so? Der alte Junggeselle aber oben im Fenster schmunzelt behaglich auf das saubere Kind herab. Er ist zwar unverheiratet geblieben und lebt vereinsamt in seinem Haus, aber auf Frauenschönheit und Mädchenanmut hat er sich stets verstanden – er ist ein Kenner und freut sich des seltenen Gastes an seinem Brunnen, wenn auch der Schelm unterläßt, seinen Gruß zu erwidern.


Inhalt: Haus Beetzen. Roman von W. Heimburg (12. Fortsetzung). S. 429. – Gustav Nieritz. Bildnis. S. 429. – Die Verwaisten. Bild. S. 432 und 433. – Künstliches Eis. Von A. Hollenberg. S. 435. Mit Abbildungen S. 436, 437, 438 und 441. – Die Zwillinge. Eine Skizze von E. von Wald-Zedtwitz. S. 439. – Das Urbild der Schleppe. Von C. Horst. S. 443. – Ein tiroler Bauerntheater. Von Max Haushofer. S. 444. – Am Brunnen. Bild. S. 445. – Blätter und Blüten: Gustav Nieritz. S. 447. (Mit dem Bildnis S. 429.) – Die Verwaisten. Von karl Brandt. S. 447. (Zu dem Bilde S. 432 und 433.) – Zum fünzigjährigen Bestehen des Bades Oeynhausen. Mit Abbildung. S. 448. – Warnung vor Raupenhaaren. S. 448. – Am Brunnen. S. 448. (Zu dem Bilde S. 445.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 448. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_448.jpg&oldid=- (Version vom 18.7.2023)