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verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

will dabei das indische Verfahren im Fang und Zähmen nachahmen und hat zum Schauplatz dieser Thätigkeit das deutsche Schutzgebiet Kamerun erwählt, da dort die Elefanten noch zahlreich selbst an der Küste anzutreffen sind. Indische Elefanten sollen herangezogen werden, um den afrikanischen Wildlingen den Uebergang zum Kulturleben zu erleichtern. Das Unternehmen wird natürlich nicht unbedeutende Kosten verursachen, aber es ist auch besonderer Unterstützung von seiten der Freunde unserer kolonialen Bestrebungen würdig; denn der gezähmte afrikanische Elefant würde in Afrika noch mehr nützen als sein Vetter in Indien, er würde in den aller Last- und Zugtiere baren Gebieten zu einem gewaltigen Bahnbrecher der Kultur werden. *      

Komm’, Wackelhänschen! (Zu dem Bilde S. 453.) Unser Bild, auf welchem die erwachsenen Frauen die Tracht des deutschen Mittelalters tragen, verdeutlicht uns so recht, wie das junge Mutterglück zu allen Zeiten, wie in allen Ländern, die gleiche beseligende Wirkung ausübt. Und was dieses Glück erregt, das blühende junge Leben, dessen gedeihliche Entwicklung bei so guter Pflege, wie sie unser kleines Wackelhänschen sichtlich genießt, jeden Tag neue Ueberraschungen bietet, ist zu allen Zeiten ohne jedes Kostüm, so wie es Gott geschaffen hat, die herrlichste Augenweide für jede Mutter. An den drallen Aermchen und Beinchen, den schwellenden Speckpolsterchen des Körpers kann sie die täglichen Fortschritte bewundern, mit denen das geliebte Goldmännchen die Sorgfalt und Mühe lohnt, die sein Heranziehen von ihr gefordert. Und kommen dann die ersten Gehversuche, in solcher Stunde direkt nach dem Bad, dann giebt’s ein wahres Familienfest, an welchem alles teilnehmen muß! Schwer fällt’s ihm ja noch, dem kleinen Wackelhänschen, das Vorwärtskommen auf seinen Strampelbeinchen, aber die Mutter sieht in dem Vorgang nur die Bethätigung der wunderbar erstarkten Lebenskraft des Lieblings, und während sie die Arme ausbreitet, um ihm zu Hilfe zu kommen, schwellt ihr Herz froher Stolz.

Die gefährlichen Briefkasten. Dem heutigen modernen, riesig entwickelten Verkehrsleben ist der Briefkasten ein ganz unentbehrliches Gerät, das Tag für Tag das Ziel vieler Tausende ist. In dem Werke „Das Buch von der Reichspost“, das kürzlich in dritter Auflage bei H. J. Meidinger in Berlin erschienen ist und das wir aufs beste empfehlen können, behandelt ein kleiner Abschnitt die Geschichte des Briefkastens, denn auch dieser hat seine Geschichte, die bereits über 200 Jahre zurückreicht; auf einem Blatte des Nürnberger Kupferstechers Christoph Weigel vom Jahre 1698 ist sogar einer abgebildet. Aber was der Nürnberger Künstler schon für zweckmäßig und des Abbildens wert erachtete, fand noch im Jahre 1840 in einzelnen Hauptstädten Deutschlands keine Anwendung. Als sich in diesem Jahre ein durch Hannover reisender Sachse darüber beschwerte, daß sich am Hauptpostamte der Residenzstadt kein Briefkasten befinde, erschien in den Zeitungen eine ganze Reihe von Erwiderungen, in welchen das Verlangen als ein höchst unbilliges, die Briefkasten selbst als gemeingefährliche Einrichtungen bezeichnet wurden. Wohl ein Postbeamter, der kein ganz reines Gewissen hatte, machte darauf aufmerksam, wie es anderwärts schon vorgekommen sei, „daß von maliziösen Personen, die sich von einem Postoffizianten bei irgend einer Gelegenheit am Postbureau hart oder unzierlich begegnet glaubten, Briefe an diese Offizianten, selbst mit ganz vertrackt spitzfindigen höhnischen oder gar beleidigenden Redensarten angefüllt, natürlich ohne Namensunterschrift, in den Briefkasten gesteckt wurden. Wenn nun freilich bei uns es unmöglich ist, daß jemandem auf solche Weise wirklich hart oder unziemlich begegnet werde, so ist es dennoch unbestreitbar auf der andern Seite unmöglich, zu vermeiden, daß es hin und wieder noch Querköpfe gebe, die sich derlei wenigstens noch einbilden, und wie wäre nun gegen bosbaftes Geschreibsel solcher Phantasten noch Sicherheit, wenn so ein Briefkasten da wäre, der gewissermaßen zu jedermann sagte: Stecke nur hinein, was du willst, denn ich nehme alles auf.“

Ein anderer schildert das Aergernis, das so ein Briefkasten anstellen kann, in noch krasserer Weise: „Wer nur irgend eine Malice gegen jemand im Sinne hat, wer diesen verdächtigen will, jenem ‚einen Floh ins Ohr setzen‘, ein verlobtes Paar auseinander bringen, Eltern und Kinder, Mann und Frau, Herren und Diener etc. gegeneinander hetzen, überhaupt Zank und Argwohn säen will, von Schadenfreude und Tücke getrieben, er setzt sich hin, schreibt einen Brief voll Verleumdungen ohne Unterschrift und steckt ihn in den Briefkasten. Anderseits giebt solch ein Kasten auch eine vortreffliche Gelegenheit ab zu zärtlichen Mitteilungen, Liebesbriefchen etc., die man sonst Mühe hat, an den Mann zu bringen oder an die Frau oder Tochter. Daß damit der Anknüpfung von Liebeshändeln ein großer Vorschub geleistet werde, ist nicht zu verkennen; und, wenn angenommen, daß man nichts Besseres thun könne, als die Liebe auf jede Weise zu begünstigen, so käme es nur darauf an, zu untersuchen, ob wir nicht ohne Briefkasten bisher schon der Liebe genug in unsern Mauern gehabt hätten. Fiele die Antwort aber hierauf verneinend aus, so müßte dann letzlich entschieden werden, ob die Vorteile eines durch Briefkasten herbeigeführten größeren Liebesverkehrs so sehr die Nachteile desselben überwögen, daß man einstimmig rufen müßte: ‚Briefkasten! Briefkasten! Kein vollkommenes Glücklichsein ohne Briefkasten!‘“ H. B.     

Ein Loch im Deutschen Reiche. Durch den Bau einer Eisenbahn von dem preußischen Grenzstädtchen Herzogenrath nach Sittard in holländisch Limburg tritt jetzt wieder eine Merkwürdigkeit in den Vordergrund, die einzig in ihrer Art dastehen dürfte, nämlich eine Verbindung, zwischen beiden Nachbarstaaten „tief unter der Erd’“. Die geschichtliche Veranlassung dieser sonderbaren Kommunikation liegt Jahrhunderte zurück. Bei Herzogenrath befinden sich die ältesten Kohlengruben auf dem Kontinent und wahrscheinlich in Europa überhaupt. Wie die Chronik der alten Abtei von Klosterrath bei Herzogenrath, die aus den Jahren 1104 bis 1157 stammt, berichtet, wurde in der Nähe des Klosters im Jahre 1113 schon eine Art schwarzer Stein gefunden, welcher von Köhlern gegraben und als Brennmaterial an Stelle von Holz nicht nur von den Aebten und dem Kloster allein verwendet, sondern auch gegen Entgelt an andere zum Gebrauche als Heizmaterial abgegeben wurde. Die Besitzungen des Klosters und der Bezirk der jetzigen Gemeinde Kirchrath reichten damals bis zur Worm (Wurm). 1816 wurde jedoch bei der Grenzregulierung zwischen Holland und Preußen das Stück, welches von der Aachen-Herzogenrather Chaussee aus bis zum Wormflusse reicht, der Gemeinde Herzogenrath zugeteilt und ist damit, wie Franz Büttgenbach im Essener „Glückauf“ berichtet, mit dieser früher zum Herzogtum Limburg gehörenden Gemeinde zu Preußen gekommen, während Kirchrath, holländisch Kerkrade, Holland zugeteilt wurde. Man hatte aber offenbar nicht daran gedacht, daß das neue Grenzgebiet durch den Bergbau unterminiert war. Die auf Kerkrader Gebiet liegenden 210 Meter tiefen Kohlenschächte „Dominialgrube“ und „Patrick“ sind nämlich mit einem auf preußischem Gebiet liegenden Wasserhaltungsschacht verbunden, der zur Trockenhaltung der holländischen Kohlenfelder und zugleich als Notausgang dient. Thatsächlich hat hier das Deutsche Reich ein Loch, dem man aber weiter keine Bedeutung beimessen kann, denn jeden gefährlichen Eindringling ist man imstande, sofort – ersäufen zu können.

Aluminiumschrift. Vor einiger Zeit hat man Griffel aus Aluminium zum Schreiben auf Schiefertafeln empfohlen. Nunmehr benutzt man das leichte Metall zum Schreiben und Zeichnen auf Glas. Man hat gefunden, daß man auf reinem befeuchteten Glase mit Aluminium schreiben und zeichnen kann. Die Striche erscheinen alsdann metallisch glänzend, wenn man auf die Glastafel schaut, und dunkel, wenn man die Tafel gegen das Licht hält. Sie lassen sich sehr schwer durch Reiben entfernen und sind unlöslich in Wasser und Säuren. Da man in ähnlicher Weise auch auf Porzellan zeichnen kann, so wird diese Erfindung eine Zukunft haben. Man wird Glas und Porzellan mit Aluminiumzeichnungen und -inschriften verzieren, und Liebhaber werden davon gewiß einen ausgedehnten Gebrauch machen. *      

Ein kritischer Augenblick. (Zu unserer Kunstbeilage.) Um den Hals geht es ja nicht gerade bei dieser Unternehmung, selbst das Ertrinken dürfte in dem seichten Graben eine wahre Kunst sein, aber Courage gehört doch dazu, über den schwanken morschen Baumstamm zu laufen. Und gerade deswegen probiert es das lustige Mariandel, dem auch ein Tag scharfer Arbeit beim Heumachen noch lange nicht den guten Humor und den kecken Wagemut zu nehmen vermag. Ob der Balken sie wohl noch trägt? … Früher, als sie noch mit den Buben lief und kletterte, da war so ’was nur eine Kleinigkeit, aber heute, als erwachsene Person – hm! man probiert es halt einmal! Frisch die Schuhe herunter, und nun mit geschickt greifenden Füßen vorwärts, ein, zwei Schritte! Aber jetzt kommt’s, die Brücke fängt an zu wiegen, der Arm mit dem Rechen streckt sich weit aus, ein zweifelndes Lachen begleitet den gefährlichen Augenblick, denn es fängt in dem alten Balken an leise zu krachen und sein Ende neigt sich tiefer ins Wasser –. Wird er halten oder gleich unter seiner Last zusammenbrechen? … „Unbesorgt,“ sagt der Künstler, „seht ihr nicht die gelenken sprnngkräftigen Glieder dieses Prachtmädels? So eine plumpst nicht in den Graben, die schwingt sich, wenn der Balken bricht, mit einem Satz vollends hinüber und lacht die andern aus, die den Umweg nach der Brücke gemacht haben.“ Bn.     


Soeben erschienen und durch alle Musikalienhandlungen zu beziehen:

Gartenlaube-Walzer
von Johann Strauß.

Für Piano zweihändig … Preis 1 Mk. 50 Pf.
Für Piano vierhändig … 2 Mark.
Für Piano und Violine .. 2 Mark.
Für Zither …… 1 Mark.
Für Großes Streich-Orchester 6 Mark.
Für Kleines Streich-Orchester 3 Mark.
Für Militär-(Blas-)Musik 6 Mark.

Nachdem unsere Abonnenten zu Anfang des Jahres den „Gartenlaube-Walzer“ von Johann Strauß als Extra-Gabe erhalten haben, erscheinen neben einer weiteren Ausgabe „Für Piano zweihändig“ mit größeren Noten zum Preis von 1 Mk. 50 Pf. die oben angeführten Arrangements.

Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.

manicula Hierzu Kunstbeilage VIII: „Ein kritischer Augenblick.“ Von C. von Bergen.

Inhalt: Verlorene Spuren. Gedicht von Konrad Nies. Mit Bild. S. 449. – Vater und Sohn. Wahrheit und Dichtung. Von Adolf Wilbrandt S. 449. – Komm’, Wackelhänschen! Bild. S. 453. – Im Bann von Mekkas Thoren. Von L. E. Browski. S. 454. Mit Abbildungen S. 454, 456, 457 und 458. – Pfahlbauten. Von F. Deichmüller. S. 459. (Zu dem Bilde S. 461.) – Haus Beetzen. Roman von W. Heimburg (13. Fortsetzung). S. 460. – Ein oberbayerischer Pfahlbau. Bild S. 461. – Junge Liebe. Bild. S. 465. – Wolkenbrüche. Von M. Hagenau. S. 466. – Blätter und Blüten: „Vergiß die treuen Toten nicht!“ S. 467. – Abnahme der Tuberkulose. S. 467. – Die Zähmung der afrikanischen Elefanten. S. 467. – Komm’, Wackelhänschen! S. 468. (Zu dem Bilde S. 453.) – Die gefährlichen Briefkasten. S. 468. – Ein Loch im Deutschen Reiche. S. 468. Aluminiumschrift. S. 468. Ein kritischer Augenblick. S. 468. (Zu unserer Kunstbeilage.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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