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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

die Höhe ziehend. „Ja, Philipp, ich lieb' Euch. Schon als ich Euch zuerst sah, als Ihr so gut gegen uns wart, und meinen Bruder dem Volke entzogt“ –

Du, sag’ lieber: „Der Wut des Volkes entzogt“, warf Toni im hastigen Schreiben ein.

Ja: „der Wut des Volkes“ . . . „Schon damals fühlte ich es, wie selig war ich in deiner geliebten Nähe“ (o Rudolf! dachte Helene), „wie selig, wenn dein Auge mich traf. Ja, ich lieb’ Euch leidenschaftlich . . . Doch, Philipp! – Armbella wird ernster, zuletzt drohend – Ihr seid von königlichem Blute, Ihr könntet mit mir spielen. Doch bedenket, daß auch ich meinen Stolz habe, und Ihr könntet es bereuen. – Arabella fällt in den alten, liebedurchdrungenen Ton zurück: Doch ich will’s nicht glauben, daß Du so sein könntest, ich weiß es, Du kannst mich nicht vergessen, Du bist mein Engel! – Sie fällt vor ihm nieder und will seine Hände küssen; er hebt sie auf“ –

Halt! schrie Toni; das ist meine Sache. Philipp dichte ich! – „Er hebt sie auf und umarmt sie. Plötzlich scheint ihm etwas einzufallen; er stößt sie zurück, indem er ausruft: Mein Gott, was habe ich gethan! Johanna! – Er wirft einen gebrochenen Blick auf Arabella und stürzt hinaus.“

Ja, er stürzt hinaus, sagte Helene nickend. Und Arabella „hat ganz erstarrt dagestanden mit einem Ausdruck von Angst im Antlitz; jetzt schlägt sie die Hände vors Gesicht: Weh mir!“

Schneidend,“ ergänzte Toni.

Na ja: „schneidend: Weh mir! – Sie fällt besinnungslos zu Boden –“

„Und der Vorhang fällt!“

Helene wiederholte triumphierend: „Und der Vorhang fällt!“

Jetzt ward aber an die Thür gepocht; schon zum zweiten Mal; das erste hatten sie im Feuer des Dichtens überhört. Tolle Mädels ihr! rief Volkmar draußen auf dem Vorplatz. Um Zwölf wolltet ihr aufhören. Es hat Eins geschlagen, Mutting ruft zu Tisch!

(Fortsetzung folgt.)


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Die Papierwunder.

Von Eduard Grosse.


Wie früher alljährlich wunderbare Erzählungen über die fabelhafte Seeschlange durch die Tagesblätter liefen, so liest man jetzt jedes Jahr erstaunliche Dinge über die neuesten „Papierwunder“. Da wird erzählt von „Papiereisenbahnrädern“, von „Papiereisenbahnschienen“, von „Papierhufeisen“ und ähnlichen Dingen, die man sonst nur aus hartem Stahl und Eisen anzufertigen vermochte. Der Laie, welcher diese Nachrichten mit gläubigem Sinne liest, bringt die schweren, ungeheure Lasten tragenden Eisenbahnräder und Schienen sofort in Nebeneinanderstellung mit dem zarten schmiegsamen Briefpapier, auf das man Liebesschwüre und Freundschaftsbeteuerungen schreibt, und sein Staunen über die Wunder des papiernen Zeitalters ist grenzenlos.

Sieht man sich die vielgenannten Papierwunder etwas näher an, so findet man freilich, daß die Nebeneinanderstellung mit dem zarten, schmiegsamen Papier oft etwas weit hergeholt ist. Viele dieser Wunder, über welche die Tageszeitungen berichten, sind überdies nur Erfindungsversuche, die sich in der Praxis oft unbrmuchbar erweisen. So hat man allerdings einmal versucht, Eisenbahnschienen aus Pappmasse herzustellen, es giebt aber – so viel mir bekannt – keine Bahn, welche solche Schienen verwendet. Die „Papiereisenbahnräder“ bestehen in Wirklichkeit aus Stahl und Eisen, und nur zwischen dem Stahlreifen und der Nabe befindet sich eine hartgepreßte Pappfüllung, wie früher zu diesem Zweck vielfach Holzfüllungen verwendet wurden. Das einzige „Wunder“ an denselben ist demnach der Name „Papierräder“, den sie streng genommen ohne Berechtigung führen.

Was wir mit dem Namen Papier bezeichnen, sind bekanntlich dünne Blätter, die zum Beschreiben Bedrucken, zum Zeichnen, Einwickeln und dergleichen dienen. Sobald die Blätter dick und nicht geschmeidig sind, nennen wir sie Pappe. Zu den sogenannten „Papiergegenständen“, wie Papiereimern, Papierfässern, Papierschüsseln, Papierknöpfen und ähnlichen Dingen wird meist Pappe verwendet, seltener Papier. Letzteres findet dagegen mehr Verwendung zu den Papierschiffen und Papierkuppeln.

Sowohl die Pappe wie das Papier erfährt zu diesen Zwecken jedoch eine Umarbeitung, welche sie außen und innen wesentlich verändert. Sie werden mit Oel, mit Firnissen, mit Chemikalien getränkt, wodurch ihre Stoffzusammensetzung einen Zusatz erhält, sie werden mit heißem Eisen geglättet und unter gewaltigem Druck von 120 und mehr Atmosphären steinhart gepreßt, wodurch auch der ursprüngliche Rohstoff seine Lagerung und sein Gefüge vollständig ändert – kurz, es geht mit ihnen eine so durchgreifende Aenderung vor, daß hiernach ihr Name Papier und Pappe eigentlich gar nicht mehr zutreffend ist.

Das Papier und die Pappe bestehen aus denselben Rohstoffen wie unsere Leinen- und Baumwollengewebe, nämlich aus Pflanzenfasern. Die Leinwand wird erzeugt, indem die Fasern gesponnen und gewebt werden, zur Papiererzeugung werden die Fasern dagegen in den sogenannten „Holländern“ unter Wasserzufluß äußerst fein gemahlen und zerkleinert. Die gemahlenen Fasern bilden mit dem Wasser eine flüssige Masse, die auf ein Metallsieb der Papiermaschine geleitet und hier kräftig durcheinandergeschüttelt wird, wodurch sich die Fasern kreuz und quer lagern und zu dem Papierblatt verfilzen. Durch Leimen, Pressen und Glätten erhält das Papier seine Vollendung.

Zerreißt man ein Stück Papier, so sieht man an den Rißstellen die äußerst zarten, flaumartigen Fasern hervorstehen. Noch deutlicher erkennt man die Fasern und ihre Lagerung, wenn man ein Stück Seiden- oder Cigarettenpapier aufweicht und die zerteilte Masse unter ein Mikroskop bringt. Man bemerkt, daß sich längere Fasern, die an ihren Enden in sehr feine Faserbündel auslaufen, über die ganze Fläche erstrecken; zwischen ihnen sind kleine, sehr dünne Fasern eingebettet, und das Ganze bildet ein Fasergewirr, das in seinen vielfachen Durchschlingungen und Kreuzungen aneinanderhaftet und ein festes Papierblatt ergiebt. Durch das Leimen und Glätten wird den Fasern ihre Saugfähigkeit genommen und die glatte Papieroberfläche erzeugt.

In neuer Zeit werden die Leinenhadern, welche früher hauptsächlich zur Papiererzeugung dienten, nur noch zu besonders guten Papieren benutzt. Zu gewöhnlicheren Schreib-, Brief- und Druckpapieren verwendet man andere Rohstoffe, die man den Pßanzen direkt entnimmt, hauptsächlich die Fasern oder den Zellstoff unserer Waldbäume. Man gewinnt den Papierstoff von den Bäumen entweder durch Schleifen des Holzes auf großen Schleifsteinen oder durch ein chemisches Verfahren, welches bezweckt, das Holz durch Säuren und Dämpfe aufzulösen und die zarten Fasern von den sie umgebenden Holzteilen zu befreien.

Der chemisch anfgelöste Holzstoff, den man gemeinhin „Cellulose“ nennt, zeigt sehr zarte und geschmeidige Fasern, die ein reines und gut aussehendes Papier ergeben. Man war der Meinung, in der Cellulose auch hinsichtlich der Dauerhaftigkeit einen vollständigen Ersatz für die Hadern gefunden zu haben, in neuerer Zeit wurde diese gute Meinung jedoch stark erschüttert. Ein tüchtiger Papierfachmann wies nach, daß die Cellulose im Laufe der Zeit wahrscheinlich wieder verholzt, wodurch das Papier an Güte verliert. Mikroskopische Untersuchungen liefern außerdem den Beweis, daß die Holzfasern nicht die guten Eigenschaften der Leinenfasern besitzen. Sie sind weniger verfilzungsfähig, zeigen an den Enden nicht die geschmeidigen Faserbündel wie jene, sondern brechen schroff und ohne Uebergang ab. Das sieht man deutlich an unsrer Abbildung „Papierfasern“, die ich Carl Hofmanns „Handbuch der Papierfabrikation“ entnommen habe, und die stark vergrößerte Leinen- sowie Holzzellstofffasern zeigt.

Nachdem es gelungen war, die Holzfaser als Ersatz der Leinenfaser zum Papier zu verwenden, tauchte in einigen Erfinderseelen der kühne Gedanke auf, das Holz auch zur Herstellung von – Kleiderstoffen zu benutzen. Der Gedanke lag nahe, seiner Verwirklichung war jedoch die allgemeine Kürze der Holzfasern hinderlich, die im Papier eine Länge bis zu 4,5 mm haben, wogegen die Leinenfasern bis zu 30, die Baumwollenfaserm bis zu 40 mm Länge besitzen. Es galt also, die Holzfaser in größerer Länge zu

gewinnen, damit es möglich wurde, sie zu spinnen und zu weben.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 490. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_490.jpg&oldid=- (Version vom 19.7.2023)