Seite:Die Gartenlaube (1895) 623.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

gewordenes Heu und merken, daß dieses bedeutend wärmer ist als die Luft. Je tiefer wir nun eindringen, desto brauner, dunkler ist das Heu, desto größer die Hitze, und nun dampft es aus dem Haufen; noch ein paar Gabelstiche, da stoßen wir auf verkohltes Heu, das schwarz aussieht, und nun schlagen uns Rauch und Flammen entgegen.

Wie hat sich hier das Heu von selbst entzündet? Nun, ein kleines Wesen hat den Brand gestiftet, und wer ein Mikroskop besitzt, kann es mit Leichtigkeit betrachten. Es ist ein Bacillus, ein stäbchenförmiges bewegliches Gebilde, das man mit dem Namen Heubacillus belegt hat, da es stets auf Gräsern und im Heu vorkommt. Wird nun das Heu nicht gehörig getrocknet, zu großen Mieten oder Haufen zusammengestapelt, dann lebt der Bacillus in der Feuchtigkeit fort auf Kosten der Reste der Grassäfte. Er zersetzt sie dabei, und indem er atmet, erzeugt er Wärme. Im Innern des Heuhaufens, wo Milliarden und Milliarden der Bacillen wuchern, kann die Wärme nicht verfliegen; denn das Heu ist ein schlechter Wärmeleiter und läßt die Wärme nicht nach außen dringen. So steigt die Temperatur im Herzen des Heuhaufens auf 50, ja 70 Grad Celsius und die Bacillen leben noch in dieser Hitze fort, als ob sie „Heißluftatmer“ wären. In dieser Wärme beginnen nun die Bestandteile der Grashalme sich zu zersetzen, und auch diese chemischen Prozesse erzeugen Wärme, nun steigt die Hitze auf 100 Grad Celsius und darüber. Jetzt sterben die Bacillen in der Glut, die sie selbst angeregt haben, aber der Zerfall der Grasfasern schreitet vorwärts. Sie verkohlen schließlich, werden schwarz, bestehen fast aus reiner Kohle, obwohl man an diesen schwarzen Massen noch deutlich die feine Struktur jedes Hälmchens und jedes Blättchens sieht. Diese neu entstandene Kohle ist nun in hohem Grade porös und wie frisch geglühte Holzkohle saugt sie begierig und verdichtet die Gase, die sich bei der Zersetzung gebildet haben. Da entsteht neue Wärme durch Verdichtung und die verkohlten Fasern beginnen zu glühen. So frißt der Brand im Heuhaufen weiter, bis er an die Oberfläche gelangt, dann genügt ein leiser Luftzug, um die glimmende Masse in hellen Flammen auflodern zu lassen. So haben in diesem Falle winzige Lebewesen den Anstoß zur Selbstentzündung gegeben und dieselben Heubacillen sind auch, wie Prof. Cohn in Breslau nachgewiesen hat, die Brandstifter der so oft qualmenden Misthaufen.

Wir ersehen aus dieser Darstellung, daß nur große Heumieten, in welchen die Wärme sich ansammeln kann, der Gefahr der Selbstentzündung ausgesetzt sind; die Landwirte haben das lange, bevor man die Heubacillen entdeckte, gewußt und wußten auf verschiedene Weise sich vor diesen Unfällen zu schützen. Man setzt das Heu in kleineren von allen Seiten freien Haufen auf, oder legt im Innern der größeren Schächte an, die ins Freie münden. Durch diese Kanäle streicht die Luft und nimmt Wärme fort, der Haufen kann sich darum in seinem Innern nicht in gefährlicher Weise erhitzen. In Holland sucht man der Selbstentzündung der Heuhaufen vorzubeugen, indem man Salz zwischen Heu streut. Salz zieht Feuchtigkeit an und ist ein gährungswidriges Mittel; es macht also in der That den brandstifterischen Heubacillen das Leben schwer. Vielfach werden auch die Heuhaufen mit eisernen Stangen untersucht, ob sie sich im Inneren erhitzt haben; man kann, wenn man die Erwärmung frühzeitig wahrnimmt, das Heu auseinanderwerfen und umarbeiten, wodurch die Entzündung verhütet wird. Von außen läßt sich die Gefahr nicht bemerken; denn die äußerste Schicht ist noch kühl, während im Inneren ein Brandherd mit einer Glut von 300 Grad Celsius lodert – so schlecht leitet Heu die Wärme.

Wir haben vor den Augen unserer Leser ein eigenartiges Gebiet wissenschaftlicher Forschung entrollt, Fragen berührt, die für all und jeden von Interesse und Bedeutung sind, und wir schließen diese Skizzen mit den wahrheitsvollen Worten Dr. L. Häpkes: „Gesetze und Verordnungen, die doch nur zu häufig übertreten werden, helfen (bei Verhütung von Brandschäden) wenig. Viele Unglücksfälle entstehen aus Leichtsinn, noch viel mehr aber aus Unwissenheit. Das wirksamste Gegenmittel besteht in Belehrung sowie Schärfung der Aufmerksamkeit und des Gefühls der Verantwortung. Die zahllosen Entdeckungen, die in unseren Tagen auf dem Gebiete der Naturwissenschaften gemacht sind und der Menschheit den Kampf ums Dasein erleichtern, finden immer mehr Anwendung im praktischen Leben. Es ist daher ein dringendes Bedürfnis, das Verständnis für dieselben zu wecken und die Kenntnisse der elementaren Begriffe der Physik und Chemie im Volke zu verbreiten, damit die häufigen Unglücksfälle nicht bloß bei Selbstentzündungen, sondern überhaupt vermieden werden.“


Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.

Die braune Marenz.

Erzählung von Charlotte Niese.

     (1. Fortsetzung.)

Am andern Morgen, als ich über die Straße ging, lief Marenz plötzlich hinter mir her.

„Hör, hörmal, ich muß Dich mal was fragen!“

Atemlos stellte sie sich vor mich hin und strich sich die Haare aus der Stirn.

„Weißt nich vielleich von ein Mann, der Geld, einen Berg Geld verloren hat? In Laden haben die Leute mal sowas gesnackt!“

„Gewiß weiß ich davon!“ nickte ich. „Herr Dorning hat einen Beutel mit achthundert Speziesthalern verloren und kein Mensch hat ihm das Geld wiedergebracht! Mitten im Schnee war es!“

Marenz seufzte.

„Achhunnert Thalers! Darum war’s auch so bannig swer! O, was’n Hümpel Geld!“

„Hast Du den Beutel gefunden?“ rief ich in großer Erregung und Marenz lachte.

„Nu, natürlicheweise! Als ich gestern von mein Brottour nach Hause gehen wollt, hab ich ein kleinen Umweg gemach! –“ Sie stockte ein wenig, ehe sie weiter sprach.

„Da is nämlich ein Swester von Johann Kühl, die dient bein Bauern in Rixdorf und ich wollt ihr gern mal sehen. Abers wie ich hinkam, so is da gerade Slachterei und sie hatt kein Zeit for mir, so daß ich man flinkemang mit mein klein Wagen nach Hause fuhr. Oltensch is gräsig, wenn ich mir verspäten thu, ganzen gräsig und so bin ich so snell ich konnte, den Weg lanker gefahren. Abers da hab ich den Graben nich gesehen, weil der Snee da über lag und mit einmal sack ich ein und mein Wagen sackt auch ein und ich stoß mein Bein an ganz was Hartes, was tief in Graben lieg! Na, als ich mir aufrappel, seh ich nach, was das Harte is, und da is es ein Beutel mit forchbar viel Geld ein! Oha – was’n Schreck! Kaum, daß ich ihm bören[1] und auf’n Wagen setzen konnt! Denn liegen lassen mocht ich ihm doch nich, weil daß ich gehört hatt, daß jemand ein Beutel mit was ein verloren hatt, und sowas is ja woll doch unangenehm! So bin ich denn mit ihn nach Hause gefahren und das alte Ding war swer genug auf’n Wagen, kann ich Dich sagen! Ich hab da orrentlich bei geswitzt, und nahstens wußt ich gar nich, wo ich ihm verwahren sollt, weil daß ich ja gar nich weiß, was die Leutens mit ihre Geldbeutels thun! Gieb ihn man den besten Platz, hab ich bei mich gedach und so hab ich ihm denn in mein Bett genommen und denn habe ich mir gräsig gegrault, weil daß ich ümmer an Diebens denken mußt, an die ich in meinen irdischen Leben noch niemalen gedach hab. Und was hab ich slecht geslafen! Du mein Heiland, was haben die Reichens es slecht! Uemmer, wo ich lag, wollt das alte Ding auch liegen, und wenn ich ihm anrührte, denn klirrt er, as wenn er über mir lachte. Er wußt woll, daß er inn verkehrten Bett lag. Was freut ich mir, as es Tag wurde! Kann ich ihm nich snell wieder loswerden?“

„Loswerden?“ wiederholte ich. „Willst Du das Geld nicht behalten?“

Sie sah mich entsetzt an.

„Was soll ich mit den Klimperkram? Meinst, daß ich noch einmal so slecht slafen will? Und denn gehört es mich ja, Gott sei Dank, nich!“

Jürgen und ich hatten abgemacht, wenn wir das Geld fänden, dann wollten wir es behalten und uns etwas Wunderbares dafür kaufen. Wir hatten uns schon auch darüber gezankt, denn unsere Ansichten über das Wunderbare gingen manchmal etwas auseinander. – –


  1. heben.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 623. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_623.jpg&oldid=- (Version vom 20.7.2023)