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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)


Der Neuangekommene war der Fischhändler Huber von Haslach. Er hatte drüben im Kaltbrunn einen größeren Vorrat von Forellen geladen und war früh morgens von dort aufgebrochen, um vor Eintritt der heißen Tageszeit mit seiner feuchten Last noch zu Hause einzutreffen. Bis er dies Ziel aber erreicht, muß er noch eine bedeutende Strecke zurücklegen. Ein so weiter Transport ist aber den Forellen, welche an frisches, fließendes Wasser gewöhnt sind, nicht zuträglich, das Wasser muß deshalb von Zeit zu Zeit erneuert werden. Wie der Fischhändler dies bewerkstelligt, hat der Maler auf unserem nebenstehenden Bilde so anschaulich und naturgetreu dargestellt, daß eine weitere Erklärung nicht notwendig ist. Nur was man auf der Illustration nicht sehen kann, möge hier noch kurz erläutert werden. Während nämlich das Faß von oben mit frischem Wasser gefüllt wird, muß das matt und unbrauchbar gewordene durch einen Ablaß entfernt werden. Dabei hat aber der Fischhändler große Vorsicht zu beobachten, denn dem offenen Spundloch würden sich die Forellen sofort nähern und den Abfluß dadurch verstopfen. Deshalb treibt er ein keilförmiges Stück Holz in das Spundloch ein, so daß die Fische nicht unmittelbar vor die Oeffnung gelangen können.

Forellenhändler am Dorfbrunnen.

Die Aufmerksamkeit der Kurgäste wendete sich nun ausschließlich dem Fischhändler und seiner Hantierung zu. Und in der That, der kraftstrotzende Mann verdient vollauf das Interesse, welches ihm namentlich von den Damen zugewendet wurde, als der Ochsenwirt sie im Vertrauen versicherte, daß die Lebensgeschichte des Händlers wohl Stoff zu einem kleinen Roman gebe. Und dem allgemeinen Drängen gern nachgebend, erzählte er, wie der Mann als bescheidener aber intelligenter Schulgehilfe eines benachbarten Schwarzwalddörfchens einen Teil seiner Mußestunden der Forellenfischerei widmete. Regelmäßig brachte er seine Ausbeute nach Haslach. Eines Tages aber gelang dem jungen Mann ein ganz außerordentlicher Fang. In seinem Netze hielt er – einen Goldfisch? Nein, aber das Herz der bildhübschen Tochter des reichen Fischhändlers. Da aber eine schöne Fischerin ohne Herz nicht leben kann, so schenkte sie dem kühnen Fischer zu dem gefangenen Herz ihre Hand und der Vater dazu seinen Segen. Der solchermaßen beglückte Schulgehilfe hing nun den Bakulus an den Nagel und übernahm das Geschäft seines Schwiegervaters. Und wer in Haslach die freundliche Fischhändlerin gesehen, hat auch sofort die Ueberzeugung gewonnen, daß dieselbe ihre Wahl noch nie bereut hat, trotzdem sie gleich der Forelle ihrer schönen Heimat eine Beute des „Raubfischers“ geworden ist.


Blätter und Blüten.


Kaiser Wilhelm II. auf dem Manöverfelde (Zu dem Bilde S. 632 und 633.) Man weiß, daß Kaiser Wilhelm II. Soldat durch und durch ist, und besonders zeigt sich dies gelegentlich der allherbstlich stattfindenden Manöver. Da tritt die Eigenschaft des Monarchen als „oberster Kriegsherr“ ganz in ihr Recht, und mit ihr zugleich erfüllt sich die Wahrheit des bekannten Wortes: „Willst du Frieden haben, so bereite dich für den Krieg vor.“ Mehr wie jemals sind die Manöver jetzt eine Probe der Leistungsfähigkeit und Tüchtigkeit der Offiziere wie Mannschaften auf den Ernstfall. Der Kaiser hat im Hinblick auf mögliche kriegerische Verwicklungen vielfache Umwandlungen in der Armee geschaffen, und wenn auch häufig der einzelne davon hart betroffen und allen Volksschichten manch schweres Opfer auferlegt wurde, so hat sich entschieden während der letzten Jahre die Schlagfertigkeit der gewaltigen deutschen Heeresmassen ganz bedeutend gehoben, und die fremden Militärbevollmächtigten, welche stets den großen Manövern beiwohnen, sind voll der Anerkennung über all das, was sie in diesem „Krieg im Frieden“ erfahren und beobachtet haben. Nicht zuletzt über die Hingabe des Kaisers an seine militärischen Pflichten – man muß ihn gesehen haben, etwa wie ihn der Maler unseres Bildes darstellt: in der Garde-Kürassier-Uniform auf feurigem Rosse über das Manövergelände sprengend, daß seine Umgebung, zu der auch der Leibgendarm mit der purpurseidenen Kaiserfahne gehört, kaum zu folgen vermag, scharfen Blickes die Truppenbewegungen verfolgend und häufig durch ein kurzes Kommando selbst eingreifend. Um die geringste Einzelheit kümmert er sich dann, er behält jede Compagnie, die im Bereiche seines Blickes ist, im Auge und überzeugt sich oft persönlich, ob seine Befehle auch in den kleinsten Beziehungen richtig ausgeführt wurden. Wiederholt hat er selbst die Vorpostenstellungen noch in den letzten Momenten geändert, wie er sie auch durch nächtliche, sehr überraschende Besuche gelegentlich kontrolliert. Denn persönliche Müdigkeit scheint er in jenen Manövertagen nicht zu kennen, oft verläßt er schon um drei oder vier Uhr morgens sein Quartier, um erst in der sechsten oder siebenten Abendstunde dorthin zurückzukehren. Die dazwischen liegende Zeit bringt er größtenteils auf dem Pferde zu; ein guter und sicherer Reiter, taucht er, meist völlig unvermutet, mit seinem Stabe bald hier und dort auf, greift überall ein und bekümmert sich stets angelegentlich in erster Linie um die Mannschaften, für deren leibliches Wohl er sichtlich Sorge trägt.

In der Kritik ist der Kaiser sachlich und ruhig; so wohlwollend er tüchtige Leistungen anerkennt, so scharf versteht er auch zu tadeln, und manch höherer Truppenführer mag dem laut über das Feld ertönenden Signale, welches zur Kritik ruft, nur bangen Herzens folgen. Denn nicht immer geht es so gelinde ab wie dereinst bei einer in der Nähe Spandaus vorgenommenen Manoverübung, wo die Verteidigung einer Stellung ziemlich verunglückt war und es bei der alsbald folgenden Kritik nicht an beklommenen Mienen fehlte. „Ja, meine Herren,“ sagte da der Kaiser, „jene Position ward wenig gut gehalten, ich kann Ihnen nur sagen“ – erneutes Herzklopfen an verschiedenen Stellen – „daß Sie mit den Mannschaften im Ernstfalle einfach ... im Wurstkessel gewesen wären!“ Das Berliner Wort, lächelnd vorgebracht, erlöste plötzlich diesen und jenen sonst so gefürchteten Hauptmann und Major von seinen Beklemmungen und ließ den schon im Geiste erblickten „blauen Brief“ schnell wieder verschwinden. So ernst es auch der Kaiser mit seiner Pflichterfüllung als oberster Kriegsherr nimmt: sein Wunsch ist es sicherlich wie der des deutschen Volkes, daß es in langer Zeit nicht nötig zu sein braucht, die „Probe auf das Exempel“ im Kriegsfalle zu machen. P. L-g.     

Der Gedenk- und Aussichtsturm auf dem Schlachtfelde von Gravelotte, von dessen Projekt wir den Lesern bereits in Nr. 5. des l. J. Mitteilung machten, ist nun vollendet. In der Reihe von Gedächtnisfeiern an die siegreichen Schlachten bei Metz, welche am 17. und 18. August in der alten Moselfeste und in deren Umgebung festlich begangen wurden, bildete die Einweihung des auf dem hÖchsten Punkte des Schlachtfeldes bei St. Hubert sich erhebenden Turmes den Hohepunkt. Am Nachmittag des 18. August gegen vier Uhr harrte eine vieltausendköpfige Menge dem Beginn der Feier. Von Straßburg waren Staatssekretär von Puttkamer und Unterstaatssekretär von Schraut zur Vertretung derselben herbeigekommen, der Statthalter Fürst Hohenlohe-Langenburg war durch den Grafen Zeppelin vertreten; aus Metz war der Kommandierende General Graf Häseler mit der gesammten Metzer Generalität und vielen Offizieren anwesend. 27 Vereine mit ihren Fahnen bildeten einen weiten Kreis um den festlich geschmückten Turm. Nachdem die Militärmusik mit dem Choral „Nun danket alle Gott“ die Feier eröffnet hatte, trat Generallieutenant von Arndt, der Vorsitzende des Baukomitees, auf die Stufen vor dem Turm, um mit einer warm empfundenen Ansprache das Bauwerk an die Landesregierung zu übergeben. Die Uebernahme seitens der Regierung erfolgte durch den Bezirkspräsidenten Freiherrn von Hammerstein. In seiner Antwort führte er aus, wie das monumentale Bauwerk als ein Zeichen der Dankbarkeit emporrage für die vor einem Vierteljahrhundert hier im heißen Kampfe fürs Vaterland gefallenen deutschen Krieger, als ein Gedenkturm, dessen Anblick den Besucher der Schlachtfelder an die Großthaten derer erinnern soll, die hier den ewigen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 647. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_647.jpg&oldid=- (Version vom 20.7.2023)