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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Schlaf schlummern. Wie General von Arndt seine Anspräche mit einem Hoch auf den Kaiser geschlossen hatte, so schloß Präsident von Hammerstein mit einem solchen auf das Vaterland, das die heutige Generation zu schirmen ebenso bereit sein müsse wie die Sieger von 1870. Und „Deutschland, Deutschland über alles“ ertönte zum Schluß der gemeinsame Gesang der Festversammlung.

Aussichtsturm bei Gravelotte und Gruppe mit dem Festkomitee.
Nach Aufnahmen von Hofphotograph Eugen Jacobi in Metz.

An der Stelle, wo sich das Bauwerk befindet, bei Point du jour, hat vor 25 Jahren der Kampf am hartnäckigsten gewütet. Aus freiwilligen Spenden All-Deutschlands aufgebaut, erhebt sich der Turm kraftvoll und schlank 30 Meter vom Boden. Die Aussicht von ihm umfaßt nicht nur die Schlachtfelder und Metz, sondern reicht weithinein in die anmutige Mosellandschaft. Die Gruppe, welche unser zweites Bildchen zu Füßen des Turmes zeigt, vergegenwärtigt diejenigen, die sich um das Zustandekommen des Bauwerks am meisten verdient gemacht haben: der Präsident des Baukomitees General von Arndt und die ausführenden Mitglieder Sachs, Jacobi, Wahn, Weisert bilden die vorderste Reihe.

Kriegsgefangen. (Zu dem Bilde S. 641.) Die Garde versteht sich darauf, Kriegsgefangene zu machen, das hat sie vor fünfundzwanzig Jahren bewiesen. Solche Ueberlieferungen pflanzen sich fort, und auch im Manöver kann man Kriegsgefangene machen. Der Sergeant Kulicke hat erst gestern eine Geschichte zum besten gegeben, die er einmal im „Soldatenfreund“ gelesen, wie der alte Kaiser Wilhelm, als er noch ein junger Prinz war, beim Manöver von einer Feldwache der Gegenpartei gefangen genommen worden sei, die dafür ganz besonders gelobt wurde. „Um so was fertig zu bringen, muß man aber immer auf dem sogenannten Kiwih sein und mehr strategische Schneidigkeit haben wie ihr schläfrigen Kerls!“ war freilich Kulickes Zusatz gewesen. Trotzdem aber bietet sich den beiden tapferen Kriegern auf unserem Bilde doch ebenfalls Gelegenheit, einen Kriegsgefangenen zu machen, und zwar noch nach Beendigung des heutigen Manövers. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, und der „Affe“ begann bedenklich zu drücken, als es endlich hieß „Gewehr in Ruh! Halt!“ Die Mannschaften rücken ab und suchen ihre Quartiere auf, so auch jene beiden. Das Söhnchen ihres Quartiergebers hat sich zu Ehren der erwarteten Soldaten in kriegerischen Schmuck geworfen. Der Kleine hat sich den Helm mit dem wallenden Busch, den ihm das Christkindchen vorige Weihnachten gebracht, aufgesetzt, seine hölzerne Flinte zur Hand genommen und stolziert nun so vor dem elterlichen Gehöfte auf und nieder. Beim Näherkommen gewahren ihn die beiden Marssöhne, und um sich einen Spaß zu machen, schleichen sie leise näher und stürmen dann ganz überraschend mit lautem Hurra und mit gefälltem Gewehr auf den kleinen Soldaten los, ihn für ihren Kriegsgefangenen erklärend. Der aber läßt jetzt erschrocken die Flinte fallen und fängt mächtig an zu heulen, so daß die beiden Mühe haben, ihn wieder zu beruhigen, indem sie ihm versichern, das sei ja nur ein „Ulk“ gewesen. Da ist das kleine Mädchen doch viel tapferer, das mit dem jüngsten Brüderchen auf dem Arme dem Vorgange zuschaut. Sie lacht über den furchtsamen älteren Bruder und ist offenbar – gleich der Mehrzahl der erwachsenen Evastöchter – der Ansicht, daß die Krieger mit „zweierlei Tuch“ gar nichts Furchtbares und Schreckenerregendes an sich haben – im Gegenteil! Sie würde deswegen auch gewiß nicht weinen, wenn die schmucken Soldaten sie kriegsgefangen nehmen wollten. F. R.     

Im Zeichen der sauren Gurke. (Zu dem Bilde S. 637.) Wer in den letzten Sommerwochen von der Reichshauptstadt aus dem kühlen Kamme des Riesengebirges zustrebt, dem bietet sich unterwegs, da wo er es vielleicht am allerwenigsten vermutet, mitten im tiefsten Sande der sandigen Mark, ein eigenartiges und vergnügliches Schauspiel. Der Zug hat eben ein unermeßlich ödes Heideland durchbraust, unverfälschte „Lüneburger“ Heide, jämmerlich arme Kiefernwaldungen, die aus schierem, blendend weißem „Brandenburger Schnee“ traurig aufstreben – da verändert sich wie mit einem Zauberschlage das Landschaftsbild, eine Vegetation voll Ueppigkeit und Kraft verdrängt plötzlich die melancholische Armut, wir umfahren das berühmte Spreewaldgebiet! Und nun winken schon die im dunklen Grün versteckten, roten Dächer der Hauptstadt dieses Wendenländchens, Lübbenaus, herüber, die Spreekanäle leuchten blau auf, fruchtbare Niederungen breiten sich weit vor unseren Blicken … gesegnete Gefilde, voller Anmut, Schönheit und Reichtum! Kennten wir nicht die Rolle, die Lübbenau und sein „Hinterland“ im Haushalte Berlins spielen, so würde sie uns doch in der nächsten Minute klar sein. Der kleine Bahnhof ist dicht besetzt von schmucken Wendendirnen, die in großmächtigen Körben das kostbarste und bezeichnendste Produkt der Jahreszeit, die saure Gurke, den neugierigen Reisenden darbieten; im Nu entwickelt sich ein schwunghafter Handel, das erfrischende Labsal findet reißenden Absatz. Man merkt es der Gurke an, daß sie noch nicht ganz „abgelagert“ und mild durchsäuert ist, aber just ihr herber, sozusagen unreifer Geschmack zieht die Käufer an. Und gern läßt man sich nachher im Coupé von einem Eingeweihten darüber belehren, weshalb uns gerade hier die durststillende Frucht gleichsam als Symbol des ganzen Städtchens und Ländchens entgegengetragen wird, von welcher Bedeutung die Gurke und ihre Verwandten für diesen reizvollen Erdenwinkel sind.

Lübbenau, die Handelsempore des Spreewaldes, sendet Jahr um Jahr 85000 bis 90000 Centner Gurken in die nichtwendische Welt, zumeist nach Berlin, daneben etwa 15000 Centner Meerrettich, ebenso viele Centner Mohrrüben, 13000 Centner Zwiebeln und noch reichlich 27000 Centner anderes Gartengemüse. Die Gurken- und Zwiebelkultur des wendischen (Ober-) Spreewaldes ist alt, und seit Jahrhunderten schon versorgt er Berlin mit diesen schätzbaren Früchten. Bedenkt man, daß aller nun bebauter Boden des einstigen Urwaldes, 1600 Hektar etwa, erst durch langwierige Aufschüttung und Düngung dem Wasser und dem Sande abgewonnen werden mußte, so gönnt man dem fleißigen Wendenvölkchen gern sein Gurkenmonopol und den Ertrag seines redlichen Mühens. Und in der saftigen, säuerlichen Frucht, die dem vom brütendem Coupédunst erschöpften Vergnügungszügler neuen Humor verleiht und ihn zu allerhand naheliegenden Scherzen begeistert, erblickt der sinnende Reisephilosoph vielleicht auch etwas wie einen Gruß des geheimnisvollen Spreesumpfwaldes, der auch an wunderlieblichen Sagen und seltsam schönen Bräuchen so merkwürdig reich ist.R. N.     

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Inhalt: Sturm im Wasserglase. Roman aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Von Stefanie Keyser (4. Fortsetzung). S. 629. – Kaiser Wilhelm II. auf dem Manöverfelde. Bild. S. 632 und 633. – Taubstumm geworden. Von Dr. Rudolf Haug. S. 636. – Zur Suaregurkenzeit in Lübbenau. Bild. S. 637. – Die braune Marenz. Erzählung von Charlotte Niese (2. Fortsetzung). S. 639. – Kriegsgefangen. Bild. S. 641. – Schwarzwälder Forellen. Von J. J. Hoffmann. S. 644. Mit Abbildungen S. 629, 644, 645, 646 und 647. – Blätter und Blüten: Kaiser Wilhelm II. auf dem Manöverfelde. S. 647. (Zu dem Bilde S. 632 und 633.) – Der Gedenk- und Aussichtsturm auf dem Schlachtfelde von Gravelotte. S. 647. (Zu dem Bilde S. 648.) – Kriegsgefangen. S. 648. (Zu dem Bilde S. 641.) – Im Zeichen der sauren Gurke. S. 648. (Zu dem Bilde S. 637.)


Nicht zu übersehen! 0 Mit der nächsten Nummer schließt das dritte Quartal dieses Jahrgangs der „Gartenlaube“; wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellung auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

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Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 648. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_648.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2024)