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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)


3.

Auf dem Bahnhof zu München war alles voll von Solbaten; auch Civilisten drängten heran, soweit es die rings aufgestellten Posten verstatteten, die Einschiffung des Regiments mit anzusehen, scheidenden Freunden noch einmal die Hand zu drücken: – manchem wohl zum letztenmal.

Mit frohem Mut, mit lautem Hurra sprangen die letzten Schützen in die Wagen, die sich nach grellem langen Pfiff der Lokomotive schon langsam in Bewegung setzten: die Zurückbleibenben schwenkten die Tücher: die Soldaten winkten mit den Händen aus den offenen Wagenfenstern: endlich rollte der gewaltige Zug davon.

„No,“ rief da ziemlich wehmütig der Franzl, „jetzt, Minckaner Stadt, – jetzt bhüat Di Gott auf die längere ...“

„Wollen Sie wohl das dumme Gerede lassen, Gefreiter,“ grollte die barsche Samme des Hauptmanns. „Sie machen ja die Leute abergläubisch. Maul halten!“

„Siehst Du, Franzl,“ mahnte der Lieutenant. „Ich hab’ Dir’s immer gesagt. Jetzt versprich mir, daß Du das Wort nicht mehr brauchst. Versprich’s. Gieb mer d’ Hand drauf!“

„No, meintwegen, da feit si ... zu Befehl, Herr Leitnampt.“

4.

Sechs Wochen später war’s – am 1. September. Heiß tobte der Häuserkampf in Bazeilles.

Zum drittenmal besetzten die Ersten Jäger das Eckhaus gegenüber der Kirche: zweimal hatten sie’s schon genommen, zweimal wieder räumen müssen, um nicht von der mit Uebermacht vorstoßenden Infanterie des Generals von Wimpfen, der hier seinen letzten Durchbruchsversuch machte und die Bayern in die Maas werfen wollte, abgeschnitten und gefangen zu werden.

Jetzt – es war mittag 11 Uhr – brachen die stark gelichteten blauen Scharen wieder von dem Garten der Villa Beurmann vor, auf den offenen Platz vor der Kirche: sie stürzten in das blitzende und donnernde Verderben hinein: der dunkle Qualm des brennenden Hauses, der hellweiße des Pulvers wogten durcheinander, man sah oft nicht zwei Schritt weit.

Krachend schlugen der Franzl und ein anderer Jäger die Thür des Eckhauses mit den Kolben ein, an ihnen vorüber sprang der Lieutenant mit geschwungenem Säbel als der erste über die Schwelle: kein französischer Soldat war in dem Hausgang sichtbar; nur zwei Civilisten, der eine im schwarzen Rock, der andere in der blauen Bluse standen links und rechts in den Thüren der beiden Vorderzimmer des Erdgeschosses.

„Pardon, Herr Offizier,“ riefen beide in ihrer Landessprache. „Harmlose Bürger und ohne Waffen. Es ist nicht ein französischer Soldat in dem Hause.“

Aber im selben Augenblick fiel von oben, von der Treppenbiegung her, ein Schuß:t die blaue Uniform eines Marinesoldaten ward sichtbar da oben.

Der Lieutenant wandte den Civilisten den Rücken und sprang eine Stufe hinan. „Ergebt Euch da oben!“ rief er. „Das Haus ist genommen.“

Er beugte sich vor, die unverständliche Antwort, die herunter scholl, deutlicher zu vernehmen.

Da holte der Blusenmann leise aus der Brustfalte eine Pistole und hielt sie dicht hinter den Kopf des Offiziers. „Schaug auf, Thedi!“ schrie der Franzl, sprang vor und stieß dem Blaukittel das Bajonett in die Brust.

Aber im selben Augenblick schoß der andere Civilist aus einem verborgen gehaltenen Revolver dem Franzl in die Schläfe ... Der Lieutenant stach den Meuchler nieder; dann kniete er neben Franzl, während die Jäger die Treppe hinauf stürmten und dort die Soldaten gefangennahmen. „Franzl,“ rief der Offizier, „Franzl! Wo – wo bist Du verwundet?“

„Da“ – sprach der Sterbende – auf den Kopf deutend. „Es is aus! – Bals d’ hoam kimmst, grüß die Nanndl – im – Metzgerhaus – und jetzt – bhüat Gott auf die längere Zeit!“


Chauvinismus in französischen Schulbüchern.

Von Karl Markscheffel.

Seit dem für Frankreich so unglücklichen Kriege von 1870 hat sich in den Herzen der gedemütigten Franzosen ein tiefer Groll gegen die vorher so geringschätzig behandelten und nun so überlegen sich erweisenden Deutschen festgesetzt. Die „Revanche“ wurde zum politischen Bekenntnis weiter Kreise und zu einer beständigen Gefahr für den Frieden Europas. Dank der Schlagfertigkeit des deutschen Heeres und der weisen Bündnispolitik des Deutschen Reiches durften bis jetzt die französischen Heißsporne nicht wagen, den Krieg von neuem vom Zaune zu brechen. Ein Vierteljahrhundert lang wurde der Friede nicht gestört und vielfach giebt man sich der Hoffnung hin, daß unter dem Einfluß der Zeit der leidenschaftliche Haß und das Rachegelüst unserer Nachbarn sich legen und mäßigen werden, daß das neue heranwachsende Geschlecht sich geneigter zeigen werde, im Interesse des Weltfriedens, zum Wohle der Menschheit im besseren Einvernehmen mit dem deutschen Nachbar zu leben. Hier und dort gewahrt man auch Anzeichen, die für die Möglichkeit einer solchen Wandlung zu sprechen scheinen; bei der leichten Erregbarkeit des französischen Temperaments wäre es aber thöricht, schon heute solche Zukunftshoffnungen zur Richtschnur

unseres politischen Handelns zu machen. Der Chauvinismus,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 717. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_717.jpg&oldid=- (Version vom 21.7.2023)