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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)


Ein bitterer Schmerz durchzuckte ihn bei dem Gedanken.

Märten, der ihm die Thür geöffnet hatte, war mit einem Schritt vor den Offizier getreten. „Struve geht nicht nach Weimar! Der macht heute Hochzeit!“

Der Säbel des Offiziers zuckte empor.

Eine Flamme fuhr aus Märtens rötlichen Wimpern. „Fang’ Er nur an!“ Und die beiden Fäuste ballten sich.

„Abgesessen!“ kommandierte Krainsberg, bei dem die verhaltene Wut zum Ausbruch kam.

Die Husaren umgaben klirrend Märten.

In den Augen des jungen Riesen sprühte es auf; man sah ihm die Freude an der Keilerei an.

Aber Struve trat kaltblütig dazwischen. „Wenn Du mein Freund sein willst, Märten, dann gieb Ruhe. Zeige mir der Herr Rittmeister Seine Ordre!“

Er las. Dann sagte er gemessen: „Ich füge mich der Gewalt. Aber ich protestiere feierlich gegen diese durch kein Gesetz gerechtfertigte Willkür.“ Dann wandte er sich an Märten: „Du weißt, was Du zu thun hast, damit mein Haus nicht zu Schaden kommt, und Du wirst der treueste Hüter sein!“

Er nahm den Kranz ab. „Bringe ihn meiner Braut und sage ihr, sie solle ihn wohl verwahren bis zu der Stunde, wo wir zusammen vor den Altar treten.“

Krainsberg winkte dem heran rasselnden Wagen. „Steige Er ein! Es geht gleich fort!“

Da hob der Riese die Hand zum Himmel. „Und Struve macht doch heute Hochzeit, so wahr“ – ein grimmiger Vlick schoß aus seinen Augen – „so wahr ich der Sohn des Rädleinsführers bin!“

„Märten!“ rief Struve erschrocken.

„Ich hab’s gesagt!“ antwortete Märten rauh.

Der junge Offizier kehrte ihm den Rücken. Struve stieg in den Wagenkasten. Die Lederklappen an den Seiten wurden geschlossen, und in der Mitte der Husaren ging’s fort, zum Thor hinaus. –

In der Oberkirche löschte der Kirchner die Altarkerzen; der Kastenknecht schloß die mit einer Guirlande geschmückte Pforte ab.

Die Feuer in der Küche des Hochzeitshauses brannten nieder.

Märten hatte den Kranz behutsam, als könnten seine starken Finger ihn zerdrücken, auf die lange gedeckte Tafel gelegt und seinen Auftrag ausgerichtet. Dann war er auf der Bank im Hof, in tiefe Gedanken versunken, sitzen geblieben.

Die Gäste standen entsetzt in den Zimmern umher. Die Männer schüttelten mit finstern Mienen über die Gewaltthat die Staatsperücken. Die Mütter, deren Gesichter sorgenvoll unter den Brabanter Kanten ihrer Hauben hervor schauten, jammerten.

Die Brautjungfern flüsterten zusammen.

„Es hat doch sein Gutes, wenn der Bräutigam wie ein bescheidenes Veilchen im Verborgenen blüht,“ zischelten die auf den Subkonrektor Hoffenden.

„Euer Auserwählter hat sich auch durch etwas Geschriebenes hervorgethan! Wer weiß, was Euch bevorsteht!“ warnte eine andere hinter ihrem Fächerchen.

Justizienrats Christelchen strich zufrieden die Falten ihres Kleides aus seidenem Chagrin glatt. Es gab doch noch eine Gerechtigkeit im Himmel. Laut sagte sie: „Der arme Struve! Der kommt in ein Verließ, wo Ratten und Kröten hausen.“

Auf dem Kanapeechen saß die Braut, das verweinte Gesicht an die steile Lehne gedrückt. Wie zu Hohn und Spott knisterte der goldgelbe mit Blumen durchwirkte Damast ihres prächtigen Kleides zu dem leisen Ringen der Hände.

Jetzt richtete sie sich auf. „Ich will nach! Ich will mit in das Verließ“ sagte sie entschlossen.

„Lenchen!“ riefen die Brautjungfern, „Du bist ja noch nicht getraut!“

„Der Feldprediger, der mit den Soldaten ritt, mag uns trauen, meinetwegen vor der Trommel,“ war die entschiedene Antwort.

„Gott behüte uns in Gnaden!“ sagte ihre Mutter. „Hat denn das Kind den Verstand verloren? Lenchen, bedenke doch die Wohlanständigkeit!“

Da war es, als zerrisse Magdalenens Seele enge Bande. „Ach, was ist die Wohlanständigkeit,“ rief sie mit schwingender Stimme, „wenn der Mann, den wir lieben, in Gefahr ist?“

Ihre Mutter machte ein Ende. Sie dankte allen Gästen für die bewiesene Teilnahme und komplimentierte sie hinaus.

Als sie von den Letzten sich verabschiedet hatte und aufatmend, wenigstens der Sorge um die Gäste enthoben zu sein, in die Stube zurückkehrte, war zur Hinterthür ein neues Unglück herein gekommen.

Vor ihrem Eheherrn standen Fieke, laut klagend, und der Junker von Eichfeld, leichenblaß, mit beschwörend erhobenen Händen.

„Das ist das Ende von allen Leichtfertigkeiten,“ sagte streng Olearius. „Mit Mordgewaffen sind sie auf einander losgegangen, um sich gegenseitig niederzustechen wegen einer Liebelei! Und dann wirft diese leichtfertige Person ihren Glauben von sich wie ein unbequemes Kleid.“

Der Junker stand tief gebeugt vor ihm, einen flehenden Blick richtete er auf den strengen Seelenhirten.

„Aber Hochehrwürden,“ sagte Fieke, „das Frölen that es ja nur, damit die beiden sich nicht anspießten. Sie brachte sich zum Opfer, wie es in der wächsernen Geschichte bei Hofe genannt wurde. In der Angst war keine andere Hilfe da; nur der lange Mönch.“

„Warum geht der Junker nicht zum Kanzler? Dem steht das Hoffräulein doch am nächsten,“ fragte die Superintendentin.

„Ich bin nicht vorgelassen worden,“ preßte Eichfeld heiser heraus. „Er ließ mir sagen, man könne nichts thun; seine Nichte sei mündig.“

„So will ich hinaus nach der Augustenburg gehen und um eine Audienz bitten,“ sagte Olearius entschlossen.

„Er wird nicht vorgelassen werden,“ entgegnete Eichfeld. „Kann das Konsistorium nicht mit Gewalt einschreiten?“

Olearius schüttelte den Kopf. „Dergleichen muß seinen Geschäftsgang gehen. Ich werde sofort eine Sitzung des Konsistoriums anberaumen,“ setzte er hinzu, nach seinem Zimmer hinaufsteigend.

Eichfeld sah nach der Uhr. „Es wird zu spät,“ stöhnte er.

Fieke hatte alle nach der Reihe angesehen, zwar mitleidig, aber zugleich – war es denkbar? – fast geringschätzig.

Dann drehte sie sich um, ging hinaus zu Märten, und alsbald begann ein Getuschel zwischen beiden.

„So ist kein Mensch auf der Welt, der mir beisteht, zu meinem lieben Christian zu kommen?“ jammerte drinnen Magdalene laut auf.

Eichfeld rang die Hände. 0 „Keiner, der mir hilft?“

Da that Fieke die Stubenthür auf. Gebückt schritt Märten herein.

Dann richtete er sich zu seiner Riesenhöhe auf.

Fieke trat vor und schwenkte die Hand triumphierend gegen ihn, während sie hochmütig auf die andern herabsah.

„Da ist er.“

(Fortsetzung folgt.)



Blätter und Blüten.



Andreas Achenbach, der ruhmgekrönte deutsche Landschaftsmaler, hat nunmehr auch sein 80. Lebensjahr in gesunder Frische und ungebrochener Schaffenskraft zurückgelegt. Die „Gartenlaube“ hat bei Gelegenheit seines 70. Geburtstages (vergl. Jahrgang 1885, S. 654 u. f.) Anlaß genommen, den Lebenslauf des Künstlers uud seine Verdienste eingehend zu schildern und sein Bildnis zu bringen. Es ist damals schon hervorgehoben worden, welchen bedeutenden Anteil Andreas Achenbach an dem Aufschwung Düsseldorfs als Kunststadt des Rheinlands gehabt hat, und neben vielen Ehrungen von seiten derselben ist ihm überdies die Ernennung zum Ehrenbürger Düsseldorfs zu teil geworden. Auch der Geburtstag des Künstlers wurde jetzt von der ganzen Stadt als allgemeiner Festtag begangen. Schon am Tage vorher, am 28. September, prangten die Straßen in Fahnen- und Guirlandenschmuck, abends war Illumination und gleichzeitig ein Fackelzug, zu dem sich Bürgerschaft und Künstlerschaft vereinigt hatten und der in einer Ovation vor der Wohnung des Jubilars gipfelte. Einen intimeren Charakter hatte die sich daran schließende Festlichkeit in den schönen Räumen des „Malkastens“, zu welcher sich zahlreiche Vertreter von anderen deutschen Kunststädten eingefunden hatten, die dann am nächsten Morgen im Hause des Jubilars an der offiziellen Beglückwünschung teilnahmen. Da Andreas Achenbach in Düsseldorf auch bereits seinen ersten künstlerischen Studien obgelegen hat, ist vielfach die Meinung verbreitet, er sei auch in ihr zur Welt gekommen. Die Vaterstadt des Malers aber ist Kassel. Auch diese hat seinen 80. Geburtstag nicht vorbeigehen lassen, ohne ihn zu ehren. Die dortigen Stadtbehörden haben aus diesem Anlaß beschlossen, an seinem Geburtshause eine Gedenktafel anzubringen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 723. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_723.jpg&oldid=- (Version vom 21.7.2023)