Seite:Die Gartenlaube (1895) 725.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Nr. 43.   1895.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Abonnements-Preis: In Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf. In Halbheften, jährlich 28 Halbhefte, je 25 Pf. In Heften, jährlich 14 Hefte, je 50 Pf.



Die Lampe der Psyche.

Roman von Ida Boy-Ed.

     (3. Fortsetzung.)

Wie der Zug der Polonaise nun im großen Saal umging, während in den Thüren zu den Nebenräumen die nichttanzenden Gäste zusahen, begann Lilly das Gespräch mit dem neben ihr schreitenden René.

„Finden Sie nicht, daß es bei Großmama aussieht wie in einem Wartesaal erster Klasse. Ich bin neugierig, ob nachher so viel Stühle da sind, daß wir alle sitzen können,“ sagte sie.

„Die alte Dame, die doch wohl den größten Teil ihrer Einrichtung draußen auf den Gütern ihrer Söhne hat, konnte sich doch unmöglich für die wenigen Wintermonate neu einrichten,“ meinte er.

Lilly fuhr fort, sich über alles zu moquieren, über die sperrigen Kronleuchter mit den langen Lichtern, über die roten Plüschbänke an den Wänden und über das Durcheinander von eigener und gemieteter Dienerschaft.

René erschien dergleichen immer als ein Zeichen von gesellschaftlicher Ueberlegenheit. Er, der aus kleinen, bürgerlichen Verhältnissen Emporgekommene, hätte sich geniert gefühlt, wenn bei einer Gasterei in seinem Hause nicht alles von tadellosem Stil gewesen wäre; die innere Freiheit, selbst mit seinen Gästen darüber zu scherzen, hätte er sicher noch nicht gehabt. Aber er merkte sich den Zug wohl.

Dann stellte Lilly ein förmliches Verhör mit ihm an: wo er wohne, wie er wohne, ob er viel zu thun habe. Und René erzählte nicht ohne Freude an so viel Teilnahme, daß er in der Ringstraße in der Nähe des Opernhauses eine reizende Parterrewohnung habe, daß eine alte Magd seiner verstorbenen Eltern bei ihm Wirtschafterin und Köchin in einer Person sei, und daß er, wenn seine Dirigentenpflicht ihn nicht ins Opernhaus rufe, abends viel daheim bleibe.

Sie besprachen die alltäglichsten Sachen, aber durch die lebhafte Art des Fragens und Hörens wußte Lilly sie wichtig zu machen. Sie hatte auch eine besondere Art, von der Seite ihn anzusehen, die auf ihn wirkte.

René fand, daß sie unglaublich kokett sei, aber es gefiel ihm ungemein, weil sie es mit ihm war.

Sein Gefallen wuchs aber zu einer prickelnden Freude, als er bei den folgenden Tänzen beobachtete, daß Lilly den übrigen Herren gegenüber nicht das gleiche, sprühende Wesen entfaltete.

Er wagte es, sie inmitten einer Polka zu einer Extratour zu holen. „Sie haben mich wahrhaft erlöst,“ flüsterte sie, „Himmel, was giebt es für langweilige Männer bei euch in Leopoldsburg.“

Also er war willkommen und vielleicht sogar erwartet gewesen.

„Der nächste Tanz ist eine Quadrille,“ sagte er, „darf ich mit Sibylle von Lenzow Ihr Vis à vis sein?“

„Ich habe Baron Krausneck. Gut, das machen wir.“

Während der Quadrille geschah nun etwas ganz Natürliches. René, von dem offenkundigen

Der kleine Eifersüchtige.
Nach einer Originalzeichnung von P. Bauer.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 725. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_725.jpg&oldid=- (Version vom 21.7.2023)