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verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Doch nur die berechtigte Freiheit des Dichters, die Uhland dafür in Anspruch nahm, hat auch diese Episode in das poetische Lebensbild Eberhard des Greiners hineinbezogen; die Gefangennahme der drei Schleglerkönige zu Heimsheim – der Gegenstand unsres Bildes – gelang erst dem Nachfolger des Greiners, Eberhard dem Milden, drei Jahre nach dessen Tode, 1395, so daß uns jetzt gerade ein Halbjahrtausend von dem Ereignis trennt. Mit dieser That vollzog der Enkel freilich ein Werk der Rache, das ihm vom streitbaren Großvater gleichsam als Vermächtnis überkommen war. Im übrigen verlief der sieggekrönte Handstreich ganz so, wie es Uhland geschildert hat. Die drei „Schlegelkönige“ – nach Wolfgang Menzels Deutscher Geschichte waren es Wolf von Stein, Reinhard und Friedrich von Enzberg – hatten sich in dem festen Städtlein Heimsheim verschanzt, aber Eberhard ließ Feuer anlegen und räucherte so die alten Feinde seines Geschlechts zum Thore hinaus.

„Ein Thor ist freigelassen, so hat’s der Graf beliebt.
Dort hört man, wie der Riegel sich leise, lose schiebt;
Dort stürzen wohl verzweifelnd die Schlegler jetzt heraus?
Nein, friedlich zieht’s herüber als wie ins Gotteshaus.

Voran drei Schlegelkön’ge zu Fuß demütiglich,
Mit unbedecktem Haupte, die Augen unter sich;
Dann viele Herrn und Knechte gemachsam, Mann für Mann,
Daß man sie alle zählen und wohl betrachten kann.“ – – –

Die Niederlage des stolzen Ritterbundes, der durch die Gefangennahme seiner Häupter besiegelt ward, erscheint heute dem historischen Blick als ein bezeichnendes Symptom für den großen historischen Prozeß, der am Ausgaug des 14. Jahrhunderts das Rittertum überhaupt einem unausweichlichen Untergang weihte.

Meeresbucht an der Riviera. (Zu dem Bilde S. 785.) Der von Norden, etwa über Turin oder Mailand kommende Reisende, der in den italienischen Süden hineinstrebt und voller Ungeduld ist, an das ersehnte blaue Meer zu kommen, wohl wissend, daß die Bahn, zunächst von Genua bis Pisa, dicht an der Küste dahingleitet, erfährt zunächst eine unangenehme Enttäuschung. Wohl heißt der vielgepriesene Küstenstrich Riviera di Levante und soll eine Menge der köstlichsten Perlen landschaftlicher Schönheit aufweisen, wie die eines europäischen Rufes genießenden Ortschaften Recco, Camogli, Santa Margherita, Rapallo, Sestri Levante und, allen voran, Nervi – aber insgesamt, erbarmungslos, werden sie für unsere Blicke verschlungen von den Ungeheuern, die ihre schwarzen Rachen schnappend öffnen, kaum daß der Reisende sich hier an einer Pinie, einem Landhaus, dort an einem Stück blauen Meeres im Sonnenstrahl erfreut hat: das sind die zahllosen abscheulichen Tunnels, an denen diese unglücklichste aller Bahnbauten krankt. Oeffnet nach Stunden der Qual der halberstickte, kohlengeschwärzte Reisende die Augen, so empfängt ihn flaches einförmiges Land.

Wer aber im Segelboot dahingleitet, wer von Genua her zu Fuß wandert, der bekommt des Herrlichen genug zu schauen. Oben an den Hängen und Hügeln hat der Gärtner Mensch seine Reben in den Boden gesenkt, seine Oelbäume und Rosen gepflanzt und mitten hinein seine schmucken Landhäuser gesetzt; drunten, um die Klippen und Felswände her, hat der urgewaltige Architekt Neptun Buchten gehöhlt, Grotten gebrochen und Höhlen gemeißelt zu Stallungen für seine brausenden weißmähnigen Rosse, zu Tanzsälen für die Nixen und silberglänzenden Hallen der mit goldenem Schmuck an goldenen Spindeln beschäftigten Nereïden und zu

 „Brautkammern der Meeressirenen,
Wo leiskichernd die Flut im Phosphor wallet, und heimlich
Webt die narkotische Luft ein azurnes verliebtes Gedämmer.“

Hunderte solcher Grotten hat der nie ruhende Werkmeister an dieser felsigen Küste gegraben und hundert neue werden entstehen. Das Werk der Menschen ist aber auch ihnen nahe getreten, und die schweigsamen Nereïden haben oft ihre Wohnung wechseln müssen, wenn ihr Reich vom Lande her mit Schaufeln und Hacke angefeindet ward, wo es galt, Küstenstraßen zu bauen und Strandpromenaden für die modernen Menschen zu schaffen.

Auch bei Nervi, wo das Meer jahrhundertelang an der kleinen Bucht gearbeitet hatte, hat die wegeebnende Menschenhand manche einsame schöne Strandpartie zerstört. Doch ist des Schönen noch so viel übrig geblieben, daß der fremde Wanderer aus dem fernen Norden sich mitten in die farbige Märchenpracht des Südens versetzt fühlt, wenn er auf diesen wogenumatmeten Klippen lagert, hinter sich und bis hoch hinauf die Gärten mit den sonnenüberglänzten Feigenbäumen, Orangen, Citronen und Pinien, den Oliven, Weinreben und den ernsten dunklen Cypressen, vor sich die an den Klippen hinrauschende Flut, deren belebender Algenduft sich mischt mit dem Balsamhauche der Nadelhölzer! Wold. Kaden.     

Künstlerischer Hausschmuck. Wer sein Haus mit hervorragenden Werken der Malerei schmücken möchte, ohne doch die erforderlichen bedeutenden Geldmittel zu besitzen, um sich Originalgemälde berühmter Meister zu kaufen, der sei auf die „Vereinigung der Kunstfreunde für amtliche Publikationen der Königl. Nationalgalerie“ in Berlin hingewiesen. Diese Vereinigung bietet ihren Mitgliedern gegen einen Beitrag von zwanzig Mark alljährlich ein in farbiger Lichtdruckmanier hergestelltes Werk der Malerei von tadelloser Schönheit, und zwar haben die Mitglieder die Wahl zwischen einer größeren Anzahl von Bildern verschiedener Künstler. Wenn man die aus Genrebildern, Landschaftsbildern, Geschichtsbildern bestehenden Blätter des laufenden Jahres durchsieht, so findet man Reproduktionen von trefflichen Werken der Maler G. v. Canal, Eduard Fischer, Carl Gräb, Ernst Hildebrand, Ferdinand Keller, Adolf Menzel, Karl Müller, Carl Saltzmann, Friedrich v. Schennis, Anton v. Werner und erhält den Eindruck, daß durch diese Vereinigung der Kunstfreunde eine Förderung und Hebung des Kunstverständnisses in weiten Kreisen in erfolgreicher Weise angestrebt wird.

Krank geschossenes Wild.

„Das ist des Jägers Ehrenschild,
Der treu bewahrt und hegt sein Wild,
Weidmännisch jagt, wie sich’s gehört,
Den Schöpfer im Geschöpfe ehrt.“

Es giebt eine dunkle Seite des edlen Weidwerks; sie läßt sich nicht hinwegleugnen, da jeder in Feld und Wald bewanderte Mann sie zur Genüge kennt. Nicht jedes getroffene Wild bricht im Feuer zusammen; alltäglich werden Tausende Stück krank geschossen und gehen dann unter haarsträubenden Qualen oft erst nach Wochen zu Grunde. Was da die Kugel anrichten kann, davon nur ein Beispiel.

„Als ich heute mittag gegen 12 Uhr von einem Ausritt auf den Hof kam,“ wurde vor einiger Zeit in der „Deutschen Jägerzeitung“ berichtet, „sagte mir einer meiner Leute, daß dicht beim Dorf, nahe der Chaussee in den Birken (ca. halber Morgen Birken) ein Rehbock stände, der wohl krank sein müsse, da er gar nicht fort wolle. Ich nahm mir also meine Büchsflinte und ritt, begleitet von meinem Kutscher, dorthin und fand einige hundert Schritt von den bewußten Birken zwei meiner Leute, die Wache hielten und mir die Stelle andeuteten, wo sie den Bock zuletzt gesehen hatten. Der Bock zog in den Birken langsam herum und ließ uns, mich, drei Leute und zwei Pferde, ungefähr bis auf 100 Schritt heran; da machten wir Halt, und ich wollte eben sehen, ob ich ihm die Kugel aufs Blatt setzen konnte, als er uns äugte und dann langsam direkt spitz auf uns zu wechselte. Nun wollte ich sehen, was er machen würde, und schoß nicht. Der Bock zog immer näher und ich gewahrte nun, daß ihm der Unterkiefer abgeschossen war und derselbe nur noch in der Haut hing. Es war ein Jammer mit anzusehen. Der Bock, ein starker Sechser, hatte sehr gut aufgesetzt. Ich überlegte, ob ich schießen solle oder noch abwarten. Inzwischen war der Bock im freien Felde bis auf 40 Schritt herangekommen, fast bei jedem Schritt stieß er einen abgebrochenen Klagelaut aus und äugte uns recht wehmütig an. Ich konnte diesen Jammer nicht länger mit ansehen und machte seiner Qual, als er bis auf 30 Schritt zu mir herangewechselt war, durch einen Fangschuß ein Ende. Ich kann mir das Benehmen des Bockes nur so erklären, daß er hilfesuchend zu der Gruppe von vier Menschen und zwei Pferden herankam. Der arme Kerl war gewiß fünf bis sechs Tage so, ohne Aesung zu sich nehmen zu können, herumgeirrt und wäre in sehr kurzer Zeit Fuchs und Krähen zum Opfer gefallen.“

Derartige Qualen des Wildes werden sich wohl niemals ganz vermeiden lassen. Ist doch selbst der unter den Bäumen ergraute Weidmann, der beim Gebrauch der Schußwaffe streng nach der Regel verfährt, niemals sicher, daß sein Schuß das Wild niederstrecken wird. Die Jagd ist ein rauhes Handwerk. Wohl! Wer aber weidmännisch jagt, wie sich’s gehört, der hat auch ein Herz für das Wild und erachtet es als Ehrenpflicht, die Qualen des krankgeschossenen zu verkürzen, indem er dessen Spuren nachgeht. Dieses Ziel kann er natürlich nur dann erreichen, wenn ihm ein entsprechend dressierter Hund zur Seite steht. Ein solcher Hund fehlt aber in unseren Tagen einer großen Zahl von „Jägern“, für die die Jagd nur ein „Schießvergnügen“ darstellt. Es ist darum dringend im Interesse der Menschlichkeit zu wünschen, daß unsere Jäger von einem vielseitig ausgebildeten Hunde begleitet würden, den der Weidmann einen Gebrauchshund nennt und der geeignet ist, zugleich als Vorsteher, Apporteur, Verlorenapporteur, Wasserhund, Raubzeugwürger und Schweißhund zu dienen. „Der routinierte Gebrauchshund,“ schreibt Oberländer in dem kürzlich erschienenen Buche „Die Dressur und Führung des Gebrauchshundes“ (Neudamm, Verlag von J. Neumann), „leitet den Jäger auf der Rotfährte hin zum Wundbett des angeschossenen Bockes; seine erfahrene Nase irrt nicht wie das Auge des Jägers, der ohne Hund die Nachsuche bewerkstelligt. Geschnallt hetzt er das kranke Stück und beendigt seine Qualen, indem er es an der Drossel niederzieht oder aber, wenn es sich um Hochwild handelt, stellt und verbellt. Wie anders ist das Gefühl des Jägers, wenn sein Hund, sein treuester Freund, sein unzertrennlicher Gefährte durch treue Arbeit wieder gut macht, was ein schlechter Schuß gesündigt hat, wenn er das angeschossene Stück, sei es Hoch- oder Rehwild, Haar- oder Federwild, Nutzwild oder Raubzeug, in seinem Besitze statt unsäglichen Qualen und dem Ludertode überliefert weiß!“

Es wurden allerdings Zweifel laut, ob man einen Vorstehhund zu einer derartigen Vielseitigkeit ausbilden kann. Die Erfahrung hat gelehrt, daß dies wohl möglich ist, wenn auch die Dressur des Gebrauchshundes Monate harter, gründlicher Arbeit erfordert. So haben sich auch in Deutschland Vereine für Prüfung von Gebrauchshunden zur Jagd gebildet, denen eine möglichst gedeihliche Entwicklung zu wünschen ist. Für den Weidmann, der sich seine Hunde selbst dressieren will, bietet das obengenannte Buch von Oberländer eine ganz vorzügliche Anleitung. Aus „Liebe zum Wilde“ wünschen wir dem Buch die weiteste Verbreitung. Wir stimmen dem Verfasser völlig bei in seinem Ausspruche: „Jagd ohne den vielseitig leistungsfähigen Hund ist kein Weidwerk, sondern brutale Schießerei.“ C. F.     



Inhalt: Die Lampe der Psyche. Roman von Ida Boy-Ed (6. Fortsetzung). S. 773. – Sigrid Arnoldson. Bildnis. S. 773. – Die Schleglerkönige ergeben sich Eberhard dem Milden von Württemberg. 1395. Bild. S. 777. – Vor der Berufswahl. Warnungen und Ratschläge für unsere Großen. Die Tierheilkunde. Von Dr. H. Lungershausen. S. 778. – Tänze der Südseeinsulaner. S. 780. Mit Abbildungen S. 780 und 781. – Jungwinter. Gedicht von Franz Bechert. S. 783. – Sterben. Novelle von Eva Treu. S. 783. – Meeresbucht an der Riviera di Levante. Bild. S. 785. – Blätter und Blüten: Vermißten-Liste. S. 787. – Sigrid Arnoldson. Von W. Gareiß. S. 787. (Zu dem Bilde S. 773.) – Die Schleglerkönige ergeben sich Eberhard dem Milden von Württemberg. S. 787. (Zu dem Bilde S. 777.) – Meeresbucht an der Riviera. Von Wold. Kaden. S. 788. (Zu dem Bilde S. 785.) – Künstlerischer Hausschmuck. S. 788. – Krank geschossenes Wild. S. 788.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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