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Blätter & Blüten.

Königin Luise mit Prinz Wilhelm. (Zu unserer Kunstbeilage.) Einen der schönsten und würdigsten Gedenktage wird uns der 22. März bringen, den hundertsten Geburtstag Kaiser Wilhelms I., der mit freudiger Begeisterung überall, wo Deutsche leben, begangen werden wird. Auch die holde Kinderzeit des ersten Kaisers unseres neugeeinten Vaterlands wird dieser Gedenktag aufs neue beleben, jene unvergeßlich schönen Jahre, in denen der kleine Wilhelm unter der treuen Obhut der geliebten Mutter, die ihm so früh entrissen wurde, heranwuchs, während sie in seine junge Seele die Empfindungen für alles Große, Edle und Schöne senkte, welche später unserm ganzen Volke zum Wohle gereichen sollten. In jene Jahre versetzt uns das anmutreiche Bild Professor G. Biermanns zurück, das uns die Königin Luise in vollerblühter Schönheit und Weiblichkeit mit ihrem zweiten Sohn, dem Prinzen Wilhelm, vor Augen führt. Wir sehen die schlanke Mutter mit dem zarten, blondgelockten Knaben in einem der königlichen Gärten lustwandeln, die hohe Gestalt in weißen Musselin gehüllt, das edle Haupt leicht zur Seite geneigt, die leuchtenden blauen Augen suchend in die Ferne gerichtet, ob nicht aus dem lauschigen Grün plötzlich der König auftauche, denn dieser pflegte oft die Arbeit zu verlassen, um seiner Gemahlin auf ihren Spaziergängen zu folgen und in ihrer Gesellschaft und Unterhaltung Erholung zu finden. Jene Jahre, die in den Beginn unseres Jahrhunderts fallen, waren auch die glücklichsten für die Königin; noch zogen nicht am politischen Horizont die dunklen Kriegswolken herauf. Nach der wenig zufriedenstellenden Regierungszeit Friedrich Wilhelm II. war ganz Preußen dem jungen Königspaare in innigster Verehrung zugethan. Überall wußte die Königin Gutes und Segensreiches zu vollbringen, und wenn der Frühling lachend ins Land gezogen war, so verließ die königliche Familie Berlin und ihr dortiges schlichtes Heim, das Kronprinzen-Palais, wie es noch immer genannt wurde, und siedelte nach Potsdam oder Charlottenburg oder der Pfaueninsel über, dorthin, wo die Bäume rauschten und die Vögel sangen und die Sonne frei auf Wiesen und Felder niederschien.

„Den Saiten meines Gemüts muß ich jeden Tag einige Stunden Ruhe gönnen, muß sie dadurch gleichsam von neuem aufziehen damit sie den rechten Klang behalten. Am besten gelingt mir dies in der Einsamkeit, aber nicht im Zimmer, sondern in dem stillen Schatten der freien schönen Natur. Unterlasse ich das, dann fühle ich mich verstimmt, und das wird nur noch ärger im Geräusche der Welt. So hatte einst die Königin zum Bischof Eylert gesprochen, mit der gleichen tiefen Liebe zur Natur erfüllte sie auch von früh auf ihre Kinder und man weiß, wie dies beim Kaiser Wilhelm bis zum spätesten Greisenalter nachgewirkt hat und wie es ihm zu danken ist, wenn wir in den Parkanlagen Berlins und auf dessen Straßen und Plätzen noch heute vielen schönen, alten Bäumen begegnen. Prinz Wilhelm war ein stilles und sinniges Kind, er hatte nichts von dem lebhaft sprudelnden Wesen seines älteren Bruders, des späteren Königs Friedrich Wilhelm IV., aber gerade wegen seines schlichten und treuen Charakters liebte ihn seine Mutter aufs zärtlichste und war betrübt, wenn man die Zurückhaltung des Kindes falsch auffaßte. Einst fand die Gräfin Boß, die betagte Oberhofmarschallin, die Königin in tiefer Verstimmung und erkundigte sich nach deren Ursache. „Aller Aufmerksamkeit wendet sich meinem ältesten Sohne zu, gestand die Königin endlich, „um den Prinzen Wilhelm bekümmern sie sich viel weniger, sie kennen nicht sein tiefes und gutes Gemüt, wie ernst und gewissenhaft er alles auffaßt. O, ich bin überzeugt, wenn er dereinst vor große Aufgaben gestellt werden sollte, er wird sie in schönster und pflichttreuester Weise lösen! Wie Kaiser Wilhelm die Voraussagung seiner Mutter wahr gemacht, wir wissen’s und danken’s ihm in alle Zukunft! P. L–g.

Winterabend im Schwarzwald.
Nach einer Originalzeichnung von A. Kappis.

Riesentukane beim Bananenschmaus. (Zu dem Bilde S. 41.). In den Wäldern Südamerikas sind neben Papageien die Tukane die häufigsten Vögel. Sie sind auf den ersten Blick auffällig durch die Riesenschnäbel, mit welchen die Natur sie ausgerüstet hat. Die Eingeborenen stellen ihnen gern nach, sowohl wegen des Gefieders das zum Schmuck benutzt wird, als auch wegen des schmackhaften Fleisches.

Ueber die Frage, womit sich diese Vögel ernähren, herrschte lange Zeit unter den Naturforschern Meinungsverschiedenheit. Heute steht es fest, daß die Tukane vorwiegend Früchte fressen, aber auch tierische Nahrung durchaus nicht verschmähen und kleineren Tieren, namentlich Vögeln, gern nachstellen. Den großen, aber sehr leichten Schnabel verstehen die Vögel sehr geschickt zu handhaben. Seine Länge erleichtert ihnen das Früchtepflücken, aber sie sind auch imstande, ganz kleine Dinge, wie z. B. Hanfkörner, geschickt vom Boden aufzunehmen. Sobald der Tukan ein solches Körnchen mit der Spitze des Schnabels erfaßt hat, hebt er den Schnabel senkrecht empor und läßt es in den Rachen hinabfallen. In ähnlicher Weise trinkt er auch, gebärdet sich aber dabei so seltsam, daß amerikanische Mönche behauptet haben, der Vogel mache beim Trinken das Zeichen des Kreuzes über dem Wasser.

Auf unserem Bilde haben sich zwei Riesentukane über ein Bananenbündel hergemacht. Die Riesentukane bewohnen die höher gelegenen Regionen Süd- und Mittelamerikas und hausen mit Vorliebe in Gehölzen, die am Rande der Savanne gelegen sind. Ihre Länge beträgt etwas über einen halben Meter. Die vorwiegende Farbe des Gefieders ist schwarz, Kehle, Wangen, Vorderhals und Oberschwanzdeckfedern sind dagegen weiß, während der Bürzel hell blutrot glänzt. Der mächtige, am Rande gekerbte Schnabel ist orangerot, weist aber gegen den Rücken hin feuerroten Ton auf, der Rand vor dem Kopfgefieder, sowie die Spitze des Oberkiefers sind schwarz.

Die Tukane gleichen in ihrer Lebensweise und Charakteranlage unseren Raben und lassen sich wie diese leicht zähmen. Ein zahmer Tukan bereitet seinem Besitzer durch drollig kluges Benehmen und allerlei Neckereien manche Freude, schwingt sich aber auch oft zum Tyrannen des Hauses, das ihn beherbergt, auf. *

Der Kranz. (Zu dem Bilde S. 49.) Einer der letzten sonnigen Herbsttage war’s, der sie noch einmal in den Garten gelockt hatte, um die Rosen zu pflücken, die noch da und dort, halb schon zerflatternd, an den Sträuchern hingen. Schmerzlich süße Erinnerungen sind es wohl, denen sie jetzt nachhängt, während ihre Hände die Blumen sachte aneinanderreihen. Gedenkt sie der so rasch dahingeschwundenen Frühlings- und Sommerzeit, da es in ihrem jungen Herzen mit den Rosen um die Wette knospte und blühte, da Einer im Garten an ihrer Seite ging, der nun fortzog in die weite, weite Welt? … Wann wird er ihr wiederkehren? Und wie? Die Blumen können’s ihr ja nicht sagen, und doch – auch sie reden ihre stille Sprache, mag der Winter noch so lange währen, es muß ja doch wieder Frühling werden, dann wird die schöne Rosenzeit wieder folgen und aus frischen, leuchtenden Blüten windet dann vielleicht „Er“ für sie den Kranz, den er der glücklichen Braut in die blonden Locken drückt!


☛      Hierzu Kunstbeilage II: „Königin Luise mit Prinz Wilhelm.“ Von G. Biermann.

Inhalt: [ Inhalt der Wochen-Nummer 3/1897 – z. Zt. nicht dargestellt. ]



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verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_052.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2023)