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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)


einem Briefe vom Jagdjunker Zerbau. - Mit dem ‚Freischütz‘ fangen sie an.“

Man war unter diesen Gesprächen aus der Oberförsterei hinaus und bis an die Maysche Thür gelangt. „Ich sage dir noch gute Nacht, Aenne,“ flüsterte er, „aber ich muß erst mit den Kindern essen.“ Dann trennten sie sich.

Am späten Abend noch, als der Medizinalrat und Tante Emilie schon die Ruhe gesucht hatten und Aenne sich auch von der Mutter zu trennen im Begriff war, die im Zimmer noch allerlei zu ordnen und zu kramen hatte, fragte das Mädchen beim Gutenachtkuß, stockend und die Farbe wechselnd. „Mama, weißt du nicht, ob Günther mit seiner ersten Frau zufrieden lebte?“

Die Rätin schob die Brille auf die Stirn und sah ihre Tochter groß an. „Du willst wohl gar auf eine Gestorbene eifersüchtig werden?“ rief sie. „Fange doch solchen Unsinn gar nicht erst an, Kind!“

„Eifersüchtig, Mama, nein! Mir ist nur, als ob ich ’mal gehört hätte, es sei da nicht so ein strahlendes Glück gewesen.“

„Strahlendes Glück! Kleines Schaf, wie stellst du dir denn eigentlich die Ehe vor? So viel ich weiß, sind die Leute rechtschaffen miteinander ausgekommen. Glück? Was heißt denn Glück? – Zu dummes Zeug!“

„Ich habe mich noch immer nicht richtig ausgedrückt, Mama – Ob sie sich lieb hatten, meinte ich.“

„Na, Gott – natürlich! Oder meinst du, ein Mann weint so bitterlich wie er über die Frau im Sarge, wenn sie ihm gleichgültig war?“

„Das könnte am Ende Reue gewesen sein,“ bemerkte Aenne nachdenklich.

„Worüber Reue? Etwa darüber, daß er Geduld mit ihr hatte, als sie an der Schwindsucht zu kränkeln begann, lange Geduld? Daß er sie drei Monate hindurch Tag und Nacht auf dem Siechbette gepflegt hat wie eine Diakonissin, und daß er das Mariechen, bei dem ihr Leben schließlich erlosch, aufzog wie eine Kinderfrau? Ich meine, der hat wahrlich nichts zu bereuen! Wie kommst du auf solchen Schnack, Aenne?“

„Geduld hat er mit ihr gehabt, Mama?“ wiederholte das Mädchen langsam. „Glaubst du, er würde auch mit mir Geduld haben?“

„Wollen’s hoffen!“ gähnte Frau Rätin, die ihr Kind nicht verstand, „stelle sie nur nicht zu sehr auf die Probe! Weißt du was? Wenn deine Hochzeit vorüber ist, thue ich ein Dankopfer – mir graut vor der nächsten Zeit!“

„Mir auch,“ sagte Aenne leise und ging aus dem Zimmer. Droben saß sie dann auf ihrem Bette und grübelte. „Sagen muß ich es ihm und bitten will ich ihn, daß er mich dennoch nimmt. Ich will mir Mühe geben,“ flüsterte sie und preßte die Hände zusammen, „er darf mich nicht verlassen, er soll auch mit mir Geduld haben!“

Und dann erinnerte sie sich seiner Beschreibung des öden trostlosen Lebens neben der ungeliebten Frau. „Eine Hölle“, hatte er gesagt! Und sie wollte trotzdem diese Schwelle überschreiten? Sie versuchte, es sich vorzustellen ob sie ihn immer würde ertragen können, ihn und die Kinder. Und sie streckte die Hände aus wie abwehrend und schlug sie gleich darauf vor ihr glühendes Antlitz.

„Ich will nicht, ich kann nicht!“ stöhnte sie. Und nun dachte sie an Heinz, und die Röte der Erregung wich der Blässe des starren harten Trotzes.

„Es muß sein!“ sagte sie, „es muß sein!“

(Fortsetzung folgt.)



Gesundheit und Kleidung.
Ein Beitrag zur Hygieine der Kleiderstoffe.
Von Professor H. Buchner in München.
Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.

Ueber Hygieine der Kleidung für weitere Kreise zu schreiben, ist gar keine leichte Aufgabe. Einem Reisenden, der uns über ferne bisher unerforschte Länder berichtet, wissen wir Dank für die kleinste Aufklärung. Aber, was uns am nächsten liegt, worüber wir selbst vielfache Erfahrungen gesammelt haben, darin sind wir in Bezug auf Erkenntnis auch um so anspruchsvoller, und wir vergessen da nur zu leicht, daß die Wissenschaft, sie unwandelbarer Eigenschaften und Wirkungen der Dinge gerichtet, kann dem augenblicklichen Bedürfnis, und wenn es noch so dringend wäre, kein Zugeständnis machen. Es geht ihr deshalb wie dem Arzt am Krankenbett. Der Patient verlangt um jeden Preis sofort nach einem Rezept, wenn auch sein Fall noch so verwickelt, die Diagnose noch so unklar und erst durch weitere Beobachtung zu enträtseln ist.

Ein solches Rezept kann die wissenschaftliche Hygieine in der Bekleidungsfrage vorerst nicht geben. Wohl aber kann sie gewisse Grundlagen der Beurteilung aufzeigen, kann uns belehren über die Funktionen der Kleidung, die Eigenschaften der verschiedenen Kleidungsstoffe und ihr Verhalten zum Körper, was alles für die Auswahl einer rationellen Bekleidung entscheidend in Betracht kommt. Da die Wissenschaft also wenigstens nicht mit ganz leeren Händen zu erscheinen braucht, sondern auch dem Praktiker schon einiges recht Beachtenswerte zu bieten vermag, so habe ich mich gerne entschlossen, einer Aufforderung der Redaktion der Gartenlaube entsprechend, von der Hygieine der Kleidung und ihrem gegenwärtigen Stand hier kurz zu berichten.

Vielleicht wird man von vornherein den Einwand erheben, wie es denn möglich sei, an die Kleidung, ein wechselvolles, so sehr der Mode unterworfenes Ding, überhaupt einen wissenschaftlichen Maßstab anzulegen? Vom tyrannisierenden Einfluß der Mode, der schon aus dem regelmäßigen Absatzbedürfnis unserer Bekleidungsindustrie erklärlich ist, der Hauptsache nach aber in bestimmten tieferen Trieben und Bedürfnissen der Menschennatur wurzelt, überzeugen wir uns allerdings Jahr für Jahr, und schwer fällt es dem Einzelnen, sich diesem Einfluß ganz zu entziehen. Aber, wenn wir von gewissen etwas weitgehenden Launen und Absonderlichkeiten namentlich in der Kleidung unserer Damenwelt absehen, so geht doch ein stetiger Grundzug durch die wechselnden Gestalten der Mode. „So malerisch,“ sagt Max Rubner in einer seiner vortrefflichen Abhandlungen über die Kleidung, „die faltenreiche griechisch-römische Gewandung war und so sehr ihr ein echter individueller Reiz durch die Geschicklichkeit des Trägers verliehen werden konnte, so war doch die für die Toilette selbst bei dem Manne erforderliche Zeit so groß, daß sie nur unter bestimmten Kulturbedingungen sich halten konnte.“ Unsere Kleidung dagegen „schreitet in unverrückbarem Ziele von dem Malerischen und Schönen mehr und mehr zu dem Praktischen und Zweckmäßigen. Sie braucht und darf nie ganz in dem letzteren Ziele aufgehen, denn sie wird immer ein Schmuck für Mann und Weib bleiben.“

Prüfen wir unsere Modeerlebnisse im Laufe der letzten Jahrzehnte, so verhält es sich in der That nicht anders; und es ist auch keine Gefahr, daß ein grundsätzlicher Umschwung erfolgen sollte. Eine Zeit, die unter dem Zeichen des Verkehrs steht, kann niemals mehr zu ganz und gar unpraktischen Moden zurückkehren. Menschen, die gewohnt sind, sich täglich so und so oft in Straßenbahn- oder Eisenbahnwagen hineinzuquetschen, deren Zeit überhaupt gemessen ist und ausgenutzt werden muß, werden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_076.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2016)