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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Nr. 8.   1897.
Die Gartenlaube.
Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Jahresabonnement: 7 M. Zu beziehen in Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf., auch in 28 Halbheften zu 25 Pf. oder in 14 Heften zu 50 Pf.

Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.
Trotzige Herzen.
Roman von W. Heimburg.

(7. Fortsetzung) Im Mayschen Hause war es am Tage nach der aufgehobenen Verlobung Aennes, als läge ein Toter darin. Die Rätin ging umher mit dick verweinten, aber zornsprühenden Augen, sie erklärte ihrem Manne und jedem, der es hören wollte, diese Geschichte bringe sie noch untern Boden! Eine zurückgegangene Verlobung war nach ihrer Ansicht etwas Schmachvolles, Ehrenrühriges, in Breitenfels sei das, soweit sie sich erinnern könne, in einer honetten Familie niemals vorgekommen; Aenne sei blamiert auf Lebenszeit.

Als der Oberförster gestern mit gefurchter Stirn und kurzen Worten den Eltern die Thatsache mitteilte, daß er und Aenne übereingekommen seien, sich zu trennen, hatte die Rätin sich gesträubt, es zu glauben, und behauptet, Aenne sei nur verschüchtert, er solle doch um Gottes willen keinen Unsinn reden, ihre Tochter werde ihn sofort um Verzeihung bitten! Er dürfe es doch nicht für Ernst nehmen, wenn ein kindisches Mädchen trotze! Mit flehender Beredsamkeit begann sie zu erzählen, daß auch sie kurz vor der Hochzeit den Einfall bekommen, May den Laufpaß zu geben, so ein ungeheures Bangen habe sie erfaßt vor dem ernsten Schritt. Er solle doch Geduld üben, Aenne müsse sich falsch ausgedrückt haben! Und nach jedem Satz hielt sie ein und schnappte nach Luft wie ein Ertrinkender und fragte: „Nicht wahr, May?“

Der Oberförster aber hatte ihre Hand ergriffen, ihr gedankt für die treue mütterliche Gesinnung, dem Rat die Rechte geschüttelt und sich dann zum Gehen gewandt, ohne weitere Worte. Und nun war es still geworden in dem Zimmer, das er verlassen.

„Fasse dich, Alte,“ sagte der Rat, indem er der kreidebleichen Frau auf die Schulter klopfte, „wer weiß, was es gegeben hat! So recht gefiel mir die Brautschaft nie. Das Mädchen that’s wohl in der Uebereilung, in dieser Frage haben nur sie und er zu entscheiden. Wir wollen’s tragen mit ihr.“

„Und der Skandal, und das Gerede?“ Die erbitterte Frau lief aus dem Zimmer und geradeswegs nach Aennes Stube.

Das Mädchen saß da in der Kälte – das Feuer im kleinen Ofen war längst erloschen; ganz wirr noch, körperlich und seelisch erschüttert. Die Mutter stürmte ins Zimmer und stieß in der Dunkelheit so heftig an eine kleine Etagere, die Aennes sorgsam behütete Nippes trug, daß das zierliche Gerät klirrend auf den Fußboden flog, wo es noch einige ärgerliche Fußtritte erhielt.

„Ich will dich nur fragen,“ begann sie, mit zitternden Händen nach den Streichhölzern tastend und Licht anzündend, „ob du eigentlich bei klarem Verstand bist. Augenblicklich setzt du dich hin und bittest Günther um

Der Fastnachtsbär.
Nach der Originalzeichnung von Hans G. Jentzsch. .

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_117.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2023)