Seite:Die Gartenlaube (1897) 276.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

0


Blätter und Blüten.

Die äußere Ausstattung des Schulmädchens. Des Hauses Herzblättchen soll nach dem Osterfest der Schule übergeben werden. Die ganze Familie beschäftigt sich in Ernst und Scherz mit diesem ersten Schritt ihres Lieblings ins Leben. Natürlich bewegt dies Ereignis am meisten die sorgenden Gedanken der treuen Hausmutter. Nach Frauenart zieht sie dabei die äußere Ausrüstung des kleinen Schulmädchens in liebevolle Erwägung. Vielleicht ist ihr dazu von berufener Seite ein Rat nicht unwillkommen. –

Schon seit Weihnachten harrt in vielen Familien das Schultornisterchen seiner Bestimmung. Es soll aus Rücksicht auf die gerade Haltung des Schulkindes stets auf dem Rücken getragen werden. Darum wähle die Mutter das Frühjahrsmäntelchen für die kleine Schülerin ohne Rücksicht auf die herrschende Mode so, daß dies auch möglich sei. Soll es durchaus einen Kragen haben, so sei er zum Abknöpfen eingerichtet, sonst entsteht aus der kleinen zierlichen Gestalt eine kleine Karikatur, deren Anblick unwiderstehlich zum Lachen reizt. Das Schulkleid soll zweckmäßig und bequem sein. Die geschickte Mutter wird Zierlichkeit und modernen Schnitt mit der nötigen Länge und Weite vereinen können. Aus Anstands- und Gesundheitsrücksichten sollen die Kleider der Kleinen nicht zu kurz sein; denn gerade bei diesen schiebt der unruhige Körper das kurze Röckchen in die Höhe und berührt dann die kalte Bank. Eine bequem zu erreichende Tasche ist für das kleine Mädchen, welches nun nicht mehr bei der Mutter Hilfe suchen kann, unerläßlich. Die Weite ist besonders bei den Aermeln zu beachten. Ein zu enger Aermel hemmt die Bewegung und zerreißt sehr schnell. Ein zur Aufnahme des Frühstücks bestimmtes Körbchen, welches mit Band oder Riemen umzuhängen ist, vervollständigt die Ausstattung des Schulkindes.

Bei allen Anschaffungen für Schulkinder lasse sich die verständige Mutter nicht nur durch die Mode bestimmen, sondern denke erst gesund und zweckmäßig, dann modern! M. Sch.     

Deutschlands merkwürdige Bäume: Die umgewehte Tanne im Forstenrieder Park.

Deutschlands merkwürdige Bäume: Umgewehte Tanne im Forstenrieder Park. (Mit Abbildung.) Aus dem Norden Deutschlands stammte der letzte merkwürdige Baum, den wir auf S. 164 des laufenden Jahrgangs der „Gartenlaube“ abgebildet haben, die „Riesenschlangenkiefer“ bei Bendestorf in Hannover. Heute führen wir unsern Lesern eine eigenartig gestaltete Tanne aus Bayern vor. Sie steht im Forstenrieder Park, unweit der Landstraße nach Starnberg, auf ziemlich einsamer Heide. Vor Jahren wurde sie vom Sturm umgeweht, aber die starken Aeste schützten sie vorm gänzlichen Falle. Ein Teil der freigelegten Wurzeln bohrte sich im nächsten Frühling wieder in das Erdreich ein und außerdem verwandelten sich die stärkeren dem Boden zugekehrten Aeste in neue Wurzeln – ein Vorgang, den man an umgestürzten Bäumen oft beobachten kann. So erhielt der Baum reichliche Nahrung und seine dem Boden abgekehrten Aeste konnten sich kräftig entwickeln. Heute bilden sie aus dem Mutterstamm eine Reihe armdicker, regelrecht gewachsener Tannen. Aber auch die Kronenzweige des gefallenen Stammes streben zum Lichte empor, daß die Spitze des Baumes eine Biegung nach oben machte. So ist dieses merkwürdige Naturspiel ein schönes Sinnbild der zähen Lebenskraft, die unsern Waldbäumen innewohnt. *      

Günstige Kritik. (Zu dem Bilde S. 273) Wie angenehm hatte es doch die Künstlerin der „guten alten Zeit“! Ohne Furcht vor Konkurrenz und öffentlicher Kritik, eine interessante Ausnahme ihres Geschlechtes, saß sie vor der Staffelei und erregte, wie die junge Malerin unseres Bildes, mit ihren harmlosen Kunstwerken einen ganz außerordentlichen Enthusiasmus. Wirkte doch auch ihre ganze Art und Umgebung zu dieser Stimmung mit; das als Atelier dienende freundliche helle Mädchenstübchen mit dem Fenster voll Blumen über dem geöffneten Spinett mit dem kleinen Bücherbrett seitlich davon, das ein paar abgegriffene Lieblingsdichter trägt, die ganze echt weibliche Atmosphäre des Raumes, in welchem die Künstlerin liebevoll die morgens im Hausgarten gepflückten Blumen auf die Leinwand bringt. Da ist es denn kein Wunder, wenn ihrem jungen Kritiker die kühle Objektivität abhanden kommt. Stände ein alter mit ebenso entzückter Gebärde hinter ihrem Sessel, so wäre es vielleicht hoffnungsvoller für ihre künstlerische Zukunft. Aber wer weiß, ob diese nicht bald untergeht in dem Frauenglück an der Seite des hübschen dunkeläugigen Mannes, der gar nicht aussieht, als ob er sich ein besonderes Gewissen daraus machen würde, seiner bewunderten Freundin einen solchen Tausch vorzuschlagen! Bn.     

Radfahrerin. (Zu unserer Kunstbeilage.) Das Fahrrad hat sich die Welt erobert. Man radelt in allen Weltteilen; und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika allein wurde im Jahre 1896 gegen eine Million Fahrräder fabriziert. Niemand kann heute bestreiten, daß das Radfahren, wenn es nicht übertrieben wird, eine gesunde, Leib und Seele erfrischende Uebung ist. Diesen Standpunkt hat in der „Gartenlaube“ bereits im Jahre 1889 kein geringerer als der berühmte verstorbene Münchener Professor J. Nußbaum vertreten. Und wie nützlich es im Verkehr sich erweist, davon zeugen die zahllosen radelnden Geschäftsleute, die Fahrraddienstmänner und die Fahrraddroschken. Lange Zeit hielt sich die Frauenwelt dem Radfahren fern, aber nun hat das Fahrrad auch in dieser Hinsicht sich Bahn gebrochen. In Deutschland wird die Zahl der Radfahrerinnen täglich größer. Die Radfahrerin bildet in vielen unserer Städte keine Seltenheit mehr, sondern ist vielfach zu einer typischen Erscheinung geworden. – Eine gar schmucke Radfahrerin führt uns unser Holzschnitt nach einem Bilde von Professor Franz Simm vor. Das Originalgemälde wurde im vorigen Jahre im Glaspalast zu München ausgestellt, wo es großen Beifall fand. Es hat auch einer Freundin des Radfahrens, Nina Güthner, Anregung zu einem kleinen Gedicht gegeben, das den Radfahrerinnen aus der Seele gesprochen sein dürfte, weshalb wir es hier folgen lassen:

Grüß Gott! Du holde Radlerin,
Mit deinem lust’gen Rädchen,
So lang’ ich schon auf Erden bin
Sah ich kein nett’res Mädchen.

5
Du bist der lieben Unschuld Bild,

Und gute Menschen segnen
Dich sicher, wenn sie im Gefild
Dir, wie dem Lenz, begegnen.
Ließ dich das Rad so schön und stark

10
In Jugendpracht gedeihen?

Könnt’ es dir Kraft bis in das Mark
Und Rosenblut verleihen?
So fliege wie ein Vögelein
Durch Wald und Feld und Auen

15
Und werd’ im goldenen Sonnenschein

Die prächtigste der Frauen!


manicula      Hierzu Kunstbeilage IX: „Radfahrerin.“ Von F. Simm.

Inhalt: Trotzige Herzen. Roman von W. Heimburg (15. Fortsetzung). S. 261. – Stärkungsmittel. Ein Beitrag zur Hygieine der Arbeit. Von M. Hagenau. S. 267. – Die Hundertjahrfeier in Berlin. Von G. Klitscher. S. 268. Mit Abbildungen S. 261, 264 und 265, 269 und 270. – Eine Anklage gegen die Wiesenblumen. S. 271. – Einmal zur rechten Zeit. Erzählung von Luise Westkirch. S. 272. – Günstige Kritik. Bild. S. 273. – Blätter und Blüten: Die äußere Ausstattung des Schulmädchens. S. 276. – Deutschlands merkwürdige Bäume: Umgewehte Tanne im Forstenrieder Park. (Mit Abbildung.) S. 276. – Günstige Kritik. S. 276. (Zu dem Bilde S. 273.) – Radfahrerin. S. 276. (Zu unserer Kunstbeilage.)



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_276.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2023)