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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

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Blätter und Blüten.

Stare in der Minnezeit. (Zu dem Bilde S. 325.) Lust und Freude weckt der Frühling auch in dem kleinen Vogelherzen, das nun von Liebessehnsucht erfüllt wird. Im schönsten Kleide prangt da das Männchen und die schönsten Lieder dringen aus seiner Kehle. Da wird sich geputzt, in die Brust geworfen, im Drehen, Wenden, in gravitätischem Gang auf den dickeren Baumästen, im Flügelschlag und Komplementieren bemerkbar gemacht, da wird geschwatzt und manche Stelle klassischer Vogelgesänge angedeutet. Das eine Männchen sucht das andere zu überbieten, und gelingt es nicht mit der Stimme, so macht vielleicht ein behagliches Wiegen im Sonnenschein mit ausgebreitetem Gefieder, gleichsam ein Luft- und Sonnenbad, einen reizenden Eindruck auf das stille, blassere Weibchen. Im vorteilhaften Lichte entfaltet sich ja der Liebreiz, die eigentliche Schönheit erst ganz. Da stechen die helleren Fleckchen aus dunklerem Grunde vorteilhaft ab, und das Gefieder schillert in Grün und Purpur, während die silberstrahlenden Federspitzen gar schön hervortreten. Die Eifersucht, womit sich die Männchen befehden, spielt aber auch eine Rolle, namentlich das Kämpfen um den Besitz der Nisthöhle. Ein Nachbarmännchen schlüpft in den Kasten. Pfeilschnell schießt der rechtmäßige Besitzer daher und hinter ihm drein in die Tiefe des Kastens. Ein wütender Kampf entspinnt sich da unter großem Gepolter. Endlich erscheint von innen ein Starenschnabel, langsam schiebt der Kopf sich nach, mühsam der ganze Körper, und nur das linke Bein wird drinnen noch festgehalten, so daß der Vogel schwebend am Loch hängt. Endlich reißt er sich los, und hoch in die Luft wirbelt der Mißhandelte. Der Sieger aber schlüpft bedächtig hervor, schüttelt den Staub von den Füßen, ordnet das Gefieder und schwebt zurück zu dem Weibchen das in der Nähe zugesehen und stolz ist auf die Vorzüge seines Ritters.

Das Gildenhaus in Dortmund. (Mit Abbildung.) Dortmund, die ansehnlichste Stadt Westfalens, ist heute als Mittelpunkt eines bedeutenden Bergbaues weltbekannt. Sie zählt zu den ältesten Städten des Landes, denn sie wird schon zu Anfang des zehnten Jahrhunderts genannt. Später hielten hier verschiedene Kaiser ihre Hoftage ab und dann war Dortmund eine Freie Reichs- und wehrhafte Hauptstadt, so stark befestigt, daß das Sprichwort entstand. „So fast as Dürtem“. Aus jener alten Glanzzeit sind noch verschiedene Erinnerungen erhalten, und in der Neuzeit entstand der Wunsch, die alten Bauten aus früheren Jahrhunderten wiederherzustellen. Ein hochinteressantes Bauwerk ist das Gildenhaus, das, im 15. Jahrhundert im gotischen Stil errichtet, Kauf- und Versammlungszwecken gedient hat. Das Haus ist Eigentum des Weingutsbesitzers F. Wenigheimer in Bingen und wurde im vorigen Jahre unter Beihilfe der Provinz Westfalen und der Stadt Dortmund wiederhergestellt. Damit wurde für die Stadt ein eigenartiger Schmuck geschaffen. Die obenstehende Abbildung führt uns das renovierte Bauwerk vor, und zwar nach einer Vorlage, die wir dem interessanten Werke Fr. Kullrichs „Bau- und Kunstgeschichtliches aus Dortmunds Vergangenheit.“ (Verlag von H. Hornung, Dortmund) entlehnt haben. Im Giebel des Gildenhauses erblicken wir die Sandsteinfigur des heiligen Reinhold, des Schutzpatrons von Dortmund. Die unteren Fenster der Frontseite sind mit den Wappen Westfalens und der Stadt Dortmund geschmückt. Das Innere des Hauses, namentlich der geräumige Saal mit seiner schönen Galerie, ist mit verschiedenen altertümlichen Geräten ausgestattet. An der Eingangsseite des Saales stehen zwei Holzfiguren, die Kaiser Karl IV. und seine Gemahlin darstellen. An der linken Wand desselben Raumes befindet sich noch ein Reiterstandbild des heiligen Reinhold, das aus einem Eichenblock geschnitten ist und aus dem 15. Jahrhundert stammt. *      

Das Gildenhaus zu Dortmund.

Wo ist die Mutter? (Zu dem Bilde S. 329) Verstecken und Suchen ist eins der freudigsten Kinderspiele. Es erfordert keine besonderen Vorkenntnisse und der Sinn dafür erwacht recht frühzeitig in den kleinen Erdenbürgern. Das beweist der Erstgeborene der jungen Mutter auf unserem Bilde, der es schon bei seinen ersten Gehversuchen im Freien auszuüben versteht. Er ist mit Leib und Seele dabei, wie schwierig für ihn das ungewohnte Terrain des Parkrasens auch sein mag. Größer als seine Freude ist aber in diesem Augenblicke die der jungen Mutter. So sonnig, so freudig ist ihr noch kein Maientag erschienen wie dieser, den ihr blühendes Kind verherrlicht. *      

In der Seemannsschenke an Hamburgs „Wasserkant“. (Zu dem Bilde S. 337) Unser Bild führt eine gemütliche Schenke an Hamburgs „Wasserkant“ vor, für deren starken Besuch seit einer Reihe von Menschengeschlechtern die Schätze aus fernen Breiten zeugen, mit denen Wände und Decke geschmückt sind, größtenteils Spenden dankbarer Stammgäste. Hier verkehren Männer aller Grade der seemännischen Stufenleiter. Der Herr in bequemer bürgerlicher Kleidung, der am Tische links im Vordergrunde unseres Bildes sitzt, dürfte der Schiffer selbst sein. Ihm zur Seite der Steuermann mit der weiß-dunkelblauen Mütze erteilt seine Weisungen wegen des „Löschens“ (Entladen des Schiffes) einem ’Ewerführer’, dem Manne mit offener Weste in Hemdsärmeln. Zur Rechten läßt sich der Obermaschinist, das Holzpfeifchen mit „Shag“ oder „Birds Eye“ gefüllt im Munde, vom bisherigen „Jungmann“ (Leichtmatrose) erzählen, daß dieser nunmehr Vollmatrose geworden sei und bald zur Navigationsschule gehen werde, um sich auf die Steuermannsprüfung vorzubereiten, er ist ’betuchter’ Leute Kind, dem die Mittel das gestatten. In der Ecke gegenüber sitzen zwei „Offiziere vorn“, Bootsmann und Zimmermann, umgeben von jungem Volk, dem sie wohl soeben ein Garn gesponnen haben vom Klabautermann und Fliegendem Holländer. Gegenwärtig lauschen sie den Tönen des „Matrosenklaviers“, der Handharmonika, die der greise, halbblinde Jan spielt. An der anderen Seite vor der weißen Blechbüchse mit dem roten Kreuz, zur Aufnahme von Gaben für die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger bestimmt, erzählt der alte frühere Kapitän, der jetzt, wie man in Hamburg sagt, „sein Geld lebt“, von den lohnenderen Frachten und der besseren Stellung des Schiffsführers zu vergangenen Zeiten, und der Lotse mit der Seemannsmütze legt gleichfalls dar, daß es ehedem besser war als jetzt. Der Schiffsmakler zwischen den beiden wirft dann wohl dazwischen, daß die Schiffahrt selbst zum Glück jetzt wieder aufblühe. Daraufhin läßt er auch wohl eine frische Runde kommen für alle Mann, und man stößt an auf das Gedeihen der deutschen Schiffahrt mit seemännischem „Hip, hip, Hurra!“ G. K.      

Kloster bei Spalato. (Zu unserer Kunstbeilage.) Reich an landschaftlichen Schönheiten ist das Küstenland Dalmatien. Das wilde Karstgebirge tritt hier unmittelbar an die buchtenreiche, mit Inseln umkränzte Küste, und die immergrünen Gewächse, die Berg und Thal schmücken, tragen schon südliches Gepräge. Urwüchsig und originell sind die Menschen, die an diesem Küstensaum wohnen: verschiedenen Nationalitäten angehörend, gehen sie einher in ihren bunten Trachten und verraten dem Wanderer, daß er die Schwelle des Orients erreicht hat. Besonders merkwürdig ist aber Dalmatien durch seine Bauwerke. Es ist dicht mit Ruinen besät, die Zeugnis davon ablegen, daß in diesem Lande einst ein regeres und reicheres Leben geherrscht hat. Da stehen noch gewaltige Ueberreste glanzvoller Tempel, Theater und Paläste, die von römischen Cäsaren in den Städten an dalmatinischer Küste errichtet wurden, während andere Bauten aus der Glanzzeit Venedigs stammen. Viele von ihnen sind für immer verlassen worden und verwittern langsam in Sonnenbrand und Wind und Wetter, in anderen haben sich Menschen angesiedelt und vielfach sind heidnische Tempel zu Klöstern und Kirchen umgebaut worden. Wie eigenartig diese wunderbaren Bauten, im Schmucke dunkler Cypressen und von blühendem Distelgestrüpp umrankt, dem Auge des Beschauers erscheinen, zeigt das treffliche Stimmungsbild P. Reiffensteins, das uns ein Kloster bei der durch römische Ruinen berühmten Stadt Spalato am steilen Absturz des Karstgebirges vorführt. *      


manicula0 Hierzu Kunstbeilage XI: „Kloster bei Spalato.“ Von P. Reiffenstein.


Inhalt: Die Hexe von Glaustädt. Roman von Ernst Eckstein. S. 325. – Stare in der Minnezeit. Bild. S. 325. – Wo ist die Mutter? Bild. S. 329. – Ein neues Mittel gegen Insektenstiche. Von M. Hagenau. S. 330. – Aus Uhlands neuerschlossenen Tagebuch. Die Hochzeitsreise im Sommer 1820. Mitgeteilt von J. Hartmann. S. 331. – Im Hausgarten. Bild. S. 333. – Trotzige Herzen. Roman von W. Heimburg (Schluß). S. 336. – In der Seemannsschenke an Hamburgs „Wasserkant“. Bild. S. 337. – Blätter und Blüten: Stare in der Minnezeit. S. 340. (Zu dem Bilde S. 325.) – Das Gildenhaus zu Dortmund. (Mit Abbildung.) S. 340. – Wo ist die Mutter? S. 340. (Zu dem Bilde S. 329.) – In der Seemannsschenke an Hamburgs „Wasserkant“. S. 340. (Zu dem Bilde S. 337.) – Kloster bei Spalato. S. 340. (Zu unserer Kunstbeilage.)



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_340.jpg&oldid=- (Version vom 8.8.2023)