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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

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Blätter und Blüten.

Flüssige Kohlensäure in der Erdrinde. Die Herstellung der flüssigen Kohlensäure im großen, welche in der Technik und Industrie vor kaum einem Menschenalter als große Errungenschaft bezeichnet wurde, ist im Haushalte der Natur bereits vor Millionen Jahren geübt worden. Ja, der unerschöpfliche Gehalt vieler Quellen, besonders im Taunus, an Kohlensäure ist nicht etwa auf gasförmige Vorräte der Erdrinde zurückzuführen, sondern auf flüssige Kohlensäure, die besonders in den Granit- und Gneisschichten, also den ältesten Gesteinen der Erdrinde, enthalten ist. Diese Schichten, welche bis zu einem Drittel ihres Volumens mit Quarzeinschlüssen untermischt sind, enthalten, in letztere eingesprengt, unzählige Tröpfchen flüssiger Kohlensäure, welche zwar, einzeln betrachtet, mikroskopisch klein sind, aber dennoch, in ihrer Gesamtheit und auf den gasförmigen Zustand reduziert, unermeßliche Mengen des Gases darstellen, welches in unserer Atmosphäre nur noch in Spuren vorhanden ist. Wie Prof. Laspeyres mitteilt, enthält nach den bisher untersuchten Proben ein Kubikmeter quarzhaltiger Granit oder Gneis bis zu 15 Liter flüssige oder 7 Kubikmeter gasförmige Kohlensäure. Da aber die Dicke der Gneis- und Granitschichten, welche das ganze Gerüst des Erdkörpers bilden, nach Tausenden von Metern mißt, so würde ihr Einschluß an flüssiger Kohlensäure gewiß hinreichen, um eine Erdatmosphäre aus reiner Kohlensäure zu bilden, welche höher als die jetzige Luftschicht unsres Planeten wäre. Bei der unterirdischen Zersetzung der Gesteine durch Hitze, Druck oder Wasser wird natürlich die Kohlensäure frei und steigt in gewissen aus großer Tiefe kommenden und deshalb heißen Quellen mit zu Tage. Ein Gneiswürfel von 1000 m Breite würde z.B. die Quellen von Pyrmont über 300000 und die von Oeynhausen beinahe 100000 Jahre mit Kohlensäure versorgen können, und selbst die ungewöhnlich starke Quelle im Brohlthal, die in jeder Stunde 90 Kubikmeter Kohlensäure zu Tage bringt, hätte an einem Kubikkilometer Granit für 9000 Jahre genug.

Solche flüssigen Einschlüsse im Gestein sind nichts Seltenes, auch das Erdöl der amerikanischen Petroleumquellen ist meistenteils in Gestalt feiner Tropfen in die dortigen, freilich jüngeren Gesteinsschichtungen versprengt. Es läßt sich leicht vorstellen, daß in der Urzeit der Erde, als die sie umgebende Atmosphäre noch ganz oder größtenteils aus Kohlensäure bestand und eben die Bildung der Gneis- und Granitschichten begann, Kohlensäure in Mengen verflüssigt und in die Poren der Gesteine eingeschlossen worden ist, wie dies später mit den Erdölen und Erdölgasen geschah. Die zu solchen Wirkungen fähigsten Mächte, Zeit, Druck und Wärme, haben ja im Verlaufe der früheren geologischen Epochen stets in unbegrenztem Umfang zu Gebote gestanden. Bw.     

Die Mithrashöhle auf Capri.
Nach einer Photographie von P. Espositos u. Sohn in Neapel.

Die Mithrasgrotte auf Capri. (Mit Abbildung.) Als großes herrliches Lichtbild hebt sich die Insel Capri gegen den dunkelblauen Himmel und das azurne Mittelländische Meer ab. Blitzende Sonne allüberall: auf den Felsenhängen, auf den silbernen Blättern der Oelbäume, auf den über die Insel hinrankenden Reben, in den Augen lebensfroher Mädchen und Knaben! Capri ist die Heimat des siegenden Sonnengottes, des altrömischen Sol invictus, dem noch heute jeder nordische Fremdling so gern sein Opfer bringt in dem goldfunkelnden Weine von Capri.

Dieselbe frohe Sonne leuchtete den römischen Bewohnern der Insel in der Kaiserzeit, auch sie verehrten diesen Sol invictus, aber nicht im Lichte, sondern in der Finsternis der Höhlen, nicht im freudespendenden Wein, sondern im unheimlichen Blute von Tieren und – Menschen. Der naive Sonnenkultus der Väter nahm unter dem Einfluß des aus Persien nach Rom verpflanzten Mithraskultus unheimliche Formen an, der Sol invictus erhielt den Beinamen „Mithras“.

Wir steigen in die Felseneinsamkeit der östlichen Steilküste hinein; wildes Geröll und Trümmergestein, umwuchert von würzigem Kraut- und Strauchwerk, füllt eine steil zum Meere etwa dreihundert Fuß abfallende Schlucht. Im Grunde dieser thut sich die so berühmte und berüchtigte Grotta di Mitromania auf.

Es ist eine der zahlreichen Höhlen, wie sie das Kalkgestein der Insel durchsetzen und in der Blauen Grotte höchste Berühmtheit erlangt haben. Die Gelehrten stritten lange Zeit über die Bedeutung, die dieser Höhle in alten Zeiten zukam. Die einen setzten ihren Namen in Bezug zu dem Mithraskultus, die andern aber erklärten das Wort für verdorben aus ara matris magnae (Altar der Großen Mutter) oder ara matris manium (Altar der Mutter der abgeschiedenen Seelen).

Ein Marmorrelief, das den jugendlichen Gott beim Stieropfer darstellt, heute im Museum Neapels zu sehen, gab endlich Aufschluß über die wahre Bestimmung der Höhle: sie war ein Heiligtum, ein Wallfahrtsort der im Niedergang begriffenen römischen Heidenwelt, die, im Kampf mit dem Christentum bereits unterliegend, noch heimlich in Höhlen, wie einst die ersten Christen in den Katakomben, dieses entarteten Gottesdienstes pflog ...

Ostwärts schauend über die schmale Meerenge hinweg, steigt beim Kap der Minerva die blühende Sorrentohalbinsel aus den Wellen, wo die Sirenen wohnten ... an der Sonne reifen die dunklen schweren Trauben Capris ... die Mädchen singen in den Weingärten, und von dem Kirchlein der Hilfreichen Gottesmutter, droben, dicht neben den Ruinen der Jupitervilla des jenem Mithrasdienste ergebenen Tiberius tönt ein christlich Glöcklein lustig und hell wie siegesfroh in den Sommertag hinein. Woldemar Kaden.     


 Geständnis.
 (Zu unserer Kunstbeilage.)

Ein Frühlingshauch von weicher Milde –
Ein zarter Duft auf Berg und Hain,
Und rings die blühenden Gefilde,
Sie atmen seinen Segen ein.

Und alles in der Näh’ und Ferne
Ist wie von Himmelstau erquickt,
Und viele hundert Blumensterne
Sind in der Matten Samt gestickt.

Doch nirgends eine schön’re Blüte,
Die einen süßern Duft ergießt,
Als was dem innersten Gemüte
Im Strahl der Liebe sich erschließt.

Und mag der Lenz vorübereilen,
Wenn er sein Füllhorn ausgeleert:
Hier ist zu dauerndem Verweilen
Er in die Herzen eingekehrt.  R. v. G.


☛      Hierzu Kunstbeilage XII: „Geständnis“. Von O. Lingner.


Inhalt: [ Inhalt der Wochen-Nr. 22/1897 ]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_372.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2023)