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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Banko harmlos auf einer Bank saß und sich leckte. Jürgen und Milo standen schon vor ihm und wir alle drei hätten gern die Geschichte seines Erlebnisses mit Perle gehört; er sagte aber gar nichts und Liese, das Hausmädchen, wußte auch nichts von ihm zu berichten. Sie hatte einen heißen Kopf und machte ein sehr schnippisches Gesicht, als Jürgen sie plötzlich fragte, ob sie nicht vorhin mit Fite Bierkraut spazieren gegangen sei. Natürlich würdigte sie den Frager keiner Antwort und schließlich war es uns auch allen einerlei. Denn wir wurden plötzlich noch einmal nach dem Kruge geschickt, um die Posttasche zu holen, die Krischane vergessen hatte. Auch Herr Nottebohm schien sein Interesse an ihr vollständig verloren zu haben und that, als man ihn danach fragte, als wenn er sich noch niemals um sie bekümmert hätte. An diesem Abend spielte Herr Nottebohm mit uns „Schwarzen Peter“ und benahm sich so nett bei dem Spiel, daß ich ihn wirklich recht gern leiden mochte. Er wurde natürlich immer „Schwarzer Peter“, ließ sich einen Schnurrbart nach dem andern, ja die Nase schwarz malen und bewies eine stille Ergebenheit, die nicht alle Leute bei diesem Spiel zeigen.

„Er ist doch ganz nett!“ sagte ich am anderen Morgen zu Milo, als wir zusammen in den Stachelbeeren saßen, während aus der Ferne die Begleitmusik des großen Reinmachens, das Klopfen der Teppiche und Kissen ertönte.

Milo nickte. „Nottebohm ist gar nicht schlecht. Zu Jürgen hat er einmal gesagt, wenn man jung wäre, dann dürfe man nicht allzu lustig sein. Er wäre zu lustig gewesen, nun müßte er dafür büßen. Aber er kann doch noch manchmal ganz lustig sein!

Während Milo also redete, steckte er den Mund voller Stachelbeeren aß sie, spuckte die Schalen aus und holte sich neuen Vorrat, so daß er diesen Satz nur sehr langsam hervorbrachte. Auch ich war in derselben Weise wie er beschäftigt, und als plötzlich Krischane zwischen den Stachelbeerbüschen erschien und mit schriller Stimme nach uns rief, da konnten wir ihr nur allmählich antworten.

„Kinners, wo seid ihr, wo steckt ihr? Und wo is Nottebohm?“

Sie sah aufgeregt aus, ihre Haare flatterten im Winde und in der Hand trug sie ein Bündel Papiere.

„Wo is er? Wo is Nottebohmen?“ fragte sie in einem so drohenden Tone, daß wir sie wirklich erstaunt betrachteten.

„Du mußt Herr Nottebohm sagen!“ sagte Milo ermahnend. „Wir dürfen auch nicht Nottebohm allein sagen!“

„Ich sag’, was ich will!“ rief Krischane atemlos. „Den Deuwel auch! Ich sag’, was ich will! Wo is Nottebohm?“

„Du darfst auch nicht fluchen!“ bemerkte Milo gemütlich. „Fluchen ist Sünde. Papa sagt es, und der muß es wissen!“

Er kroch aber doch bei diesen Worten auf die andere Seite der Stachelbeerhecke und das war sein Glück, denn Krischane stürzte sich mit so blitzenden Augen auf ihn, daß sie ihn sicherlich geprügelt hätte, wenn er in ihre Hände gefallen wäre. Nun wandte sie sich von uns ab und flog nach dem Teil des Gartens, in dem eine Pfeifenblattlaube stand, in welcher Herr Nottebohm hin und wieder in beschaulicher Ruhe eine ellenlange Pfeife zu rauchen pflegte.

„Wie dumm von ihr!“ sagte Milo, der schon wieder neben mir stand und Krischane nachblickte.

„Was ist dumm?“ fragte ich.

„Nun, daß sie Herrn Nottebohm sucht, wo sie doch heute selbst sein Zimmer reingemacht hat! Dann sind doch morgens keine Stunden und Herr Nottebohm geht in den Krug und trinkt Bier; das thut er immer, wenn er Zeit hat. Zu Jürgen hat er gesagt, Bier wäre Gift und man dürfe es nicht trinken. er aber kann ganz viel davon vertragen!“

Mich aber interessierten die Papiere, die Krischane in der Hand gehalten hatte. „Was sie nur von Herrn Nottebohm will?“ fragte ich. „Und die Briefe, die sie trug, ob sie die wohl in seinem Zimmer beim Reinmachen gefunden hat?“

(Fortsetzung folgt.)


Die Margarethenspende.

Ein Fortschritt der Krankenpflege auf dem Lande. Von P. Chr. Hansen.

Unter dem Namen „Margarethenspende“ ist in der innerhalb des früheren Herzogtums Schleswig gelegenen Landschaft Angeln vor einigen Jahren von einem schlichten Landmann ein schönes Werk barmherziger Nächstenliebe ins Leben gerufen worden. Dasselbe hat sich nach und nach unter Mitwirkung der einzelnen Gemeindeorgane zu einer sehr beachtenswerten Leistung auf dem Gebiete der Volkswohlfahrt entwickelt. Wir möchten die bei so manchen ähnlichen Bestrebungen erfolgreich bethätigte Vermitteln der „Gartenlaube“ in Anspruch nehmen, um dem Werke in den weitesten Kreisen der Bevölkerung, namentlich in Dorfgemeinden, zur Nachahmung zu verhelfen.

Jener Landmann hat eine einzige Tochter gehabt, die nach langem, schwerem Leiden in Davos an der Lungenschwindsucht starb. Der Vater pflegte sie dort selbst und beobachtete hierbei, in welcher Weise Leidenden mittels allerlei Hilfsmitteln das Schmerzenslager erleichtert werden kann. Es kam ihm dabei zum Bewußtsein, wie mangelhaft es noch vielfach auf dem Lande, wo man zum Arzt, Apotheker und Krankenhaus meist weite Wege hat, um die Krankenpflege und alles, was damit zusammenhängt, bestellt ist. Um nun diesem Uebelstande abzuhelfen, entschloß er sich, mit allen Kräften dahin zu streben, daß jeder Gemeinde seiner engeren Heimat alle zur Krankenpflege nötigen und nützlichen Gegenstände kostenlos zur Verfügung gestellt würden. Er setzte sich mit Aerzten, Krankenhäusern und Fabriken von Apparaten zur Krankenpflege in Verbindung und ließ sich diejenigen Gebrauchsgegenstände nennen, welche in der Krankenstube unentbehrlich erscheinen. Er schaffte alsdann die Gegenstände an, ordnete sie zweckmäßig in einen zu diesem Zwecke verfertigten Schrank ein und stellte diesen in seinem Hause auf, indem er den Inhalt zum leihweisen Gebrauch für jedermann in seiner Gemeinde bestimmte. Zum Andenken an die ihm durch den Tod im blühenden Alter entrissene Tochter nannte er seine wohlthätige Stiftung „Margarethenspende“.

Das war der Anfang seines Werkes, das nicht auf die eine eigene Gemeinde des Stifters beschränkt blieb, sondern sehr bald in die nähere und weitere Nachbarschaft hinausgetragen wurde. Von den Kirchengemeinden Angelns sind gegenwärtig bereits vierzehn im Besitze einer „Margarethenspende“ und in allernächster Zeit wird eine solche abermals sechzehn Gemeinden zu teil werden. Alsdann werden mit Ausnahme zweier später zu berücksichtigender Stadtgemeinden sämtliche Gemeinden der erwähnten Landschaft mit dieser Einrichtung ausgestattet sein. Alle Kosten trägt in uneigennützigster Weise der Spender. Die Gemeinden verpflichten sich nur, die Spende zu unterhalten und durch Gebrauch etwa schadhaft Gewordenes zu ergänzen.

Die Gegenstände der Spende sind nach und nach immer zahlreicher geworden; wir nennen hier: Luftkissen, Wasserkissen, Irrigatoren, Stechbecken, Thermometer, Spucknäpfe und –Becher, Wärmkruken, Inhalationsapparate, Eisbeutel, Ohrenspritzen, Duschen usw., selbst die Klingel für den Tisch vor dem Krankenbett fehlt nicht. Auch werden jeder Spende zwei Badewannen, eine große und eine kleine, beigegeben.

In allen Gemeinden, denen die Einrichtung bereits zur Verfügung steht, ist von den einzelnen Gegenständen oft und dankbar Gebrauch gemacht worden. Die Zahl der Ausleihungen ist natürlich je nach der Größe der Gemeinden und dem Gesundheitszustande innerhalb derselben schwankend. Im letzten Jahre bewegte sich dieselbe zwischen 164 und 30 Ausleihungen. Sämtliche Hergaben sind, wie bemerkt, kostenlos. Die Verwaltung der Spende liegt gewöhnlich in der Hand der Kirchenvorstände, die Spende selbst ist meist im Pastoratshause aufgestellt. In einigen Fällen haben sich auch Vereine gebildet, denen die Spende überwiesen wurde. Die Anwendung der Gegenstände geschieht zumeist auf Anordnung der Aerzte.

Wir möchten den Namen des edlen Mannes, der sich vorzugsweise dem minder bemittelten Teile seiner Mitmenschen gegenüber so verdient gemacht, trotz aller Bescheidenheit, die ihn auszeichnet, hier nicht unterdrücken es ist Herr Johannes

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verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_406.jpg&oldid=- (Version vom 7.7.2023)