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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Skizzen aus dem Imkerleben.

Von C. J. H. Gravenhorst. Mit Illustrationen von A. Kiekebusch.

Wer die Entwicklung der deutschen Bienenwirtschaft aufmerksam verfolgt hat, wird einen ganz bedeutenden Aufschwung in ihr wahrgenommen haben. Sie beginnt nicht nur wieder, wie vor dem Dreißigjährigen Kriege, gewaltige Massen an Honig und Wachs auf den Markt zu werfen, sondern sie hat es auch erreicht, den Honig in viel besserer Güte zu produzieren, als es früher der Fall war. Das bewirkten die bedeutsamen Erfindungen auf dem Gebiete der bienenwirtschaftlichen Hilfsmittel wie die hiernach sich gestaltenden fortwährend verbesserten Betriebsweisen. Kein Wunder, wenn die Bienenzucht jetzt mehr und mehr wieder zu einem Gewerbe sich emporhebt, das seinen Mann ernährt oder als reichlich lohnende Nebenbeschäftigung behaglichen Wohlstand, mindestens willkommenen Zuschuß zu den sonstigen Einnahmen bei geringem Anlagekapital und Zeitaufwand gewährt.

In der alten Zeit benutzte man hohle Baumstämme, Klotzbauten als Bienenwohnungen, weil sie eine gute Beute an Honig und Wachs ergaben, in manchen Gegenden Deutschlands in ausgiebigster Weise, besonders in waldreichen Gegenden. Nicht allein, daß man hohle Bäume, in welchen sich wilde Bienenschwärme eingenistet hatten, oberhalb und unterhalb des Sitzes der Bienen absägte, mit Fluglöchern für die Bienen, mit Dächern und Thüren versah und beim Hause aufstellte, nein, auch lebende Bäume in den Wäldern wurden künstlich ausgehöhlt und mit Bienen besetzt. Meistens waren diese künstlichen Aushöhlungen so hoch in zweiglosen Baumstämmen angebracht, daß erst eine beträchtlich lange Leiter angesetzt werden mußte, um zeideln, d.h. um Honig ausschneiden zu können. Aber diese Einrichtung war zweckmäßig, Diebstahl zu verhüten. Im 12., 13., 14. und 15. Jahrhundert stand in Deutschland diese Art Bienenzucht in hoher Blüte. Berühmt waren durch sie die großen Reichswaldungen bei Nürnberg, die man den „Reichsbienengarten“ nannte. Hier bildeten die Imker sogenannte Zeidlergesellschaften, die sich vieler Vorrechte und Privilegien zu erfreuen hatten. Vielleicht noch günstiger waren die bienenwirtschaftlichen Verhältnisse in der so oft als des Deutschen Reiches Streusandbüchse verschrieenen Mark. Gab es hier doch zum Teil Kreise, in welchen man 5000 bis 7000 Bienenvölker in künstlich ausgehöhlten Baumstämmen der Wälder oder in abgeschnittenen Baumstümpfen wie unsere nebenstehende Illustration sie darstellt, in den Hausgärten aufgestellt hatte. Heute begegnen wir diesen alten Bienenwohnungen nur noch vereinzelt, in manchen Gegenden Deutschlands als Ueberbleibsel aus längst verklungenen Zeiten.

Von einer eigentlichen Zucht der Biene konnte ja in diesen alten Klötzen nie die Rede sein, da die Honigernte darin nur vom Zufall abhängig ist. Das ist nicht minder der Fall in den kleinen bauchförmigen Strohkörben hoch über dem hofwärts stehenden Fenster des Schwarzwälder Bauernhauses, wie sie auf unserer Illustration S. 477 zu sehen sind. Trotzdem giebt es dergleichen Bienenstände heute noch gar viele, besonders in Süddeutschland, und sie werfen auch in Gegenden, die für die Biene günstig sind, einen Gewinn ab.

Alte Bienenzucht in Baumklötzen.

Schon mehr Vertrauen erweckend auf eine tüchtige Honigernte, tritt vor unsern Blick die Wanderbienenjagd des Lüneburger Heidimkers aus der Provinz Hannover (vgl. Illustration auf S. 477). Selbstbewußt, dem sichern Erfolge seiner Bienenkunst vertrauend, welche ihm seine Tonnen mit Honig füllt, hat der Besitzer, sein Pfeifchen dampfend, soeben die Front seiner Heerscharen abgeschritten und wie ein Feldherr mit Kennerblick Musterung gehalten. Er ist, so scheint es, vollkommen zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen seiner Wanderung zu entfernter besserer Weide. Erst mit dem Aufblühen des Buchweizens und der Erica vulgaris eröffnet sich in seiner Heimat eine reiche Honigtracht, während bis dahin seine Bienen kaum so viel Nahrung fanden, um notdürftig ihr Leben zu fristen. Große Massen an Honig würde er verfüttern müssen, bliebe er im Frühling daheim. Da macht er sich denn schon im März auf die Reise mit seinen Bienen nach Gegenden, wo im Frühjahre die Honigquellen reichlich fließen, stellt hier seine Völker aus und läßt sie schwärmen, d. h. sich verdrei- und vervierfachen und neuen Bau ausführen. Anfang Juli, wo der frühe Buchweizen zu blühen beginnt, kehrt er wieder heim. Die von ihm benutzte Bienenwohnung, der sogenannte Lüneburger Stülpkorb, ist gleichfalls uralt, gilt aber noch heute allgemein als eine ganz vorzügliche Bienenwohnung, da in ihr die Bienen gut gedeihen und sich ziemlich leicht behandeln lassen. Der Stülpkorb bahnte einst einen wahrhaft rationellen Bienenzuchtbetrieb an und ist noch heute in vielen Tausenden von Exemplaren im Gebrauch. Nach dem Dreißigjährigen Kriege waren es besonders die Heidimker, die als Hauptlieferanten von Honig und Wachs in Deutschland auftraten. Noch heute können sie in ausgezeichneten Jahren z. B. von 50 Völkern, die sie auf 150 vermehren, über 1500 Kilo Honig neben etwa 25 Kilo Wachs ernten; aber ihr Erzeugnis ist nicht so schön und darum auch nicht so gesucht wie der Honig, der von den heutigen modernen Imkern geerntet wird. Während die Heidimker das Pfund Honig mit 40 bis 50 Pfennig bezahlt erhalten, verkaufen die modernen Imker das Pfund zu 80 Pfennig bis 1 Mark und darüber. Diese ersteren sind eben nicht imstande, gerade den gesuchtesten, den schönsten Honig – den Frühjahrs- und Sommerhonig, zu gewinnen, dagegen aber massenweise den Buchweizen- und den Heidhonig aus der Erica vulgaris. Diese beiden Honigsorten stehen ohne Zweifel hinsichtlich ihrer die Gesundheit fördernden und anderen guten Eigenschaften dem Honige der modernen Imker nicht nach, wohl aber hinsichtlich des Aroms, der Farbe, des Geschmacks und der äußersten Reinheit von jeglichen Beimischungen, wie Blütenstaub und Wachsteilchen. Dazu kommt noch, daß sich beide Honigsorten in Gläsern nie so anlockend dem Liebhaber und Käufer gegenüber präsentieren. Daran ändert der so vortreffliche Betrieb der Heidimker ebensowenig wie ihre sonst ausgezeichneten Bienenwohnungen. Sie können sich eben der großen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 476. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_476.jpg&oldid=- (Version vom 7.7.2023)